Ingolstadt
Kompromiss gefragt

Von Carsten Rost

10.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:22 Uhr

Die Forderungsempfehlungen der IG Metall für die kommende Tarifrunde in der deutschen Metall- und Elektroindustrie liegen auf dem Tisch - und sie haben es in sich. Das Verlangen nach einer weiteren Flexibilisierung und Reduzierung der Arbeitszeit mit entsprechenden Ausgleichszahlungen hat - zusammen mit der Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn - bei den Arbeitgebern offensichtlich eingeschlagen wie eine Bombe.

Sie sehen die Gewerkschaft endgültig im "Wolkenkuckucksheim" angekommen.

Nun sind Forderungen das eine und Abschlüsse das andere. Zu befürchten ist allerdings, dass die anstehende Tarifrunde von äußerst heftigen Auseinandersetzungen begleitet wird. Denn die Arbeitgeber haben bereits signalisiert, dass die Gewerkschaft beim Thema Arbeitszeit auf Granit beißen wird.

Dies nicht ohne guten Grund: Beherrscht wird die Metall- und Elektroindustrie von Auto- und Maschinenbauern. Gerade diese beiden Branchen stehen jedoch unter erheblichem Druck: Neue Antriebe, autonomes Fahren, Digitalisierung, Industrie 4.0 und eine zunehmend rabiate Konkurrenz aus Fernost mögen als Stichworte genügen. Gewaltige Umwälzungen erfordern immense Zukunftsinvestitionen, die jetzt, da die Konjunktur noch brummt und die Kreditzinsen niedrig sind, noch verhältnismäßig einfach gestemmt werden können. Damit werden immerhin auch für die Zukunft Arbeitsplätze gesichert. Die aber könnten, trotz des allenthalben beklagten Fachkräftemangels, in Gefahr geraten, wenn sich die IG Metall durchsetzt. "Deindustrialisierung" ist keineswegs nur ein Schreckgespenst, sondern bereits Realität, wie gerade die Autobranche mit Produktionsverlagerungen in Niedriglohnländer seit Längerem vorexerziert.

Das alles weiß die IG Metall, und deshalb wird sie wohl kaum auf ihren Maximalforderungen bestehen können. Andererseits wissen auch die Arbeitgeber, dass die Work-Life-Balance für die Beschäftigten immer wichtiger wird. Nur wenn die stimmt, gewinnen Betriebe künftig noch die dringend benötigten Fachkräfte. Und auch die Löhne müssen deutlich steigen, wie selbst internationale Organisationen bereits kritisch angemerkt haben. Dies alles schreit also nach einem Kompromiss - keinesfalls aber nach einem knallharten Arbeitskampf.