Ingolstadt (DK) Mit der Menge an Menschen, die auf der Flucht vor Leid, Terror, Gewalt und Krieg nach Europa kamen, folgte auch eine Flut an verstörenden Bildern und Geschichten. Das Internet ist voll davon. Wie soll man mit der permanenten Konfrontation von menschenunwürdigen Verhältnissen umgehen? Verschiedene Ingolstädter Künstler haben sich dem Thema angenommen.
Am Samstag fand die Vernissage zur Ausstellung "Konflikt - Der Zweck des Gemetzels" in der Kunst- und Kulturwerkstatt Kap 94 statt.
Sieben Kunstschaffende konnten in der Werkschau vereint werden - mal spielerisch, mal abstrakt oder schockierend. Jürgen Schulze arbeitet hier mit Lehm auf einer Leinwand. Dabei braucht es nicht viel, um zu zeigen, was Konflikte mit Menschen machen. Er arbeitet häufig mit gröberen Werkstoffen. Die vorausgehende Lesung wurde eingeleitet mit Schulzes Performance auf einer Metallkonstruktion. "Elektroemotionale Musik" nennt er die Klänge, die er mit einem Mikrofon und anderen Gegenständen auf seinem Instrument aus Gestängen, Schrauben und Stahlblechen erzeugt: von buddhistisch anmutendem Summen bis zur gefechtsähnlichen Bedrohlichkeit. Beate Diao nutzt die Drucktechnik. Sie hat anonymisierte Bilder von Personen gesammelt und ihre Gesichter auf Linol- und Messerschnitte übertragen. Qualvolle Fratzen bilden eine Serie von gebrochenen Menschen. Dem gegenüber stellt sie Hassprediger, die es von beiden Seiten der Konfliktparteien schaffen, Menschen gegeneinander zu mobilisieren. Zur Darbietung gehört ebenfalls ein von ihr gestaltetes Heft mit "95 Fragezeichen zum Markt zur Menschlichkeit und zur deutschen Rüstungspolitik". Da stellt sich die Frage: Was ist der Zweck des Gemetzels?
Antworten darauf werden oft in der Vergangenheit gesucht. So auch bei Paula Gendrischs Lesung aus der Antike oder Reinhard Dorns "Napoleonzitate", einer Serie aus Fotografien, gespickt mit untragbaren Äußerungen des französischen Feldherrn. Für die serbische Objektkünstlerin Aleksandra Lung sind kriegerische Konflikte ein Kollateralschaden (Name einer ihrer Serien). Bei Figurenspezialist Tom Parthum wirkt der Krieg schon fast harmlos, wenn Kinder mit jenen Fahrzeugen spielen, aus denen Blumen wachsen, statt tödliche Geschosse abzufeuern. Er nennt seine Werke "Wa(h)r Kraft", in Anlehnung an das englische Warcraft für Kriegshandwerk. Man vermag nicht darüber nachzudenken, welch Schicksale besonders Kinder in Konfliktregionen erfahren müssen.
Dagegen sind Karin Voits Tuschezeichnungen viel abstrakter. Dünne und breite, gerade und verknotete Striche lassen vermuten, welches Chaos auf den Straßen und in den Gedanken der Menschen herrschen muss. Konzeptionelle Kunst zeigt Jens Rohrer mit seinen Festungsbauten, die er aus den Jahren 480 v. Chr. bis 1943 n. Chr. mit Reißzwecken nachgebaut hat. Eigentlich ist er Autor und übernimmt mit seinen Texten einen Großteil der Lesung. Doch das eine schließt das andere nicht aus, sondern wirkt ergänzend. Die Geschichte eines Krankenhaushelfers in einem der zahlreichen Kriegsgebiete zeigt bittere Realität: Der detaillierte Ablauf einer Amputation lässt das Publikum erstarren. Eine brutale und doch gelungene Vorbereitung auf eine Ausstellung, die nicht mit klassischer Ästhetik, sondern einem Höchstmaß an Einfühlungsvermögen glänzt.
Wer den "Zweck des Gemetzels" erfahren möchte, kann die Ausstellung noch bis 18. März täglich von 17 bis 20 Uhr besuchen, Ausnahme 16. März. Der Eintritt ist frei.
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