Oberhausen
Kommunalpolitik statt Gaming

Der 13-jährige Florian Angermayr ist aktiv an der Planung der neuen Oberhausener Mitte beteiligt

12.04.2018 | Stand 23.09.2023, 2:54 Uhr
Ein detailgetreues Modell der neuen Oberhausener Ortsmitte hat der 13-jährige Florian Angermayr gebaut. Das nimmt er immer wieder auf die Sitzungen des Arbeitskreises Ortsgestaltung mit , an denen er regelmäßig teilnimmt ? auf Einladung der Gemeinde. −Foto: Foto: Schmidt

Oberhausen (DK) Kleine grüne Papierbäumchen neben Parkplätzen, Brunnen, Straßenzügen - alles detailgetreu nachgebaut. Das Modell der neuen Ortsmitte in Oberhausen hat Florian Angermayr eigentlich zum Spaß gebastelt. Doch siehe da: Jetzt dient es als Grundlage für die Planungen der Gemeinde.

"Für Architektur habe ich mich schon immer interessiert", erinnert sich der 13-Jährige. Im Internet findet der Siebtklässler immer wieder Gebäude, die ihm Gefallen. Sein liebstes: der Augsburger Dom. Der steht auch als Papiermodell im Kinderzimmer des Jungen. Doch nicht nur für berühmte Bauten kann sich Angermayr begeistern. Mit leuchtenden Augen erzählt er von der Umgestaltung der neuen Oberhausener Ortsmitte. Wie die laut der Vorstellung des Jungen aussehen soll, konnten die Oberhausener zuletzt bei der Bürgerversammlung sehen: anhand des Modells, das er gebastelt hat.

Begeistert erklärt der Junge jedes Detail des Modells: Angefangen über den neuen Kindergarten über das Rathaus, das derzeit noch in der alten Schule untergebracht ist. Die Schulstraße - laut Angermayr "die schlimmste im Ort" - ist genauso eingezeichnet wie das geplante Parkdeck an der Schule und die Kreativwerkstatt, die irgendwann kommen soll.

Woher der 13-Jährige über die aktuellen Planungen in der Gemeinde so genau Bescheid weiß? Er war bei den letzten Sitzungen des Arbeitskreises Ortsgestaltung dabei - auf Einladung der Gemeinde. Angefangen hat alles mit seinem Modell des Ortskerns: "Ich sehe immer wieder so schöne Architektur. Da dachte ich, sowas könnte man doch auch mal hier bauen." Also begann er zu basteln, tüftelte eine Möglichkeit aus, wie die Modelle aufgebaut sein könnten - und stieß auf Ikea-Kartons. Dort steckt er die kleinen Häuser aus Papier ein, nichts ist geklebt. Die zweite Herausforderung für den Jungen war dann, den Maßstab und die Proportionen aufs Papier zu bringen, immer wieder musste er von vorne anfangen. Als das geschafft war, ging das eigentliche Basteln recht schnell: "Eine Woche habe ich dann für alles gebraucht."

Schließlich zeigte er das Ergebnis seiner Nachbarin Birgit Braunmüller, die den Kindergarten im Ort leitet und im Arbeitskreis Ortsgestaltung dabei ist. Sie nahm den Jungen samt seines Modells im vergangenen Oktober mit zu einer Sitzung, er präsentierte seine Pläne und diskutierte mit - und war fortan Teil des offenen Gesprächskreises, zu dem alle interessierten Bürger kommen können. "Und ich freue mich jedesmal, wenn die Einladung kommt."

Neben dem detailgetreuen - und für den Laien recht professionell wirkenden - Modell liegen Entwürfe für ein neues Rathaus, feinsäuberlich in Glassichthüllen verpackt. Ein Haus im Haus soll es sein, die Fassade unterbrochen von einem Querbalken, ein Erker für das Büro von Bürgermeister Fridolin Gößl ist auch eingeplant. Vom Rathaus in Richtung Kindergarten soll es - so hat es sich Angermayr überlegt - eine Überdachung geben. Zwei Entwürfe hat er dafür vorgelegt, einen klassischen, einen mit einem gewelltem Dach. "Damit man trocken von A nach B kommt und darunter vielleicht mal ein Fest feiern kann."

"Begeistert" würden die meisten Leute reagieren, wenn sie erfahren, dass das Modell von einem 13-Jährigen kommt. "Viele sagen: Diese Mühe investiert nicht jeder." Noch viel erstaunlicher ist aber, dass sich der Junge nicht nur für die bauliche Planung seiner Gemeinde interessiert, auch die Kommunalpolitik liegt ihm am Herzen. Mit Freude holt er sein selbsterstelltes Protokoll der letzten Bürgerversammlung hervor, referiert ganz selbstverständlich über seine Meinung zum B16-Ausbau, den neuen Kindergarten - "gut für den Ort" - oder sanierungsbedürftige Straßen. "Manchmal verstehe ich Wörter nicht - Finanzzuweisung zum Beispiel. Aber dann frage ich einfach meinen Vater oder die Nachbarin." Bezüglich eines Nationalparks in den Donau-Auen ist der 13-Jährige sich nicht ganz sicher - "schließlich bringt das Einschränkungen beim Bauen". Ungewöhnlich für einen Siebtklässler, oder? "Ja", gibt es bereitwillig zu, "meinen Freunden und Klassenkameraden erzähle ich das schon gar nicht mehr. Die sind eher Gamer, und ich bin ein sehr ordentlicher Typ, der sich für solche Dinge interessiert." Nur mit seinem Vater rede er hin und wieder über Architektur, "weil es den auch interessiert".

Bald will Angermayr ein überarbeitetes Modell der Oberhausener Ortsmitte basteln, dann soll zum Beispiel das Gefälle des Geländes miteingearbeitet werden, außerdem sind die Planungen mittlerweile fortgeschritten, eine neue Straße ist hinzugekommen, das Parkdeck wurde verlegt. Bald wird sich Florian Angermayr also wieder einen Ikea-Karton schnappen müssen.

Sophie Schmidt