Konzerte in Krisenzeiten

Das Menuhin-Festival Gstaad stellt heuer Beethoven und Wien in den Mittelpunkt

16.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:43 Uhr
Festival mit Stars: Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja, der Tenor Jonas Kaufmann (links) und der Schauspieler Klaus-Maria Brandauer gastieren in Gstaad. −Foto: Wesely, Hohenberg,Hunger

Basel/Gstaad - Vielleicht ist ja das Menuhin-Festival in Gstaad genau der passende Platz in Zeiten der Krise.

Denn das Saanental ist einsam. Die wenigen Festival-Dörfer liegen in weiter Landschaft, tagsüber können die Musikfreunde durch das idyllisch-schöne Gebirge streifen, ohne dabei allzu vielen anderen Menschen zu begegnen. Und abends? Finden die Konzerte statt, allerdings fast immer in kleinen Sälen. Das Saanental ist kKein Ort, wo das Risiko besonders groß ist, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren.

Aber vielleicht ist die Epidemie bis zum Festival-Start ohnehin längst abgeklungen. Eröffnet wird der Musikreigen am 17. Juli, die 67 Konzerttermine sind bis zum 6. September angesetzt.

"Wien" ist das Motto der 64. Festivalrunde. Das ist natürlich eine Verneigung vor dem Genie Ludwig van Beethoven, dessen 250. Geburtstag heuer gefeiert wird. Dementsprechend starten die Konzerte auch mit einem Hauptwerk des Wiener Klassikers, der "Missa Solemnis", dirigierte vom Alte-Musik-Spezialisten René Jacobs. Etwa 20 weitere Konzerte sind dem Komponisten gewidmet, darunter Kammerkonzerte mit so wichtigen Künstlern wie dem Pianisten Andras Schiff und der Cellistin Sol Gabette. Auch die Oper "Fidelio" steht auf dem Programm, mit Jonas Kaufmann. Aber es geht um weit mehr: Wien bietet noch ganz andere Facetten, die Stadt ist auch die Heimat von Haydn, Mozart, Brahms, Mahler, Schönberg - und natürlich des Walzers. Dem Wiener Schmäh wird sich dabei ganz besonders der gebürtige Wiener Klarinettist Andreas Ottensamer annehmen, er ist heuer der Artist in Residence und präsentiert etwa auch das Programm "Wien für Anfänger".

Überhaupt ist erneut die Ansammlung an Weltstars staunenerregend. Es gastieren etwa der Countertenor Philippe Jaroussky, die Pianistin Yuja Wang, der Schauspieler Klaus Maria Brandauer und der Geiger Renaud Capuçon . Erstmals kommt auch die Pianistin Mitsuko Uchida.

Fast schon das Herzstück des Festivals, auf jeden Fall aber ein Alleinstellungsmerkmal sind die zahlreichen hochkarätig besetzten Akademien. Am berühmtesten ist längst die Gstaad Conducting Academy für Nachwuchsdirigenten, die in diesem Jahr von Jaap von Zweden, dem Chef des New York Philharmonic Orchestras geleitet wird. "Alle Welt spricht davon", erzählt Festivalleiter Christoph Müller selbstbewusst. Aber er hat recht, denn mehr als 350 Nachwuchs-Kapellmeister bewarben sich heuer für einen der zehn bis zwölf Akademie-Plätze. Die jungen Orchesterleiter haben Gelegenheit, einen wirklich fantastischen Klangkörper zu leiten, das Gstaad Festival Orchester, das mit Spitzenmusikern aus den besten Orchestern der Schweiz zusammengesetzt ist.

Aber das ist längst nicht die einzige Akademie für Nachwuchskünstler: Weitere Kurse werden unter anderem vom Pianisten Andras Schiff und vom Blockflötenvirtuose Maurice Steger geleitet. Ungewöhnlich sind auch ein Festival-Amateur-Orchester und ein Jugendorchester, beide haben einen Zulauf, der kaum mehr zu bewältigen ist.

Und gerade auch für junge Musiker und Musikliebhaber wird bei diesem Festival besonders viel getan. Geboten wird etwa ein kostenloses (oder sehr günstiges) Programm für Kinder und Jugendliche, das sich dem Thema Musik in Workshops, begleiteten Konzertbesuchen und bei Begegnungen mit großen Künstlern widmet.

So läuft das Festival jenseits aller Diskussionen über die Klassik-Krise erstaunlich erfolgreich. Festivalleiter Christoph Müller konnte seit 2002, als er das Musikfest übernahm, den Umsatz von zwei Millionen Franken auf inzwischen 7,5 Millionen Franken vergrößern. Dabei finanziert sich das Festival fast ausschließlich durch Mäzene und Sponsoren.

Falls übrigens die Corona-Krise doch noch länger als erwartet andauern sollte, gibt es noch die Möglichkeit ganz ungefährdet und zu Hause die Konzerte zu genießen - über das Gstaad Digital Festival, einer Streamingplattform, die das ganze Jahr über unter der Adresse www. gstaaddigitalfestival. ch Highlights präsentiert.

DK


Weitere Informationen unter: www. gstaadmenuhinfestival. ch/de