Ingolstadt
Kult, aber umstritten: 50 Jahre „Vorsprung durch Technik“

18.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:30 Uhr
Bekannter Schriftzug: Am Hauptsitz von Audi in Ingolstadt prangt der altbekannte Slogan. Seit genau 50 Jahren werben das Unternehmen und dessen Vorgänger bereits damit. −Foto: Audi AG

Die Wichtigkeit des Werbeslogans für ein Unternehmen kann nicht hoch genug bewertet werden.

 

Der Ingolstädter Autohersteller  Audi beispielsweise wird  weithin  mit dem Claim „Vorsprung durch Technik“ verbunden.   Der Slogan ist aus der Werbewelt der vier Ringe kaum noch wegzudenken – und er blickt auf eine lange Historie zurück. Im Januar 1971 wurde er erstmals für eine Kampagne der damaligen Audi NSU Auto Union AG in einer großflächigen Anzeige verwendet. 
Das ist diesen Januar also schon 50 Jahre her. Laut Audi Tradition geht der inzwischen weltweit bekannte Slogan auf einen  Mitarbeiter der  Werbeabteilung von Audi NSU zurück. Hans Bauer betrachtete damals die technische Vielfalt, die das noch junge Unternehmen, welches aus der Fusion der Auto Union GmbH in  Ingolstadt mit der NSU Motorenwerke AG aus Neckarsulm entstanden war, vorzuweisen hatte. Die beiden Firmen hatten  bis dato  unabhängig voneinander unterschiedlichste Lösungen entwickelt. Im Produkt-Portfolio fanden sich   daher zunächst noch Wagen mit Front- oder Heckantrieb  und es bestanden  verschiedene Kühlungssysteme – ganz zu schweigen von den vielen verschiedenen Traditionen der Partner.
Eben jene technische wie  emotionale Breite sollte der neue Werbespruch des Unternehmens widerspiegeln. Und Hans Bauer erdachte aus dieser Idee heraus „Vorsprung durch Technik“. Vielfalt sollte als ein Wettbewerbsvorteil dargestellt werden. Damals sicherlich  opportun. Im Laufe der Zeit jedoch wurde zu große Vielfalt in der Automobilbranche   eher zu einem Nachteil. Die heute noch immer allgegenwärtigen  „Synergien“ hielten Einzug. 
Der Marken-Claim geriet jedoch nicht deshalb hin und wieder in die Kritik –  mal intern, mal extern. Als 2015  der Abgas-Skandal über den VW-Konzern, seine Töchter  und die gesamte deutsche Leitindustrie hereingebrochen war, avancierte  der  Werbespruch zu einer Quelle von einiger Häme. Das Magazin „Wirtschaftswoche“ etwa schrieb Ende 2016 von „Vorsprung durch Täuschen“. Und der „Spiegel“  titelte in Anlehnung nur wenige Wochen  später  ähnlich: „Vorsprung durch... Betrug“. 
Und Anfang 2017 schließlich  dachte sogar der damalige Audi-Chef Rupert Stadler  in einem Interview laut darüber nach, den Spruch zu reformieren. „Vorsprung durch Technik“ sei   mit Blick auf die Zukunft zu eingeschränkt,  sagte er damals  in einem Interview und lieferte gleich  noch eine  mögliche Neufassung mit: „Audi.Vorsprung“. Der Tittinger meinte weiter, „das können wir uns sehr gut vorstellen.“ Ob die Schlagzeilen der vergangenen Monate damit in Verbindung standen, ist Spekulation.
Bekanntlich kam es anders. Noch immer ist der nun 50 Jahre alte Slogan neben den vier Ringen das  Symbol der heutigen Audi AG. Wurde er zu Beginn nur punktuell für die Topmodelle verwendet, etwa   für den NSU Ro 80, so ist er  inzwischen aus keiner Kampagne mehr wegzudenken. Sicherlich  ist vielen Menschen  in der Region noch in Erinnerung, wie   der Schriftzug 1984 auf einem Hochhaus nahe der A9 angebracht wurde. Laut Audi Tradition war es damals  Europas größte Leuchtreklame. 
Trotz aller Höhen und Tiefen steht der Claim derzeit nicht  zur Debatte.   Zu groß ist seine Bekanntheit. Dennoch wurde  der Firmenauftritt jüngst   durch den  globalen Leitspruch „Future is an Attitude“ ergänzt.

Christian Tamm