Ingolstadt
Krankenstand steigt wieder an

19.07.2010 | Stand 03.12.2020, 3:51 Uhr

Krankschreibungen für Arbeitnehmer sollten nach Ansicht des Ingolstädter Arztes Siegfried Jedamzik keine Frage der Arbeitsmarktsituation, sondern des Krankheitsbildes sein. - Foto: Rössle

Ingolstadt (mck) Die Zahl der Krankmeldungen von Arbeitnehmern zieht im Jahr 2010 leicht an. Auch Ingolstädter Mediziner beobachten, dass sich ihre Patienten wieder mehr zu Hause auskurieren.

Der Sprecher des Ingolstädter Hausärztekreises Anton Böhm betont, dass die Angestellten keineswegs öfter "krank machen" würden. Die Zahl der Krankmeldungen würde nicht in die Höhe schnellen, sondern sich vielmehr "wieder normalisieren." Viele Patienten hätten sich in den vergangenen Jahren wegen der Wirtschaftskrise nicht getraut, im Krankheitsfall zu Hause zu bleiben – "aus Angst um den Arbeitsplatz, aber auch aus Kollegialität", sagt Böhm. 2008 und 2009, mitten in der Krise, seien vier von fünf Patienten arbeitsunfähig in die Arbeit gegangen, auch wenn er sie ausdrücklich davor gewarnt hatte. "Teilweise selbst- und gemeingefährlich", sagt Böhm.
 

In den vergangenen Monaten habe sich die Situation gebessert. "Es normalisiert sich wieder", erklärt Böhm. "Wenn die Krise zurückgeht, sagt jemand eher ,Ich bleibe doch daheim‘." Trotzdem würden nach wie vor viele Menschen Krankschreibungen ausschlagen. Erst gestern habe ein Patient mit Bandscheibenvorfall darauf bestanden, in die Arbeit zu gehen. "Wir haben solche Leute jeden Tag", berichtet Böhm. Oft seien es Leiharbeiter. "Die wissen selbst, dass sie leicht ersetzbar sind."

Auch nach Ansicht Siegfried Jedamziks, Allgemeinarzt und Vorsitzender der regionalen Gesundheitsorganisation GOIN, hat sich 2010 die Bereitschaft der Patienten wieder erhöht, sich lieber zu Hause auszukurieren statt in die Arbeit zu gehen. "In der Krise war das anders, da sind die Leute gar nicht erst zum Arzt gegangen", berichtet Jedamzik. 2008 und 2009 hätte er öfter Sätze gehört wie "Ich kann es mir nicht leisten krank zu sein." Er schreibe seine Patienten trotzdem konsequent arbeitsunfähig, sollte es nötig sein. "Da richte ich mich nicht nach der Arbeitsmarktlage sondern nach dem Krankheitsbild."

Der Audi-Betriebskrankenkasse liegen regionale Angaben zum Krankenstand nicht vor. Nach den rückläufigen Zahlen in den Jahren 2008 und 2009 habe man aber "tendenziell gegen Sommer einen leichten Anstieg" verzeichnet, erklärt Sprecher Philipp Drinkut. Das sei aber nicht ungewöhnlich. Laut Stefani Meyer-Maricevic, Landespressesprecherin der Barmer GEK, könne von einer Trendwende nach der Verunsicherung durch die Wirtschaftskrise keine Rede sein. "Das spielt sich in einem marginalen Bereich ab." Bayernweit lägen die Fälle im Juli bei ihrer Kasse sogar "unter dem Stand vom Jahresanfang".

Angestellte des öffentlichen Dienstes mussten sich während der Krise weniger Sorgen um ihre Arbeitsplätze machen. Entsprechend gab es innerhalb der Stadtverwaltung so gut wie keine Schwankungen beim Krankenstand. Der unterscheide sich für das Halbjahr 2010 zu Vergleichszahlen von 2008 und 2009 "nicht um ein Zehntel Prozent", sagt der städtische Pressesprecher Gerd Treffer.

Bei Audi haben im ersten Halbjahr 2010 die Beschäftigten des Ingolstädter Werks 3,5 Prozent der Arbeitszeit gefehlt, was in etwa dem bundesweiten Schnitt entspricht. Im Jahr 2009 waren es durchschnittlich noch 3,1 Prozent. "Das bewegt sich in einem normalen Zyklus", urteilt Unternehmenssprecher Joachim Cordshagen. Der Krankenstand pendle saisonabhängig immer in dieser Größenordnung. Einen Zusammenhang mit der Krise sieht er bei den Zahlen aber nicht: "Wir haben ja eine Arbeitsplatzgarantie", sagt Cordshagen.