Ingolstadt
Köstliche Kreationen

Sigrid Klein aus Thalmässing hat es als Barmeisterin in die oberste Liga geschafft – Trinken mit Genuss

01.01.2015 | Stand 02.12.2020, 20:22 Uhr

Schmeckt gut und ist oftmals gar nicht so leicht zu mixen: Cocktails sind nicht nur eine große Leidenschaft von Sigrid Klein, sie sind auch ihr Beruf. Sieben Teilnahmen an deutschen Meisterschaften zeigen, dass die Thalmässingerin zu den Besten ihrer Zunft gehört. - Foto: Maxreiter

Ingolstadt/Thalmässing (DK) Wäre sie Sportlerin, so stünden die Chancen gut, dass die Gemeinde Empfänge für sie veranstalten würde. Denn bereits sieben Teilnahmen an deutschen Meisterschaften belegen deutlich, dass Sigrid Klein aus Thalmässing zu den Besten ihrer Zunft gehört. Doch ist sie Barmeisterin.

„Für eine Frau ist das immer noch ein exotischer Beruf“, sagt Sigrid Klein. Es gebe noch immer einige männliche Kollegen, die nicht nur hinter vorgehaltener Hand die Meinung verträten, dass Frauen hinter dem Tresen nichts verloren hätten. Dass das nicht stimmt, dafür ist die 47-Jährige aus dem kleinen Thalmässinger Gemeindeteil Hagenich (Kreis Roth) der beste Beweis: Gerade erst ist sie für 25-jährige Mitgliedschaft in der Deutschen Barkeeper-Union (DBU) geehrt worden, dem Berufsfachverband und der Interessengemeinschaft der Barkeeper in Deutschland. In dieser Zeit nahm sie sieben Mal an der deutschen Meisterschaft teil – für die man sich erst in einem Vorentscheid in einer der zwölf Sektionen qualifizieren muss. Sie hat also längst unter Beweis gestellt, dass sie zur Spitzengruppe der Bartender in Deutschland zählt.

In Thalmässing bekannt geworden sind Sigrid und ihr Ehemann Günter Klein jedoch weniger wegen der mixenden Fähigkeiten der Frau, sondern eher durch den Kauf der alten Mühle in Hagenich. Die vorbildhafte Sanierung des alten Anwesens hat der Bezirk Mittelfranken Anfang dieses Jahres mit der Auszeichnung bei der Denkmalprämierung gewürdigt. Sigrid Klein wohnt mit ihrem Mann in einem wahren Blickfang. Ein ebensolcher sind die verschiedenen Cocktailkreationen von Sigrid Klein, die ihr schon vielfach Auszeichnungen eingebracht haben. Kein Wunder also, dass die Expertin auf mehreren Feldern für das Mixen eines Cocktails den passenden Vergleich parat hat. Mit einem Old Fashioned Cocktail nach dem Standard der International Bartenders Association (IBA) sei es wie mit einem Haus, sagt sie. „Es hat ein Fundament, vier Wände, Dach – die Farbe des Anstrichs variiert dann aber doch.“ So könne man dem Twist, der Variation eines Cocktails, durch Aromatisieren oder der Verschönerung durch Pfefferkörner, eine persönliche Note geben. Ihr gelingt das äußerst gut, wie sie nicht nur seit 26 Jahren im Gelben Haus an der Nürnberger Troststraße zeigt, sondern eben auch bei der jüngsten deutschen Meisterschaft heuer in Bad Saarow, wo sie es auf den vierten Platz geschafft hat. Ihr bislang bestes Ergebnis auf nationaler Ebene. Die von einer Jury gekürten vier besten Bartender von rund 30 Startern hatten in einem Stechen die genaue Rangfolge ermittelt. „Da wird einem nichts geschenkt“, sagt Sigrid Klein und lacht. Denn ein guter Cocktail – eine Eigenkreation – sei erst die halbe Miete. Die Jury bewerte Aroma, Aussehen und Geschmack des Cocktails, darüber hinaus Schnelligkeit und Genauigkeit des Barkeepers. Nicht zuletzt musste Klein ihre sensorischen Fähigkeiten unter Beweis stellen und etwa unterschiedliche Marken von Gin benennen.

Dass sie es in der Welt der Spirituosen einmal so weit bringen würde, hätte Klein nicht gedacht, als sie in ihrer Jugend eine Hotelfachlehre absolvierte. In den 1980ern fiel ihr in einem Steakhouse in Konstanz eine Flasche Pitú in die Hände, nach einem Brasilienurlaub experimentierte der Besitzer mit Caipirinha. Der Hummer auf dem Etikett weckte ihre Neugierde; was das sei, fragte sie – und erhielt die Antwort: „Das brauchst du nicht zu wissen.“ Später, nach einem beruflichen Aufenthalt in der Schweiz, schenkte ihr der Chef zum Abschied Harry Schraemlis „Lehrbuch der Bar“, einen Klassiker der Bartender. „Es war ein altes, geheimnisvolles Buch“, schwärmt Sigrid Klein noch heute. Beim Durchblättern habe sie sich bei vielen Rezepten gedacht: „Das kann doch nicht schmecken.“

Doch, es kann. Das lernte sie aber erst später, als ein Kollege sie fragte, ob sie sich vorstellen könne, stellvertretende Barchefin zu werden. 1990 hat mich das Cocktailfieber gepackt“, schildert Klein.

Barkeeper ist keine geschützte Berufsbezeichnung, ein solcher zu sein, beschreibt lediglich die ausgeübte Tätigkeit an der Bar. Die Industrie- und Handelskammer bietet jedoch eine Weiterbildung zum geprüften Barmixer an, die vor allem gelernte Restaurantfach- oder Hotelfachleute absolvieren. Sigrid Klein konnte sich ihre Berufserfahrung an der Bar anrechnen lassen, sodass sie sich seit 1998 Barmeisterin nennen darf. „Aber das war ein Kampf“, sagt sie über Steine, die man ihr als Quereinsteigerin in den Weg legen wollte.

Dass sie exzellent Cocktails kreieren kann, hat sie im Gelben Haus, in dem sie in Teilzeit arbeitet, bewiesen, zudem machte sie sich selbstständig. „Wir arbeiten gerade an einer Homepage“, erzählt Sigrid Klein, unter der E-Mail-Adresse die-mixerei@t-online.de kann man sie bereits für Geburtstags- oder Firmenfeiern buchen. „Ich kreiere Cocktails für den Gastgeber“, erzählt sie, „ganz individuell.“ Zeitweise hat sie sogar damit geliebäugelt, in Thalmässing eine Bar zu eröffnen – eine Beach Bar im Sommer. Strandgefühl am Rand des Fränkischen Seenlandes wollte sie vermitteln, mit Cocktails und Eis. Doch die Verhandlungen mit dem möglichen Verpächter scheiterten.

Es ist schwierig, das richtige Haus zu finden. Nicht minder schwer ist es, den Gast heutzutage zufriedenzustellen, weiß Sigrid Klein. „Man muss seine Hausaufgaben machen“, sagt sie, denn: „Nerds gibt es auch im Essens- und Getränkebereich.“ Eine White Lady wurde 1919 noch mit Pfefferminzblättern gemixt, erzählt sie. Vier Jahre später standen die Menschen eher auf Gin – also wurde das Standardrezept 1923 geändert. Derlei Geschichten schüttelt die Hagenicherin aus dem Ärmel, sie gehörten zum Geschäft. „Oft sind sie aber nur Schall und Rauch.“

Letztlich komme es auf den Cocktail an, „beim Mixen kann man viel falsch machen“. Konzentration und genaues Arbeiten seien unabdingbar, damit nicht zu viel hiervon oder zu wenig davon ins Glas kommt. Ist sie sich einmal unsicher, probiert sie mit einem Holzstäbchen einen Tropfen. Nicht mehr. Und wenn sie sich zu Hause ein gutes Glas gönnt – was selten geschieht –, dann zählt sie sich zu den Genießern. Ein Cocktail werde aus erlesenen Spirituosen gemixt, sagt sie. Die brauchten ihre Zeit, um zu reifen. Ebenso sollte man es beim Trinken halten. „Die Cocktailkultur ist nicht die Kultur des Besäufnisses“, sagt Sigrid Klein. Dazu gehörten der Geruch des Getränks, der Geschmack am Gaumen und nicht zuletzt ein stilvolles Ambiente: „Einen Cocktail zu genießen, ist ein sinnvolles Trinken.“