"Künstliche Intelligenz anzuwenden, fühlt sich für viele heute schon normal an"

03.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:06 Uhr
Michael Botsch erwartet viel von Künstlicher Intelligenz. −Foto: Foto: THI

Herr Botsch, wie würden Sie einem Technik-Laien Künstliche Intelligenz erklären?



Michael Botsch: Es geht um Computersysteme, die selbstständig Aufgaben lösen, bei denen wir bisher der Meinung waren, dass dafür menschliche Logik notwendig ist.

Versuchen Computer, menschliche Logik nachzuahmen?

Botsch: Das würde ich so nicht sagen. Die Systeme lösen Aufgaben, die Menschen auch lösen. Unklar ist, ob sie das auf die gleiche Art tun. Wenn Sie Ihren Nachbarn auf einem Bild erkennen, wissen Sie nicht genau, wie Sie das gemacht haben. Wir werden genausowenig sagen können, ob die Künstliche Intelligenz das nachgeahmt hat. Das System nutzt erlernte Algorithmen. Das sind aber andere, als unser Hirn nutzt.

Wie lernt denn der Computer einen Algorithmus?

Botsch: Eine Sparte heißt überwachtes Lernen. Es geht darum, einen Algorithmus anzutrainieren. Wir sagen dem System nicht, wie es eine Aufgabe lösen soll. Wir sagen nur: Versuche bei einem bestimmten Eingang einen bestimmten Ausgang zu finden. Ich gebe dabei keine Regeln vor, die Algorithmen müssen das selbst einstellen.

Unterscheidet sich so Künstliche Intelligenz von Technik, die wir heute schon im Alltag nutzen?

Botsch: Viele alltägliche Geräte können heute schon Aufgaben teils schneller als Menschen lösen. Bei einem Großteil haben sich aber Menschen dafür ein Modell ausgedacht. Der Unterschied bei der Künstlichen Intelligenz ist, dass die Modelle nicht mehr vom Menschen erdacht werden. Stattdessen arbeiten sie mit einem Algorithmus, der das kann, was wir Lernen nennen. Das funktioniert aufgrund von Beispielen: Sehe ich das Gesicht, ist es immer das von Hans. Sehe ich ein anderes, ist es immer das von Hannelore.

Wo sind Berührungspunkte der Menschen im Alltag mit Künstlicher Intelligenz?

Botsch: Wir haben heute sehr viele Anwendungsbereiche: Gesichtserkennung, zum Beispiel in einem Fotoarchiv mit Namenszuordnung. Da laufen Algorithmen im Hintergrund. Auch Spracherkennung wie Alexa und Suchmaschinen wie Google gehören dazu.

Viele glauben, Künstliche Intelligenz ist eine moderne Erscheinung. Tatsächlich ist das Thema schon älter, oder?

Botsch: Es gab in der Vergangenheit immer wieder Zyklen, in denen die Methoden für Aufmerksamkeit sorgten. Das ging in den den 1950er-Jahren los, über Hypes in den 80er- und 90er-Jahren. Heute gibt es einen Durchbruch, weil die Methoden vielen Anwendungen einen Vorteil bringen und Unternehmen dabei Profit machen können. Damit sind sie in der Gesellschaft angekommen.

Viele haben aber Bedenken, was das Thema angeht. Sehen Sie auch Grenzen und Probleme?

Botsch: Ich denke, man muss mit jeder Technologie sehr verantwortungsvoll umgehen. Die meisten wichtigen Methoden kann man verantwortungsvoll und verantwortungslos nutzen. Ich sehe das nicht speziell, was die Künstliche Intelligenz betrifft. Jede wichtige technologische Entwicklung stellt uns vor die Frage, was man damit Positives tun kann. Aber natürlich birgt die Technologie auch Gefahren.

Was glauben Sie, was bezüglich Künstlicher Intelligenz in Zukunft noch möglich ist?

Botsch: Ich erwarte, dass die Methoden mehr angewendet werden. Das ist nur der Anfang. Sie entwickeln sich aber auch weiter. Da wird einiges passieren. Heute geschieht der größte Fortschritt beim überwachten Lernen. Eine große Herausforderung für die Zukunft ist das Lernen ohne Lehrer - aus Daten. Ein großer Bedarf besteht aber auch dabei, die Algorithmen nachvollziehbar zu machen, damit wir Entscheidungen erklären können.

Wird Künstliche Intelligenz irgendwann so selbstverständlich sein wie heute Smartphones?

Botsch: Künstliche Intelligenz anzuwenden, fühlt sich - glaube ich - für viele heute schon normal an. Wer Alexa zwei, drei Wochen hat, gewöhnt sich daran. Auch Kinder, die damit aufwachsen, machen sich keine Gedanken, ob ein Modell dahintersteht oder ein künstliches neuronales Netz. Da wird noch einiges auf uns zukommen.

Die Fragen stellte

Sophie Schmidt.


ZUR PERSON
Michael Botsch betreut seit 2013 an der THI die Professur "Fahrzeugsicherheit und Signalverarbeitung". Er untersucht zum Beispiel, wie Fahrzeug-Daten helfen können, Unfälle zu verhindern.