Nachgefragt
Künstler aus der Region erklären: Darum macht Kunst glücklich

19.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:31 Uhr
Beim Lachen werden Endorphine ausgeschüttet - körpereigene Glücksbotenstoffe. −Foto: Pixabay

Der Weltglückstag wird am 20. März gefeiert. Er wurde von der UN-Hauptversammlung 2012 beschlossen und soll daran erinnern, welchen zentralen Stellenwert Glück und Wohlbefinden im Leben der Menschen haben. Wir haben Künstler gefragt, warum ihr Beruf sie glücklich macht.

Zwei Drittel der Deutschen bezeichnen sich bei einer repräsentativen Umfrage als glücklich. Und das Land mit den glücklichsten Menschen ist derzeit Finnland, besagt eine andere Untersuchung. Aber was ist überhaupt Glück? Wikipedia definiert Glück "als einen positiv empfundenen Zustand". Um reine Lust handelt es sich dabei allerdings nicht. In den 50er Jahren bereits wurde ein Lust-Zentrum im Gehirn gefunden. Eine permanente Stimulation dieses Areals empfinden Menschen allerdings sehr bald nicht mehr als Glück. Es gehört mehr dazu, so etwas wie Sinnhaftigkeit. Glücksforscher haben wichtige Faktoren für ein glückliches Leben gefunden. Dazu zählen etwa eine stabile Beziehung, Freundschaften, Geselligkeit und Gesundheit.
Was zudem immer wieder erwähnt wird, ist Kreativität. Kunst, Kultur verursachen unmittelbar Glücksgefühle. Jeder kann davon berichten, wer Konzerte besucht, Filme angesehen oder Gemälde betrachtet hat. Kunst führt vielleicht deshalb immer wieder zu guten Gefühlen, weil sie im Grenzbereich zwischen Sinn und Sinnlichkeit steht. Der Betrachter eines Bildes berauscht sich an schönen Farben und Formen. Er spürt aber auch, dass damit etwas über unsere Welt ausgesagt wird. Und die Künstler, die Schöpfer dieser Werke? Sie empfinden immer wieder magische Momente, wenn ihnen plötzlich alles zu gelingen scheint, wenn Formen und Ideen sich zusammenfügen zu einem Ganzen. Ein Augenblick der wahren Empfindung.

DK

Das Ingolstädter Ensemble Herzenstöne präsentiert am 20. März ein Video zum Thema Glück auf herzenstoene.de.

CORNELIA NEUDERT

Einer der größten Glücksmomente in meinem Leben hängt tatsächlich mit meiner Arbeit zusammen. Das war, als ich den Brief geöffnet und gelesen habe, in dem ich den Auftrag für mein erstes Buch bekam. PAM!!! Das war großartig", erzählt die in Eichstätt geborene Autorin Cornelia Neudert. "Sonst ist für mich Glück in meiner Arbeit nicht so explosiv, sondern eher ruhig. Ich genieße es sehr, dass ich beim Spazierengehen arbeiten kann. Ich gehe, und dabei entwickeln sich Ideen. Die spreche ich dann in mein Handy. Überhaupt: Dieser schwebende Zustand, wenn sich eine Idee konkretisiert oder ich beim Schreiben merke: Das funktioniert! Da greift eins ins andere. Das macht mich glücklich. Und in der jetzigen Situation ist meine Arbeit für mich ein besonderer Glücksfall, weil ich einfach genau dasselbe machen kann wie sonst auch. Ich schreibe, ich entwickle Ideen zusammen mit netten Kolleginnen und Kollegen. Wir arbeiten gemeinsam, aber jeder für sich. Neues entsteht."

TOBIAS HOFMANN

Kunst und Kultur haben mich schon so oft glücklich gemacht und ich ziehe daraus viel Kraft", sagt der Musiker und Theatermacher Tobias Hofmann. "Beim Musikmachen fällt es mir besonders leicht, Glück zu empfinden. Da genügt oft schon ein bestimmter Klang, eine besondere Stimme, ein faszinierender Rhythmus, eine ungewöhnliche Verbindung zweier Akkorde oder einfach nur eine Pause an der richtigen Stelle. In der Theaterarbeit empfinde ich Glück in der kreativen Zusammenarbeit mit den vielen Beteiligten einer Produktion, auf und hinter der Bühne. Und auf der Theaterbühne habe ich meine schönsten Glückserlebnisse oft an den ganz leisen Stellen einer Aufführung. Wenn mich die Geschichte anrührt, wenn mich SchauspielerInnen ganz direkt an ihrem Erleben teilhaben lassen, wenn die Stille eigentlich zum Brüllen komisch ist, wenn Musik die Erzählung auf subtile Art weiterträgt oder ein Bild mich fasziniert und zum Nachdenken bringt."

FRANCESCA PANE

Kunst macht glücklich", davon ist die Schauspielerin und Regisseurin Francesca Pane überzeugt. "Schließlich kann ich in meinem Beruf ausdrücken, was mich bewegt. Selbst an den Tagen, an denen ich nicht wusste, wovon ich leben soll, habe ich meine Berufswahl nie bereut. Glücklich macht mich, wenn ich die Zuschauer mit meiner Kunst berühren kann. Ich hatte mich ja lange auf Komödien spezialisiert, bis ich unter dem Eindruck des Corona-Lockdowns zusammen mit Nicole Titus das Stück ,Systemrelevant' geschrieben habe. Die Premiere ist im April geplant. Der Schreibprozess ist ein spannender Aspekt meiner Arbeit. Natürlich auch die Schauspielerei. Gerade stehe ich für die BR-Serie ,Dahoam is Dahoam' vor der Kamera. Trotzdem finde ich es am schönsten, auf dem Regiestuhl zu sitzen und die Worte lebendig werden zu lassen. In solchen Momenten durchströmt mich pures Glück, dann habe ich das Gefühl, da gehöre ich hin."

BRIGITTE SCHUSTER

Kunst macht tatsächlich glücklich", sagt Brigitte Schuster, Glaskünstlerin aus Schrobenhausen. "Wenn ein Werk geglückt ist, bringt das eine große innere Befriedigung. Und das Glück kann auf den Auftraggeber oder den Betrachter überspringen, sobald das Objekt dessen Seele berührt. Persönliche Glücksmomente sind aber auch, mit meinem Mann auf dem Lusen sitzen und die Abendsonne genießen. Vogelgezwitscher im Wald. Ausflüge mit den Enkeln. Glück ist lebendig, erfrischend, inspirierend, in sich ruhend und stark. Auch ein Gefühl von Dankbarkeit. Das Gefühl kann ganz groß oder winzig klein sein, aber immer ist es berauschend schön und erstrebenswert. Glück ist wie ein Schmetterling, er setzt sich auf deine Hand, du hältst inne und er schwebt wieder davon. Er wird sich verpuppen, aber er kommt wieder. Glück ist immer subjektiv, man kann es sicher nicht herbeisehnen oder halten. Man muss es aber auch zulassen können."

RALF WINKELBEINER

Andere Leute zum Lachen zu bringen, macht mich glücklich", sagt der Manchinger Kabarettist Ralf Winkelbeiner. "Klar ist man auch glücklich, wenn man ein neues Programm geschrieben hat. Aber noch schöner ist es, Abend für Abend vor einem unbekannten Publikum zu spielen und diesen Moment zu erleben, an dem das Eis bricht: Da sauge ich jeden Lacher auf, das ist für mich pure Energie. Lachen ist für mich wichtiger als der Applaus. Applaus gibt es immer. Das ist gesellschaftliche Norm. Lachen kommt ungebremst. Umso tragischer, dass wegen des Lockdowns alle Termine abgesagt wurden. Klar gibt es Glücksersatz im Privaten: mein vierjähriger Sohn, das Frühlingserwachen im Garten. Aber ich freue mich, wenn ich endlich wieder auf die Bühne darf. Glück muss man teilen." Und wie fühlt sich Glück an? "Wie Schmetterlinge im Bauch. Nicht ganz wie Verliebtsein. Aber es erfüllt einen und zaubert einem ein Lächeln auf die Lippen."

TERESA WIECHOWA

Kunst zu machen bedeutet nicht, automatisch Glück zu empfinden. Es ist oft eher eine Qual, ein Ringen, eine Suche", sagt Teresa Wiechowa, Künstlerin aus Plankstetten. "Der Moment, die richtige Ausdrucksweise, die tragende, sinngebende Idee zu finden - das ist Glück! Und dann der Flow, im Arbeiten zu versinken, die Welt zu vergessen, sich im Rausch der Farben, Formen und Strukturen zu bewegen - das ist pures Glück! Dies geschieht nicht oft. Deshalb ist Glück etwas Besonderes. Das Glück ist für mich mit Dankbarkeit verbunden. Ich bin dankbar für diese Fülle, die mich umgibt, der ich in der freien Natur begegne und die eine Quelle meiner Inspiration ist. Das Leben ist ein Geschenk. Sich frei, künstlerisch zu äußern, ist einfach wunderbar. Das Glück kann man nicht planen, Erwartungen verhindern oft das Glück. Es ist hilfreich im Einklang mit sich selbst zu sein und dem nachzugehen, was einen glücklich macht. Eben Kunst!"

MALIK DIAO

Glück hat für den Ingolstädter Jazzmusiker Malik Diao viel mit harter Arbeit zu tun. "Wir alle kennen Geschichten von Autor:innen, Regisseur:innen, Bildhauer:innen usw., in denen es bei dem/der Künstler:in auf einmal Klick gemacht hat, das Bild sich von selbst gemalt und das Skript sich selbst geschrieben hat. Von außen lassen sich solche Szenen sicherlich als Glücksmomente verstehen, was wir hier aber vergessen, sind die zehntausend verworfenen Skizzen, die vorher angefertigt wurden, die zahllosen schlaflosen Nächte. Erst durch (manchmal monatelanges) Scheitern und Umarbeiten entstehen die Bilder, Stücke und Auftritte, an denen man sich auch lang danach noch messen möchte. Glücksmomente entstehen für mich immer genau dann, wenn ich die Defizite der eigenen Arbeit ausfindig gemacht und überwunden habe. Zusammengefasst: Für mich ist Glück die Freiheit, die Dinge mit der Welt teilen zu können, auf die ich stolz bin."

YAHSMINE LAMAR

Ja, in meiner Kunst empfinde ich Glück. Aber was ist, wenn ich mal eines Tages nicht mehr tanzen kann? Bin ich dann vom Glück verlassen? Ist es dann das Ende? Nein, ist es nicht", sagt die Tänzerin, Tanzpädagogin und Choreografin Yahsmine Lamar. Und erzählt, dass sie sich in den vergangenen Jahren mit der Frage nach dem Glück viel beschäftigt habe. Und nennt als Beispiel, dass sie nach einem Unfall ihre Kunst habe zwei Jahre lang nicht ausüben können. "Ich bin überzeugt davon, dass man das individuelle Empfinden von Glück nicht von äußeren Dingen, vom Haben oder Tun abhängig machen sollte." Für sie bedeute Glück, wenn sie etwas für einen anderen Menschen tue, etwas zur Gemeinschaft beitrage, in der sie lebe. "Und wenn sich eine schöne Verbindung zu anderen Menschen aufbaut. Auch, wenn ich spüre, dass meine Kunst andere berührt." Das Glück liege im Innern eines jeden. "Wenn man weiß, wo es herkommt, muss man es pflegen."

AKOS DOMA

Für den Eichstätter Schriftsteller Akos Doma hat Glück viel mit Kindern zu tun und mit der Familie. "Kinder. Dort, wo sich alles um die Kinder dreht, ist Glück. Oder in den Worten von Novalis: ,Wo Kinder sind, da ist ein goldenes Zeitalter.' Wo aber Kind drauf steht, ist auch eine Mutter drin, ein Vater. Eine Familie. Ein Glück, das nach innen geht, unvermittelbar, intim. Die stille Befriedigung, im Einklang mit der Natur zu sein, mit dem Kreislauf des Lebens, dem Wechsel der Generationen. Schnellheilung von Ego-Wahn und Sinnlosigkeit, ,durch Umgang mit Kindern gesundet die Seele', heißt es in Dostojewskis ,Idiot'. Ein Leben in Liebe, in Hingabe, auch in Opfern, politisch missachtet, medial nicht vorhanden, gesellschaftlich nie belohnt, im Fadenkreuz wirrer Ideologien des Natur- und Geschlechterhasses. Familie sein, der letzte Akt von Zivilcourage in der traurigen, neuen Welt der Biophobie. Den Lohn, das Glück, trägt er in sich."

RENATE KNOLLMANN

Dass ich mich immer wieder in neue Figuren reindenken kann, macht mich an meinem Beruf glücklich", sagt die Schauspielerin Renate Knollmann. "Weil ich dabei neue Seiten an mir entdecken und ausleben kann. Auf der Bühne kann man viel ausprobieren, sich auch optisch verändern, Musik machen. Glück entsteht, wenn ich total in der Rolle und völlig angstfrei bin und merke, das Publikum ist dran. Dann spüre ich eine Freiheit im Kopf, ein inneres Strahlen, auch eine große Dankbarkeit. Bei den Bob-Dylan-Abenden war das beispielsweise immer der Fall. Man bemüht sich, dieses Gefühl immer wieder herzustellen, aber natürlich funktioniert das nicht. Glück kann man nicht steuern. Glück hat etwas Überraschendes, das macht es so kostbar. Generell finde ich: Kunst kann glücklich machen. Auch wenn wir gerade wegen des Lockdowns nicht spielen dürfen: Die Eisskulpturen von Markus Jordan vor dem Theater waren ein echter Glücksmoment für mich."

DK

Barbara Fröhlich, Jesko Schulze-Reimpell, Anja Witzke, Katrin Fehr