Ingolstadt/Eichstätt - Die Nachricht schlug nicht nur im Eichstätter Kreistag ein wie eine Bombe: In ihrem Strukturgutachten zur künftigen medizinischen Versorgung im Landkreis Eichstätt schlug die Oberender AG vor, die beiden Klinikstandorte Kösching und Eichstätt für die stationäre Versorgung aufzugeben und im Einzugsbereich Ingolstadts - genannt wurden die Gemeinden Gaimersheim und Eitensheim - eine neue Klinik zu bauen.
Die bestehenden Krankenhäuser in Kösching und Eichstätt könnten dann als ambulante Gesundheitszentren betrieben und durch ein weiteres im Landkreisnorden ergänzt werden. Soweit die Theorie.
Was davon politisch und finanziell umgesetzt werden kann und soll, steht auf einem anderen Blatt. Für Diskussionen sorgt das Oberender-Gutachten aber schon jetzt. Im Landkreis Eichstätt, und natürlich auch in Ingolstadt, wo das Klinikum seine seit Jahren laufende Generalsanierung ebenfalls durch einen zusätzlichen Neubau, in den möglichst viele Bereiche ausgelagert werden sollen, ergänzen möchte. Die Reaktionen zu den Vorschlägen fallen unterschiedlich aus.
? Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Scharpf (SPD) hat das Thema bereits auf die Tagesordnung der nächsten Aufsichtsratssitzung der Klinikum GmbH gesetzt. Das Gutachten kenne er bislang nur aus dem DK, so Scharpf, der als OB zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Klinikums-Gesellschaft ist. Zunächst sei es ja lediglich das Gutachten eines Beraters und auch als solches zu betrachten. Man sollte das Thema deshalb jetzt auch nicht allzu hoch hängen. Scharpf erinnerte an den jüngsten Klinikgipfel am 19. März, bei dem sich - zum ersten Mal in dieser Art - die Geschäftsführer aller Kliniken der Region und die jeweiligen politischen Vertreter zusammengesetzt haben, um zu besprechen, wie es mit der medizinischen Versorgung in der Region weiter geht. Der Eichstätter Landrat Alexander Anetsberger (CSU) habe dabei auch einige Eckdaten, was die Situation der Kliniken im Naturpark Altmühltal anbelangt, genannt. Einen solchen Klinikgipfel soll es bald wieder geben. Man werde wohl die Krankenhausstruktur in der Region analysieren lassen. "Wir müssen schauen, dass wir in der Region was zusammenbringen und nicht alle alleine wurschteln. "
Zu einem möglichen Bau einer neuen Klinik im Landkreis Eichstätt wollte sich Scharpf nicht äußern. "Ich will da Eichstätt nicht dreinreden. " Dass er die Pläne für nicht allzu realistisch hält, wurde im Gespräch aber deutlich.
? Auch Andreas Tiete, der Geschäftsführer und Ärztliche Direktor des Ingolstädter Klinikums, ist in seiner Wortwahl vorsichtig: "Die Ergebnisse aus dem Gutachten, soweit dies den Medien zu entnehmen war, wurden zur Kenntnis genommen. Ohne detaillierte Kenntnisse der Studie und ohne Entscheidung über die Frage/den Grad der Umsetzung eventueller Inhalte kann eine Bewertung nicht vorgenommen werden", ließ er auf Anfrage über die Klinikums-Pressestelle kommunizieren.
Und was sagen die Vertreter der in dem Gutachten genannten Gemeinden?
? Zu diesem Zeitpunkt findet es die Gaimersheimer Bürgermeisterin Andrea Mickel (SPD) noch zu früh, zu der Standortfrage für ein möglicherweise neues Krankenhaus Stellung zu beziehen. "Die beiden bestehenden Klinikstandorte in Kösching und Eichstätt kämpfen gerade mit großen Verlustängsten", schildert die Kreisrätin, die die Präsentation des Gutachtens online verfolgt hat. Insbesondere wegen der Nähe zum Ingolstädter Klinikum ist es aktuell "schwierig" für sie, Gaimersheim als potenziellen Standort in Betracht zu ziehen: Sie stellt sich die Frage, ob dann zum Beispiel von "der Klinik-Süd und der Klinik-Nord" die Rede sein soll.
Mickels Meinung nach müssen noch viele Diskussionen geführt werden, um beantworten zu können, ob tatsächlich eine neue Einrichtung notwendig ist. "Gerade auch, weil in den letzten Jahren große Investitionen in Kösching und vor allem Eichstätt getätigt worden sind. " Als Kommunalpolitikerin sehe sie sich - "wahrscheinlich mehr als ein Gutachter" - in der Verantwortung, mit den Geldern der Steuerzahler bedacht umzugehen.
? Für den Erhalt des Standorts Kösching spricht sich ganz klar der Köschinger Bürgermeister Ralf Sitzmann (UW) aus. "Ein Ausbau in Kösching ist sinnvoll, ein Neubau nicht", betont der Rathauschef. Er bezieht sich dabei auf das Gutachten, das im Vergleich zu Eichstätt ein großes Einzugsgebiet von Patienten in die Marktgemeinde aufzeige. Diese nennt Sitzmann außerdem als zentralen Anlaufpunkt im Flächenlandkreis Eichstätt. "Über die Autobahn ist Kösching in Notfällen gut zu erreichen. "
Wenn es um medizinische Spezialbehandlungen geht, sei es dagegen einleuchtend, eine externe Einrichtung zu wählen. "Bei bestimmten Knie-OPs ist es natürlich nachvollziehbar, einen Spezialisten aufzusuchen", meint Sitzmann. Aber auch in Kösching seien Koryphäen in ihren Gebieten am Werk, ergänzt der Bürgermeister und nennt als Beispiele die Handchirurgen oder die Entbindungsstation: "Wir haben hier wahnsinnig viele Geburten, weil wir Topärzte mit tollem Ruf haben. " Das müsse eine zentralisierte Klinik erst einmal schaffen.
? Der Eitensheimer Bürgermeister Manfred Diepold (CSU) zeigt sich der Diskussion um einen möglichen Klinikstandort in seiner Kommune aufgeschlossen: "Als Gemeinde sehen wir es durchaus positiv, in den Ring geschmissen zu werden", formuliert es der Rathauschef. "Wir verschließen uns der Idee nicht, sind aber auch nicht verzweifelt, wenn wir den Zuschlag nicht bekommen. " Diepold spricht von einer "Bereicherung", vergisst aber nicht, den bestehenden Einrichtungen Gewicht zu schenken - er hält die dortige Installation von Gesundheitszentren für sinnvoll.
Noch hat es in Eitensheim natürlich "keine offizielle Anfrage für ein Grundstück" gegeben. Diepold räumt ein, dass die Möglichkeiten überschaubar sind. "Die Verkehrsanbindung ist aber nicht schlecht", sagt der Rathauschef und weist neben der Bundesstraße 13 auf die Bahnstation und die baldige Anbindung an die Schnellbuslinie hin. Die Frage sei hinsichtlich der Nähe zu Ingolstadt dann nur, mit welchen Angeboten sich die jeweiligen Standorte ausrichten. "Ein zweites Klinikum ist nicht sinnvoll. "
Auch zwei Mediziner haben wir nach ihrer Meinung zu dem Gutachten befragt:
? Dass es auf einen Krankenhausstandort im Landkreis Eichstätt hinaus laufen wird und nicht beide Kliniken gehalten werden können, hat ihn nicht überrascht: Christoph Spaeth, bis vor kurzem Anästhesist in der Klinik Kösching, zog für sich bereits Konsequenzen aus der sich anbahnenden Situation. Er hat die Klinik verlassen und bildet sich derzeit in einer Allgemeinarztpraxis in Vohburg zum Hausarzt weiter, bis er in zwei Jahren in die jüngst eröffnete Hausarztpraxis seiner Frau in Ingolstadt wechselt. Spaeth kennt nicht nur die Klinik Kösching von Berufs wegen, sondern gehört als Stadtrat der Grünen in Ingolstadt auch dem Aufsichtrat der Klinikum Ingolstadt GmbH an. Grundsätzlich meint er: "Die Qualität eines Hauses ist besser, wenn mehr Patienten behandelt werden. " Dass ein Neubau laut dem Oberender-Gutachten aber in den Einzugsbereich Ingolstadts kommen soll, kann er nicht nachvollziehen, denn da sei die Konkurrenz zum Klinikum viel zu groß. "Ich teile die Meinung, dass das keine Konkurrenz wäre, nicht. " Spaeth glaubt auch nicht, dass es vom bayerischen Gesundheitsministerium für einen Neubau an dieser Stelle Fördergelder geben würde. Mit gemischten Gefühlen sieht er die Situation der Mitarbeiter in den beiden Krankenhäusern des Naturparks Altmühltal hinsichtlich möglicher Standortschließungen. Momentan sei bei ihnen die Unsicherheit groß.
? "Ich halte nicht viel davon", sagt der Köschinger Hausarzt Thomas Lips nach dem Gutachten befragt. Der Standort des Krankenhauses mitten in Eichstätt sei, was Zufahrt und Parkmöglichkeiten anbelangt, "katastrophal". Einen Neubau könne er sich deshalb grundsätzlich vorstellen. "Man muss überlegen, ob es Sinn macht, immer wieder was Altes zu renovieren. " Aber der Neubau sollte seiner Meinung nach in Kösching sein, nicht in Gaimersheim oder Eitensheim, denn das sei zu nah am Klinikum. "Wir brauchen unbedingt kleine Krankenhäuser", so Lips. "Ich denke nicht, dass es an Patienten mangelt. " Vor diesem Hintergrund wäre ihm am liebsten, wenn beide Standorte im Landkreis bestehenblieben. Denn der Arzt ist der Ansicht: "Umso größer der Moloch, umso schlechter die Versorgung der Patienten. "
DK
Ruth Stückleund
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