Hilpoltstein
Kritische Gedanken und satirische Weltbetrachtungen

Mehlprimeln nehmen Besucher in der Hilpoltsteiner Residenz mit auf eine Reise zwischen Lebensfreude und Sterblichkeit

18.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:13 Uhr
Die "Mehlprimeln" begeistern auch mit nachdenklichen Texten. −Foto: Klier

Hilpoltstein (mkl) Eigentlich hätten die Mehlprimeln im großen Auhofsaal auftreten sollen, doch der schleppende Kartenvorverkauf in Hilpoltstein veranlasste die Kulturamtschefin Kathrin Blomeier, die Veranstaltung in die Residenz zu verlegen.

Dort konnte der Johann-Christian-Saal die Besucher kaum fassen. Trotzdem hätte das Gebotene eine viel größere Zuhörerschaft verdient gehabt.

Mehlprimeln gehören aus botanischer Sicht zur Gattung der Schlüsselblumen und sind durch zähe Vitalität gekennzeichnet. Das ist eine Eigenschaft, die auch auf die Brüder Reiner und Dietmar Panitz zutrifft, denn seit 1972 tritt das Duo erfolgreich auf.

Verschmitzt lächelnd betreten sie die kleine Bühne in der Residenz. "Wir spielen so lange, bis keiner mehr kommt", sagen sie, und spielen dabei auf ihr nicht mehr ganz jugendliches Alter an. Doch dann legen sie wie die Jungen los. Lieder, Gedichte, Sketche: Es ist eine Mischung aus lustigen, urkomischen und auch nachdenklich machenden Themen. "Weltgeistfunken" haben sie ihr Programm benannt.

Kritisch werden sie hinsichtlich der Erderwärmung nach diesem Märchensommer. Da sollte man aus Vernunftgründen nicht umherdüsen, sondern daheim bleiben. Sonst heißt es in den überfüllten Städten: Tourist, go home! Auf dem Hackbrett stimmt Reiner Panitz eine russische Weise an. "Selbst wenn man daneben haut klingt's schön! ", weiß er. Bruder Dietmar begleitet stimmig auf der Gitarre.

Der Verkehr wird immer dichter. "Wenn Sie über die Straße wollen, gehen Sie am besten gleich heute", philosophieren sie. Und: Am Leuchtenbergring in München steht eine Familie aus Lünen in Westfalen und will an den Gardasee. Sie ist seit Sonntagmorgen bereits 2,30 Meter vorangekommen, denn sie steht im Stau. Der Autonachbar schimpft über die Preußen, die die Straßen verstopfen, eine Frau bringt ihrem Mann täglich das Essen. Und zuletzt gibt es einen Staugottesdienst.

Markus Söder äußert sich zum Wahlausgang, wonach dunkle Mächte die Wahlurnen manipuliert hätten und an den Bleistiften in den Wahlkabinen seien die Schnüre verlängert worden, damit man auch die Parteien unterhalb der CSU ankreuzen konnte.

Menschliches Leben, so die Feststellung der Mehlprimeln, habe es auch schon vor Erfindung des Mobilfunks gegeben. Im Walzertakt heißt es nun: tippen, tippen, tippen. Wischen, wischen, wischen. Glotzen, glotzen, glotzen. Nachricht kriegen, Nachricht senden. Aus dem Hansguckindieluft ist Finn geworden: Rumms, da liegen alle zwei, Finn und sein Smartphone nebenbei. Als er dann ins Wasser gefallen ist, filmen ihn die Fischlein. Der Google-Pizza-Service gewährt einen Blick in die Zukunft: "Sie haben bereits mehrfach die gleiche Pizza bestellt. Wollen Sie nicht mal eine andere? Achten Sie aber auf Ihre Cholesterinwerte! Ihre diesbezüglichen Medikamente haben Sie auch nicht regelmäßig eingenommen. "

Man muss schon konzentriert zuhören, denn es geht Schlag auf Schlag. Da ist wohltuend, wenn Reiner Panitz auf der klassischen Gitarre ein Menuett von Fernando Sor vorträgt. Mit der Ziehflöte unterstreicht Reiner Panitz dann die Behauptung von Frau Meier, dass jeden Samstag um halb Vier eine fliegende Untertasse in ihrem Garten lande. Offenbar wollen die Außerirdischen prüfen, ob die Erdlinge infolge der Erderwärmung schon geröstet sind.

Nach der Pause geht es beschwingt mit einem ungarischen Tanz auf dem Hackbrett weiter. Mit Liedern nach Texten des Schwedischen Nationaldichters Carl Michael Bellman haben die beiden Kabarettisten eine CD herausgebracht. Lebensfreude und Sterblichkeit sind die Themen.

Die Tierwelt kommt in heiteren Versen ebenfalls nicht zu kurz. Die kleine Zwergmaus ist so klein, dass von Maus kaum die Rede sein kann. Der Spatz trifft sich mit einer Meise in Wuppertal, wird aber dann auf dem Heimflug von einem Adler erdolcht. Die Jodelmeise allerdings ist ausgestorben. Wenn noch einer jodelt, dann ist es Hansi Hinterseer.

Zug verpasst? Das kann man auch so ausdrücken: "Als ich heute früh erfuhr, dass der Zug schon früher fuhr, hab ich das zu spät erfahren und ich musste später fahren. Wenn ich auch zu spät erfuhr, dass der Zug heut' früher fuhr, hab' ich heute früh erfahren: Morgen musst du früher fahren! "

Schließlich kommen die Irische Harfe und die Klarinette zum Einsatz und zeugen vom musikalischen Talent der Mehlprimeln. Ein ruhiger Landler und eine Urwaldballade werden gespielt. Frei nach Matthias Claudius endet, nach lange anhaltendem Applaus, der Abend: "Die Gäste sind gegangen. Seht ihr den Mond dort stehen? Ich kann ihn doppelt sehen. Schleppt euch in eure Kammer, wo ihr den Katzenjammer verschlafen und vergessen sollt.