München
Kür Seehofers zum Spitzenkandidaten steht im Zeichen des Krisenmanagements

Kür Horst Seehofers zum CSU-Spitzenkandidaten steht im Zeichen des Krisenmanagements

03.05.2013 | Stand 03.12.2020, 0:11 Uhr
CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer −Foto: Christian Albrecht

München (DK) Krisenmanagement statt Aufbruchssignal: Heute will die CSU auf einem aufwendigen Parteikonvent Horst Seehofer zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl nominieren. Doch beim Blick in die Zukunft holt ihn die Vergangenheit der CSU ein.

Die große Show wird in der CSU seit Monaten geplant. Mit 1500 Gästen rechnen die Organisatoren, wenn Ministerpräsident Horst Seehofer heute Abend auf dem Parteikonvent im Münchner Postpalast zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gekürt wird. Die Parteispitze wird dabei sein, die Abgeordneten, hunderte Mitglieder und Sympathisanten. Es gibt aufwendig inszenierte Filme, Ansprachen zur Einzigartigkeit Bayerns, CSU-Idol Edmund Stoiber wird sprechen, in einer knackigen Rede will Seehofer seine Kernziele für den Freistaat formulieren. Ein furioses Aufbruchssignal sollte es werden – eigentlich.

Seit einigen Tagen ist aber klar: Vielmehr ist im Moment eine Art Befreiungsschlag nötig. Ausgerechnet zum Zeitpunkt des großen Auftritts steckt die CSU in der unangenehmsten Affäre seit Jahren fest. 17 Abgeordnete, auch sechs Kabinettsmitglieder, haben nahe Verwandte unter teils dubiosen Bedingungen angestellt. Juristisch ist bisher nichts angreifbar. Aber nur weil die Regeln so seltsam sind. Politisch ist es ein Desaster. In der Bevölkerung herrscht Empörung. Seehofer ist weniger als Lichtgestalt denn als Krisenmanager gefragt – wieder einmal.

Als der Ministerpräsident die Führung der CSU 2008 übernahm, lag die Partei am Boden. Eine verheerende Niederlage bei der Landtagswahl und der Verlust der absoluten Mehrheit, das Milliardendesaster bei der BayernLB, politische Positionen, für die es im Volk schlicht keine Mehrheiten mehr gab. Nach und nach kassierte er einstige Steckenpferde der Partei – Atomkraft, Wehrpflicht, Donau-Ausbau. Die Opposition wirft ihm diese Kehrtwenden regelmäßig vor, verspottet ihn als Horst Drehhofer. Er selbst sieht sich als Modernisierer der CSU. „Wenn man über 15 Prozent verliert, kann man schon mal darauf kommen, dass es Änderungsbedarf gab“, sagte er kürzlich am Rande einer Plenarsitzung. Da hatte die CSU gerade die Studiengebühren entsorgt, die sie jahrelang verteidigt hatte. So bemühte sich Seehofer, jedes Thema, dass der CSU im Wahlkampf gefährlich werden könnte, zu entschärfen. „Abräumen“, nennt man das im Politikerjargon.

Doch nicht nur inhaltlich will er die Partei umkrempeln. Auch im Stil, im Umgang mit den Menschen hat er der Partei eine neue Etikette verordnet. Weniger große Töne, mehr Demut – so formuliert er es sinngemäß immer wieder. Nur wer sich bescheiden gebe, habe heute noch Chancen, gewählt zu werden. In Teilen der CSU, in denen die Kraftmeierei eines Franz Josef Strauß und die Gigantomanie eines Edmund Stoiber nachwirken, ist diese Erkenntnis noch immer umstritten.

Umso mehr war Seehofer verärgert, als herauskam, dass CSU-Fraktionschef Georg Schmid seiner Ehefrau monatlich mehr als 5000 Euro für Schreibdienste bezahlt hat. Auf einmal war wieder die Rede von der „alten Amigo-CSU“. Selbst in Seehofers Umfeld ist von „dreistem Abkassieren“ die Rede. Innerhalb weniger Tage drängte er Schmid nicht nur zum Rückzug vom Fraktionsvorsitz, sondern verhinderte auch, dass er wieder auf der schwäbischen CSU-Liste für den Landtag kandidiert. „So etwas tut man nicht“, lässt Seehofer die Kollegen über das Magazin „Spiegel“ wissen.

Fast noch ärgerlicher findet der CSU-Chef, dass Schmid sein Verhalten lange auch noch verteidigen wollte. Nachhaltiger politischer Schaden entstehe erst, wenn man sich auch in der Folge einer Affäre noch falsch verhalte, meint Seehofer. Solche „Sekundärfehler“ sind ihm besonders zuwider. Bloß keine Wagenburg, keine gegenseitige Verteidigung um jeden Preis. Solche Verhaltensmuster seien „alte CSU“, heißt es. Sollten weitere Fälle maßloser Selbstbedienung herauskommen, werde Seehofer Konsequenzen ziehen – egal gegen wen.

Ein dubioser Fall landete kürzlich auf dem Schreibtisch des Ministerpräsidenten: Kultusminister Ludwig Spaenle und Finanzminister Markus Söder (beide CSU) hatten sich wechselseitig für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Seehofer stoppte den Vorgang. Er spricht von einer „grotesken Ordensgeschichte“.

Auch in seiner heutigen Rede wolle Seehofer die Affäre noch einmal zur Sprache bringen, heißt es in der Parteizentrale. Offenbar will er nicht länger als eine halbe Stunde sprechen. Keine lange Parteitagsrede, stattdessen kurze, prägnante Botschaften. Gegenüber den eigenen Leuten werden sie wohl unmissverständlich sein.

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