Kostbares Erbe

Von Christian Fahn

20.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:50 Uhr

Er galt als vielversprechendes Experiment - der "Sozialismus mit menschlichem Antlitz", der 1967/68 in der damaligen Tschechoslowakei entstanden war.

Was vielen Beobachtern vor allem im Westen bis heute nicht klar ist: Die Liberalisierung des Prager Frühlings war nicht zentral gesteuert. Vielmehr ergab sich die Öffnung an einigen Punkten eher zufällig, am Ende wurde auch Parteichef Dubcek mitgerissen. Eher widerwillig gab er dem Druck der Reformer nach. Schon früh befürchtete er ein Eingreifen Moskaus.

Anders als 1953 in der DDR und 1956 in Ungarn war der Prager Frühling kein Aufstand der Basis, es waren vielmehr wichtige Mitglieder der Partei, die auf mehr Freiheit hinarbeiteten. Die Niederschlagung des Prager Frühlings zeigt aber auch ganz deutlich: Ziviler Ungehorsam hilft gegen einen Unterdrückungsapparat nur bedingt. Zwar machten Tschechen und Slowaken den Okkupanten und den alten Eliten der Partei das Leben schwer, am Ende versank das Land dennoch in den Niederungen der "Normalisierung". Erst der Umbruch 1989 brachte Tschechen und Slowaken die Freiheit.

Vor allem die Tschechen tun sich heute schwer mit dem Erbe des Prager Frühlings: Der Präsident schweigt aus Rücksicht auf seine russischen Freunde an diesem historischen 50. Jahrestag und fast die Hälfte der unter 24-Jährigen kann mit dem Datum schlicht nichts mehr anfangen. Dabei war der Prager Frühling der vielversprechendste Ansatz, den sozialistischen Block aufzubrechen - und das ohne Gewalt. Ein solch kostbarer Schatz sollte gepflegt werden.