Nürnberg
"Kommst du Südstadt"

Filmische Liebeserklärung mit zwei "Tatort"-Stars: "Südstadtgeflüster" feiert Premiere in Nürnberg

02.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:52 Uhr

Bei der Premiere im "Casablanca" in Nürnberg: Filmemacher Andreas Weber mit dem unentgeltlich aufgetretenen "Tatort-Star" Andreas Leopold Schadt. Ob es eine Fortsetzung von "Südstadtgeflüster" gibt, steht noch nicht fest. - Foto: Pelke

Nürnberg (HK) Es ist eine filmische Liebeserklärung an den speziellen Charme der Nürnberger Südstadt: Andreas Weber (23) und Christian Hilgert (43) huldigen in ihrem 90-minütigen Episodenfilm "Südstadtgeflüster" dem oft belächelten Stadtteil als schrägem Szenekiez. In dem liebevoll-chaotischen Amateurfilm glänzen gleich zwei "Tatort"-Stars auf der Leinwand.

Neben einer Fernsehleiche im Wald haben sich beide kennengelernt. Andreas Leopold Schadt spielte den Kommissar, Christian Hilgert den Statisten. Aus der kurzen Begegnung beim Franken-Tatort ist "Südstadtgeflüster", eine 90-minütige Hommage an den etwas heruntergekommenen Teil der Stadt, entstanden.

"Ich musste beim Lesen des Drehbuchs von ,Südstadtgeflüster' die ganze Zeit lachen. Deshalb habe ich sofort zugesagt", sagt ein gut gelaunter "Tatort"-Star bei der Premiere der ambitionierten Low-Budget-Produktion im "Casablanca", einem Nürnberger Kino - natürlich in der Südstadt.

"Kommst Du Südstadt", fragen die beiden Hobby-Filmemacher Christian Hilgert (43) und Andreas Weber (23) im Untertitel ihres Films, der in vier Episoden zwischen grotesker Krimikomödie und trashigem Heimatkrimi changiert. Hilgert hat sich als schnauzbärtiger Taxifahrer sogar für höhere Leinwandaufgaben als Statistenrollen empfohlen. Andreas Leopold Schadt mimt in "Südstadtgeflüster" einen langhaarigen Kiffer, der den braven Studenten David (Stefan Lienerth) die vielen Freuden und Fallstricke des Problemkiezes zeigt, die hinter den bröckelnden Fassaden und vergilbten Vorhängen auf ihn warten.

Neben dem Nachbarn mit dem ständig qualmenden Joint trifft David auf türkische Ladenbesitzer, die keinen Spaß verstehen, wenn es um die Ehre der Tochter oder die Einhaltung des Mindestlohns geht. Später greift David freilich selber zur Tüte. Mit etwas Haschisch in der Blutbahn wirkt die Südstadt wohl noch etwas bunter und ist in ihren Gegensätzen leichter zu ertragen.

"Die Südstadt ist der widersprüchlichste Stadtteil in ganz Nürnberg", findet Regisseur Andreas Weber. Ein "Scherbenviertel", das sich seine Kauzigkeit bewahren konnte und noch nicht von Hipstern zum Trendviertel auserkoren worden sei. Dadurch sei es authentisch und spannend geblieben. Multikulti bedeute hier nicht Romantik, sondern "liebevolle Konfrontation". Genau diese Ambivalenz habe man in dem Film festhalten wollen.

Wie beim großen Fernsehkrimi spielen Leichen auch in "Südstadtgeflüster" die Hauptrolle. Die leblosen Opfer dienen hier sogar als roter Faden für die locker miteinander verwobenen Episoden, die nicht nur wegen des Filmplakats an Filme von Quentin Tarantino erinnern wollen. Aus Leichen machen die Menschen in der Südstadt nicht viel Aufhebens. Hier liegt die Oma drei Jahre tot in der Wohnung. Dort werden Männer in Teppiche gerollt und am helllichten Tag geschultert und durch die Gegend geschleppt.

Der Episodenfilm zeigt sich immer dann von seiner besten Seite, wenn der Stadtteil selbst in Szene gesetzt und in Großaufnahme erscheint. Schonungslos offen sind diese Bilder, wenn beispielsweise ein älterer Mann seine Schoßhündchen auf dem Rollator durch das Straßenwirrwarr kutschiert.

Neben Schadt brilliert ein weiterer Tatort-Star in dem Streifen. Matthias Egersdörfer zeigt in der Rolle des freundlichen Fahrkartenverkäufers, dass tatsächlich ein Schauspieler in ihm steckt. Die wohl größte Leistung der beiden Filmemacher ist jedoch:. Wer kann schon solche Stars für seinen ersten Film gewinnen - und zwar unentgeltlich?

Manche Schwächen weist der Hobbyfilm, der nicht mehr als 15 000 Euro gekostet hat, freilich auf. Filmkritiker könnten das Tempo teilweise als schwerfällig titulieren. Dramaturgen würden manche Pointe vielleicht als vorhersehbar bezeichnen. Kulturwächter könnten sich über manchen Witz jenseits der Gürtellinie mokieren. Andererseits dürfte der Film genau aus derartigen Gründen auf Gegenliebe beim Publikum stoßen. Weil "Südstadtgeflüster" sich und seinen Stadtteil selbst auf die Schippe nimmt, scheint das Prädikat Kultfilm greifbar nahe zu sein.

Andreas Weber und Christian Hilgert haben der Südstadt mit ihrem Streifen ein liebevoll-chaotisches Denkmal gesetzt. Sie haben gezeigt, was mit Elan und Teamgeist jenseits von Fördergeldern machbar ist. Nebenbei haben sie Integration praktisch vorgelebt. Das beweisen die zahlreichen Nebenrollen, die von Laiendarstellern mit Migrationshintergrund besetzt wurden. "Südstadtgeflüster" ist jetzt in einigen Kinos in Franken angelaufen.