München
Kriegsausflug in den Slam Bang Club

Josef E. Köpplinger inszeniert am Münchner Gärtnerplatztheater das frühe Bernstein-Musical "On The Town"

28.04.2019 | Stand 23.09.2023, 6:48 Uhr
Sabine Busch-Frank
Im Taxi durch ein staufreies New York - im Musical "On The Town" für Boris Pfeifer und Sigrid Hauser kein Problem. −Foto: Briane

München (DK) "Aller Anfang ist schwer", möchte man seufzen, wenn man Bernsteins Musical-Erstling am Gärtnerplatztheater hinter sich gebracht hat.

Aber das wäre unfair. Schließlich ist das Werk des damals erst 26-jährigen "West Side Story"-Komponisten, das Josef Köpplinger als Regisseur am Wochenende aus der Vergessenheit hob, musikalisch nicht schlecht gemacht. Es handelt sich um ein wohl überaus erfolgreiches Ballett, das nach seiner Urlaufführung im Jahr 1944 im rasanten Dreiklang zweitverwertet wurde: Als Musical bereits wenige Monate nach der Ballettpremiere und fünf Jahre später als Film mit Gene Kelly und Frank Sinatra. Es nahm den Puls der Entstehungszeit auf, ein Nightlife-Plot, der Matrosen des Zweiten Weltkrieges auf einem Landgang in New York begleitet. Vierundzwanzig Stunden Genuss, Suff und Sex im Angesicht des drohenden Heldentodes.

Wenn sich aber am Gärtnerplatz der Vorhang hebt, dann wird schon klar, dass Regisseur Köpplinger dieses Angebot des Stückes, Eros und Thanatos in fatalem Tanz aneinander zu klammern, nur als ein Zuckerl in seiner quietschbunten Bonbonniere abzulegen gedenkt: Historische Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in Schwarz-Weiß bebildern die Ouvertüre, als ginge uns all das gar nichts an. Als säße man nicht hier in München, der Hauptstadt einer braunen "Bewegung", die jenen Krieg vom Zaun gebrochen und deren Anführer übrigens in der "Führerloge" des Gärtnerplatztheaters gern zu Gast war. Als wäre das Leben immer nur Theater. In sinnfreier Buntheit wechseln sich die leider wenig differenzierten Choreografien von Adam Cooper ab. Dabei ist ihr Anteil überproportional groß bei einem Stück, das man als "Tanzical" klassifizieren möchte. Musikalisch hat Bernstein in dieser weitgehend sinfonischen Partitur Fingerübungen für Größeres abgelegt, sich von Weill, Gershwin, womöglich sogar Mahler inspirieren lassen, gelegentlich grüßt bereits die "West Side Story". Die Songs dagegen sind ihm weniger gelungen, was auch eine solide sängerische Besetzung nicht verdecken kann. Die dünne Handlung wird durchillustriert mit einem funktionellen, recht beliebigen Bühnenbild (Rainer Sinell), das Spielsituationen ebenso mühelos herbeizaubert, wie es sie wieder verschwinden lässt. Die Hommage an New York, welche das Musical eben auch sein sollte, geht dabei fast unter, was vor allem bei einer witzig inszenierten, aber schwach bebilderten Taxifahrt kreuz und quer durch den Big Apple auffällt.

Die Songs bleiben englisch, die Dialoge deutsch, die Handlung ist schnell erzählt: Drei Matrosen machen sich auf, um die "Miss-U-Bahn des Monats", in deren Fotografie sich einer von ihnen verliebt hat, zu finden. Dabei werden die anderen beiden von höchst emanzipierten Frauen aufgegabelt, eine rassige Taxifahrerin (Sigrid Hauser) schnappt sich den Bariton (Peter Lesiak) und eine Anthropologin mit großem Männerappetit (Bettina Mönch) einen der Tenöre (Boris Pfeifer). Der dritte aber, ein leicht tragisch umflorter Held mit Ladehemmung (Daniel Prohaska), scheint das Glück zu verpassen. Er findet zwar seine U-Bahn-Schönheit (Julia Klotz), aber weil diese gerade mittels Bauchtanz Geld verdienen muss, bleibt er weitgehend unbeweibt. Dass die Frauen hier wissen, was sie wollen und beherzt zugreifen, wenn sich auf dem kriegsbedingt ausgedünnten Männermarkt etwas Interessantes zeigt, gehört zu dem angenehmen Setzungen des Abends. Gelungen auch, dass die höchst attraktiven Damen zwar allesamt gut tanzen, spielen und singen, aber keine Schönheiten von der Stange sind. Womöglich schlägt hier noch durch, dass die faszinierende und unangepasste Bühnenkünstlerin Betty Comden bei der Entstehung des Musicals für das Libretto mitverantwortlich zeichnete. Warum aber dann im Münchner Kosmos des (bis auf eine Dramaturgin) komplett männlich besetzten Leitungsteams alle Männer gar so dümmlich und naiv sein müssen, bleibt rätselhaft. Eine postfeministische Ermüdungserscheinung? Dass die Forscherin an der Studie "Der moderne Mann - was, warum und wozu? " arbeitet, erscheint hier nur folgerichtig. So geht es weitgehend sinn- und atemlos durch die Nacht, das öde Clubwechseln wird von einem stets verständnisvollen Verlobten (Peter Neustifter) finanziert und spätestens nach der Pause stellen sich auf der Bühne Müdigkeit, Trunkenheit und jener Witz ein, den man nur bei hohem Promillegehalt teilen kann. Das Theaterglück ist weder in der Conga Cabana Bar noch im Slam Bang Club zu finden, wie schade. Die Wiedererstehung eines Musicals in altbackenem Gewand - was, warum und wozu?

ZUM STÜCK

Theater:
Gärtnerplatztheater München
Dirigat:
Michael Brandstätter
Regie:
Josef E. Köpplinger
Choreografie:
Adam Cooper
Läuft bis:
25. Mai
Kartentelefon:
(089) 21 85 19 60

 

Sabine Busch-Frank