Königinnen in der Warteschleife

24.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:46 Uhr
Königinnen in der Warteschleife - Symbolbild −Foto: Gollnow, dpa-Archiv

Reihenweise werden Veranstaltungen abgesagt. Das trifft die (Produkt-)Königinnen in besonderem Maß, vor allem die mit einer einjährigen Amtszeit. Nachdem aber weder Abdankungen noch Krönungen stattfinden können, bleiben einige im Amt. Die designierten Nachfolgerinnen müssen nun ein Jahr auf ihre Inthronisierung warten oder sogar darauf verzichten, wenn es dann für sie zeitlich nicht mehr machbar ist.

 

VERLÄNGERUNG IST EINE OPTION

Wie viele Termine ausgefallen sind, kann die Bayerische Kartoffelkönigin Stephanie Brüderle (23) nicht genau sagen, da viele Einladungen gar nicht erst rausgeschickt wurden. Nachdem ihre Vorgängerinnen rund 120 Termine im Jahr absolviert haben, und sie selbst auf etwa 90 kommen wird, dürften es etwa 30 Veranstaltungen sein, darunter die Landesgartenschau in Ingolstadt, die Kartoffeltage der Landesanstalt für Landwirtschaft mit der Südstärke Schrobenhausen und die Lehrfahrt mit der Erzeugergemeinschaft für Qualitätskartoffeln im Juni. Die sollte heuer nach Irland führen. Die gute Nachricht für Stephanie III.: Die Fahrt wird um ein Jahr verschoben und Vorsitzender Martin Glöckl hat ihr versprochen, dass sie mitfahren darf - als amtierende Königin oder gemeinsam mit der Nachfolgerin. Ob Brüderle verlängern darf oder doch eine neue Kartoffelkönigin gekrönt wird, steht noch nicht sicher fest. Zudem eile es noch nicht, weil die Einladungen für die Krönung üblicherweise erst Ende Mai verschickt werden. Bis dahin soll die Entscheidung im Vorstand, der sich derzeit auch nicht treffen darf, fallen, ob Brüderle ein Jahr länger Kartoffelkönigin sein darf oder ob die Nachfolgerin gekrönt wird - in welcher Form auch immer. Die Entscheidung werde davon abhängen, "was erlaubt ist und was Sinn macht". Trotz allem hat die Kartoffelkönigin aktuell mehr als genug zu tun, weil im Hofladen ihrer Mutter in Königsmoos die Post abgeht. Seit April ist sie Vollzeit eingestiegen und für Büro und Verkauf zuständig sowie im Laden und auf Wochenmärkten tätig. "Ich hatte eine unglaublich schöne Zeit vor Corona", bilanziert Stephanie III. mit Blick auf viele neue, vor allem fachliche Kontakte, die sie knüpfen konnte. Sie hofft nun, noch eine Chance zu bekommen, weitere Termine wahrzunehmen. Weitermachen würde sie auch deshalb, weil es für ihre Nachfolgerin sehr schade wäre, wenn sie gekrönt würde, aber keine Veranstaltung besuchen kann, weil alles abgesagt ist.

EIN DRITTES JAHR IM AMT

Etwa 25 Termine hätte die Karlshulder Rosenkönigin Stefanie Ziegler (20) bis zu ihrer Abdankung im Juli noch gehabt. "Das ist schon schade, aber die richtige Entscheidung", meint die ausgebildete Fluggerätemechanikerin, der es besonders leid tut um die Traunsteiner Rosentage, das Karlshulder Volksfest und das Hoheiten-Skirennen, an dem sie im vergangenen Jahr im österreichischen Taublitz erstmals teilgenommen und den elften von 30 Plätzen belegt hatte. "Das war schon cool gewesen", erinnert sich die 2018 gekrönte Königin. Die meisten ihrer Kolleginnen, mit denen sie in Kontakt steht, sähen es wie sie, erzählt Steffi I. - mit Bedauern, aber auch Verständnis für die Maßnahmen in der Corona-Krise. Ihre Freizeit verbringt die amtierende Rosenkönigin überwiegend zu Hause oder mit Radlfahren, da sie auch ihre anderen Hobbys, Musik und Fußball, derzeit nicht ausüben kann, jedenfalls nicht in der Kapelle beziehungsweise mit der Mannschaft. Nachdem wenig bis gar keine Termine stattfinden, verlängern viele Königinnen um ein Jahr, weiß sie. Auch Steffi I. wird ein Jahr länger im Amt bleiben: Das hat der Vorstand der Gartenfreunde Karlshuld bereits beschlossen. "Die Krönung wird auf 2021 verschoben", bestätigt die Vorsitzende Rosina Feigl. In die Warteschleife begeben kann sich die designierte neue Rosenkönigin, denn ihr ist es möglich, das auf zwei Jahre verliehene Ehrenamt ein Jahr später immer noch anzutreten. "Steffi kann im nächsten Jahr die Termine wahrnehmen, die jetzt von März bis September ausfallen", sagt Feigl, im Winter gebe es dann ohnehin nur wenige Termine für die Rosenkönigin. Für sie ist "2020 einfach eine Nullrunde", eine Zeit, in der es gelte "auf Sicht zu fahren". Feigl ist bereits auf der Suche nach einem neuen Termin und einer neuen Gastwirtschaft, möglichst in Karlshuld. Es sei zwar schade um das schöne Fest heuer, doch letztlich hänge nichts wirklich Wichtiges daran.

AMTSZEIT GEHT WEITER

Die Bayerische Maikönigin trifft es in besonderem Maße. Erst in der zweiten Mai-Hälfte gekrönt, hätte Magdalena II. Rupp aus Heinrichsheim heuer ihre wichtigsten Auftritte gehabt, denn Maibäume werden nun mal am oder um den 1. Mai herum aufgestellt. "Es ist sehr schade, aber es hilft ja nichts - wegen der Corona-Krise können wir kein Fest feiern", sagt Egbert Wagner, Vorsitzender der Maibaumfreunde Neuburg-Schrobenhausen mit Lechgebiet. Die Krönung der neuen Maikönigin war für Samstag, 9. Mai, in Unterstall geplant. Von dort sollte Magdalenas Nachfolgerin kommen, da Unterstall 2019 den Maibaumwettbewerb gewonnen hat. "Na klar ist sie enttäuscht, sie hatte sich schon ein neues Dirndl für die Krönung gekauft", erzählt Wagner. Ob sie ihr Amt ein Jahr später antreten kann, sei noch nicht klar. "Ein wenig überrascht" war Magdalena II., als sie von Wagner gefragt wurde, ob sie verlängern möchte. Doch angesichts der Lage findet sie es nur verständlich. "Es ist alles so surreal", sagt die 25-Jährige, die auf ein vergleichsweise ruhiges Jahr als Maikönigin zurückschauen kann. Mit vielen Terminen bis Jahresende rechnet sie nicht, da alle Großveranstaltungen mindestens bis Ende August abgesagt sind oder sogar darüber hinaus, wie das Oktoberfest. "Der 1. Mai wird ein trauriger Tag sein", meint sie. Statt im Dirndl mit Zepter und Krone unterwegs zu sein, hilft sie auf dem Spargelhof Wenger in Schrobenhausen mit, weil sie sich mit Spargelkönigin Juliane angefreundet hat und die körperliche Arbeit eine gute Abwechslung zu ihrem Masterstudium der Ingenieurwissenschaften an der Technischen Hochschule Ingolstadt ist.

LEERE IM TERMINKALENDER

Keinen einzigen Auftritt hatte Herrnbräu-Weißbierkönigin Kathrin I. Gerhard aus Neuburg seit ihrer Krönung im Februar. "Alles ist komplett abgesagt", bedauert die 22-Jährige, "das ist sehr es schade, aber wohl besser so - es liegt nicht in unserer Hand." Der Starkbieranstich in der Schanze Rutschn war schon am 11. März sicherheitshalber abgesagt worden, seitdem kommt eine Absage nach der anderen. "Jedes Wochenende wäre etwas los gewesen, aber jetzt laden alle Königinnen wieder aus", erzählt Kathrin I., die zu zahlreichen Abdankungen und neuen Krönungen eingeladen gewesen war. Auf das Karlshulder Volksfest hatte sie sich als nächstes gefreut, weitere Höhepunkte wären dann der Barthelmarkt in Oberstimm und das Münchner Oktoberfest gewesen - sowie neun spezifische Termine mit Herrnbräu. Die zusätzliche Freizeit verbringt die Studentin mit Radfahren, Lesen und im heimischen Garten. "Allzu viel kann man ja momentan nicht machen", meint sie. Auch das Studium läuft auf Halbmast über Online-Vorlesungen. Ob Kathrin Gerhard die abgesagten Termine im nächsten Jahr nachholen kann, weiß sie noch nicht. "Ich habe noch keine Information von Herrnbräu bekommen", sagt sie, "aber ich würde mich freuen, wenn ich um ein Jahr verlängern dürfte." Darüber sei noch nicht entschieden, sagt Herrnbräu-Marketingleiter Peter Eitelhuber auf Anfrage des DONAUKURIER.

DIE BIENEN FORDERN

Nach und nach wurden auch für Honigkönigin Katharina Gegg alle Termine abgesagt. Sehr gern wäre sie zum Beispiel am 1. Mai zum Apfelblütenfest nach Natz-Schabs in Südtirol gefahren, ein sehr begehrter Termin bei den Königinnen. Und einer, der sich für Katharina II. nicht wiederholen wird, weil sie zwar eine zweijährige Amtszeit hat, sich bei den Terminen aber mit Honigprinzessin Alexandra Krumbachner abwechselt. 2021 wird Krumbachner an der Reihe sein, nach Südtirol zu fahren. Dass beide an dem Wochenende Zeit haben, sei eher unwahrscheinlich, meint Katharina II., denn grundsätzlich haben natürlich Fachveranstaltungen der Imker Vorrang. Ihr Kalender war voll gewesen, beinahe jedes Wochenende verplant. Nun hat sie plötzlich viel Zeit. "Ich finde es echt traurig, vor allem um die Imkertermine tut es mir leid", bedauert die Neuburgerin, "denn es macht mir sehr viel Spaß, den Menschen Wissen über die Biene näher zu bringen oder mit anderen Königin zusammenzutreffen." Langweilig wird ihr trotzdem nicht, denn auf dem elterlichen Hof gibt es viel zu tun und auch die Bienen fordern die Jungimkerin jetzt im Frühjahr besonders. Vergangenes Wochenende hat sie mit ihrem Freund die Honigschleuder grundgereinigt sowie eine neue Beute für einen Ableger gebaut und blau bemalt - passend für die zu erwartende Jungkönigin, die heuer blau markiert wird. Über eine mögliche Amtsverlängerung ist im Imkerverband noch nicht gesprochen worden, im Gegensatz zu vielen Königinnen aus Katharinas Bekanntenkreis, die nur ein Jahr tätig sind.

MEHR ALS GENUG ARBEIT

Für die Schrobenhausener Spargelkönigin Juliane I. Wenger wäre jetzt Hauptsaison. Eigentlich sollte sie nun im feschen Dirndl mit Krone und Zepter Spargelmärkte eröffnen, über das Edelgemüse informieren und den Absatz ankurbeln. Keinen einzigen spargelrelevanten Termin hat die Spargelkönigin bisher wahrnehmen können - vom Besuch der Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) in Schrobenhausen einmal abgesehen. Der hielt dem Vergleich mit der Saisoneröffnung in München keineswegs stand. Die Volksfestsaison mit Krönungen und Abdankungen anderer Königinnen hat Juliane I. zwar im vergangenen Sommer nach ihrer Krönung miterlebt, doch als es ans Eingemachte ging, schlug Corona zu. Stattdessen packt sie nun daheim auf dem Spargelhof Wenger in Ried kräftig mit an. Denn dort fehlen fünf Erntehelfer, so dass einige Felder nur jeden zweiten Tag gestochen werden können und der junge Spargel früher in die Ruhephase gehen durfte. Arbeit gibt es dennoch mehr als genug, so dass die 24-jährige Kinderpflegerin bis 11. Mai unbezahlten Urlaub genommen hat. Einerseits ist sie natürlich traurig über die Terminabsagen, andererseits versteht sie es angesichts der momentanen Situation. Ob sie um ein Jahr verlängern darf, sei noch nicht entschieden, ist beim Spargelerzeugerverband Südbayern zu erfahren. Derzeit gibt es aktuell Wichtigeres zu tun. "Mich würde es natürlich freuen, wenn ich verlängern dürfte", sagt die Spargelkönigin. Auch für ihre Nachfolgerin wäre es schade, wenn sie bis in den Herbst hinein keine Termine bekäme - von einer würdigen Krönungsfeier mal ganz abgesehen.

 

Andrea Hammerl