München
Krieg im Paradies

"Common Grounds": Kunst aus dem Mittleren und Nahen Osten in der Villa Stuck München

17.02.2015 | Stand 02.12.2020, 21:38 Uhr

 

München (DK) Eine ganze Wand im Museum Villa Stuck ist bedeckt mit Schmetterlingen. Übergroß und farbenfroh schillern die Falter. Erst beim genauen Hinsehen entdeckt man in den Ornamenten und Mustern der bunten Flügel Gruppen von zusammengekrümmten menschlichen Körpern, gefoltert, gefesselt, blutend.

Die Künstlerin Parastou Forouhar bezieht sich mit ihrer Arbeit auf die Situation im Iran – und sie ist damit eine von zwölf Künstlerinnen und Künstlern, die aus dem Mittleren und Nahen Osten stammen und mit ihrer Kunst einen spannenden Gegenpol zu der Bilderflut der Medien, die aus dieser Region berichten, bieten.

Die Exponate der Schau sind eine subjektive, von Erlebnissen geprägte Verarbeitung von dem, was wir im Deutschen „Heimat“ nennen. Geboren wurden die von Kuratorin Verena Hein ausgewählten Künstler zwischen 1962 und 1984 – und alle Arbeiten haben einen Bezug zum aktuellen Zeitgeschehen. Die Schmetterlinge von Parastou Forouhar sind eine Hommage auf die Mutter der Künstlerin, eine Freiheitskämpferin, und auf den Vater, der von der Geheimpolizei ermordet wurde. Die flüchtige Schönheit der fragilen Flügel wird gebrochen von der dargestellten Gewalt – so die Künstlerin.

Gleich nebenan steht ein Frachtcontainer, eingerichtet mit Perserteppichen, Keramikvasen und einem verschachtelten Bücherregal. Eine Spurensuche des Künstlers Ahmed Mater mit Bezügen zum Behandlungszimmer von Sigmund Freud und zur Architektur von Alfred Loos ist dieser betretbare Raum. Zugleich will der Künstler aufzeigen, dass der Handel mit Waren und der Austausch von Ideen so etwas sind wie „Common Grounds“, vielleicht übersetzbar als „gemeinsames Grundeigentum“. Erst wenn zwischen Kommunikationspartnern ein gemeinsamer Wissensraum besteht, ist Dialog möglich – so die Erläuterung des Ausstellungstitels „Common Grounds“.

Gewalt, Zerstörung und Verlust sind unterschwellig in vielen gezeigten Arbeiten präsent. Das Künstler-Duo Joana Hadjithomas und Khalil Joreige verfremdet historische Postkarten von Beirut. Hadjithomas und Ioreige fügen Explosionen in die Idyllen ein und zeigen so die Wirklichkeit im mondänen „Paris des Ostens“. Einen morbiden Garten hat Abbas Akhavan gestaltet: Er sammelte Pflanzen zwischen Euphrat und Tigris, vergrößerte sie zu Bronzeplastiken und breitete die Fragmente auf weißen Leintüchern aus. In ihrer unpolierten Sprödigkeit muten sie an wie archäologische Ausgrabungsstücke, fast wie eine Leichenschau. Das Paradies, das von altersher im Zweistromland verortet wird, ist verbrannt, die Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht – nicht zuletzt durch den Irak-Krieg. Wenn Bouchra Khalilis die Bewegungen von Flüchtlingen von Hafen zu Hafen am Mittelmeer wie eine blaue Sternenkarte darstellt und wenn Nasser Al Salem die Fugen zwischen kleinen Spiegelflächen so kombiniert, dass arabische Buchstaben lesbar werden, dann wird deutlich, dass Künstler des Orients über eine hohe Fähigkeit der Abstraktion verfügen und sie zugleich einen hohen Anspruch an die Schönheit eines Werkes stellen.

Dies wird auch dann sichtbar, wenn in den Werken Gewalt und Leid, Flucht und Zerstörung der Gegenwart thematisiert werden – ja, vielleicht macht die gewählte Ästhetik die Aussage umso schmerzhafter bewusst. Eine ungewöhnliche Ausstellung, die man nicht versäumen sollte.

Parallel zur Schau zeigt das Filmmuseum München eine Reihe mit Kinofilmen aus Tunesien, dem Libanon, Ägypten, Syrien, Iran und Marokko. Die Streifen wurden zwischen 2005 und 2014 gedreht, beziehen sich also auch auf die aktuelle Situation in den Ländern.

Die Ausstellung „Common Grounds“ im Museum Villa Stuck läuft bis zum 17. Mai, geöffnet täglich außer montags 11 bis 18 Uhr, am ersten Freitag im Monat 18 bis 22 Uhr bei freiem Eintritt. Informationen zu den Filmen unter www.muenchner-stadtmuseum.de.