Schrobenhausen
Kleiner Hausdrache mit Hang zur Diva

Daniel Fischer kam einst auf ungewöhnlichem Weg zu seinem Leguan - und möchte ihn heute nicht mehr missen

23.10.2018 | Stand 23.09.2023, 4:45 Uhr
Spitznamen hat der 25-jährige Daniel Fischer aus Mühlried seiner Leguandame bereits einige verpasst. Unter anderem auch diesen: "mein kleiner Hausdrache". −Foto: De Pascale

Schrobenhausen (SZ) "Bereit für Blödsinn?", fragt Daniel Fischer seine Leguandame. Die scheint nichts dagegen zu haben - schon gar nicht, als der 25-Jährige beginnt, sie unterm Kopf zu kraulen, dabei wohlwissend meint: "Das gefällt meiner Prinzessin." Die Geschichte, wie die beiden zusammenkamen, klingt ein bisschen wie im Märchen.

Denn so etwas wie eine größere Echse hat sich Daniel immer schon gewünscht. Und dann kommt irgendwann der Anruf einer Nachbarin. Bei ihr spaziere ein kleiner Dinosaurier durch den Garten. Daniel halte doch Eidechsen - ob dieses Tier eventuell ebenfalls ihm gehöre, wollte sie wissen. Dem war zwar damals noch nicht so - ein paar Telefonate mit dem Tierheim, Polizeibesuche und eine Zeitungsanzeige später dann aber doch. Daniels Mutter Waltraud Fischer erinnert sich noch genau an jenen Tag, als Blacky in ihr Leben kam: "Die Polizei wurde verständigt. Die kam zwar bewaffnet - aber ansonsten mit gar nix an." Ihr Sohn habe den Leguan erst mal in eine seiner Transportboxen gesteckt. Und dann war großes Beratschlagen angesagt: Wohin nun mit dem Vieh? Die Frage eines Polizisten spielte dem damals Zwölfjährigen enorm in die Karten: "Können Sie die nicht nehmen, wenigstens für 14 Tage?" - "Und mein Mann hat natürlich nix Besseres zu tun gehabt, als ja zu sagen", erzählt Waltraud Fischer. Vorrichtungen wie Lampen oder Wärmequellen waren ja von den Eidechsen vorhanden.

Daniel päppelte das ziemlich ramponierte Tier erst mal auf - es fehlten Krallen, Gliedmaßen waren gebrochen, der Schwanz war abgebissen - und verpasste ihm, inspiriert vom ursprünglich schwarzen Kopf, den Namen Blacky. Ausgesetzt oder ausgebüxt? "Ich nehme an, dass sie ausgesetzt wurde", sagt Waltraud Fischer. Die Verletzungen dürfte sie sich bei einem Kampf zugezogen haben. "Ich denk mal, die hat ein Problem mit einer Katze gekriegt", vermutet Daniel. Denn wird es zu kalt, kann sich das Tier kaum noch bewegen, somit auch nicht mehr verteidigen. Andersrum, also hohe Temperaturen, liebt Blacky, schließlich sind ihre Artgenossen in freier Wildbahn ja vor allem in Regionen daheim, wo es warm und feucht ist, in Mittel- und Südamerika.

Entsprechend lässt auch Blacky keine Gelegenheit aus, sich wärmende Sonnenstrahlen auf die Haut brutzeln zu lassen. "Die will dann aber auch immer was machen mit der Energie, die sie dann hat, läuft im Erdgeschoss umeinander, krabbelt in irgendwelche Ecken, räumt da rum und kommt irgendwann voller Staubfusseln wieder raus", erzählt Daniel lachend. Von Beruf ist der 25-Jährige Maurer, wo es verdienstmäßig einfach wesentlich besser aussieht als bei seinem ursprünglich anvisierten Traumjob Tierpfleger; ein Praktikum im Augsburger Zoo war aber trotzdem mal drin.

Vornehmlich in Büchern hat sich die Familie über die artgerechte Haltung ihrer neuen Mitbewohnerin schlau gemacht. Und den Rest brachte Blacky den Fischers selber bei. Denn die habe durchaus ihren eigenen Kopf, versichern Mutter und Sohn unisono. Auf Krallenschneiden steht sie gar nicht, auf Beeren umso mehr - was bei rot lackierten Fußnägeln der Besitzerin schon mal zu Verwechslungen führen kann. Generell fährt Blacky - der Jagdtrieb lässt grüßen - ungemein auf Dinge ab, die kullern, und überhaupt auf alles, was im Garten grünt und blüht - Löwenzahn, Kapuzinerkresse, Rucola, Tomaten -, frisst sogar aus der Hand. Beißt sie daneben, ist das weniger angenehm. Doch die Leguandame verfügt noch über eine wesentlich schärfere Waffe: ihren Schwanz, mit dem sie ordentlich austeilen kann. Daniel weiß, wovon er spricht: "Den hab ich schon öfter abgekriegt."

Will sie raus ins Freie, macht sich Blacky bemerkbar. "Dann kratzt sie an der Tür wie ein Hund", erzählt Daniel. Ist es irgendwann wieder genug mit dem Sonnenbad auf der Terrasse, dreht Blacky vielleicht noch eine Runde auf dem Hof, begibt sich dann aber wieder in Richtung ihrer Residenz, eines riesigem Terrariums im Wohnzimmer - und das komplett freiwillig. "Von der Anhänglichkeit her kommt sie mir mittlerweile vor wie ein Hund", sagt Daniel.

Optisch fallen bei der inklusive Schwanz etwa 1,20 Meter langen und vielleicht drei Kilo schweren Leguandame zwei Charakteristika besonders ins Auge: ein kleines Einhorn und das sogenannte dritte Auge, eine lichtempfindliche Linse auf dem Kopf. Kommt von oben her ein Schatten, versucht sich Blacky schnellstmöglich zu verkrümeln.

So ganz allein ohne Artgenossen - ob das das Richtige für ihre Blacky ist, auch diese Frage stellte sich Familie Fischer irgendwann. Doch dem ist so, Leguane sind Einzelgänger, kommen lediglich zur Paarung zusammen, erzählt Waltraud Fischer. "Würden wir ein anderes Weibchen oder auch ein Männchen zu ihr reinsetzen, das würde ganz schön Stunk geben", ist Daniel überzeugt. Stunk gibt es auch, wenn das Essen nicht rechtzeitig auf dem Tisch, oder vielmehr im Napf, landet. Und auch da ist sie eigen: Reste vom Vortag müssen es ja nun nicht grade sein. "Das ist schon so 'ne kleine Diva", meint Daniel schmunzelnd. Besteht irgendwo die Chance, ein Leckerli abzustauben, vergisst Blacky jede Scheu. Wobei: Ein riesen Problem mit fremden Leuten hat sie ohnehin nicht. "Bei Feten hat die noch nie Ärger gemacht", versichert Daniel. Auch nicht an Silvester, wenns knallt und scheppert.

Und das, obwohl ihr Leguan andererseits feine Nuancen zu vernehmen weiß, sogar Vibrationen der Stimmen wahrnehme, ist Waltraud Fischer überzeugt. "Die merkt auch, ob wir in anklagendem oder lobendem Tonfall mit ihr reden. Dann reagiert die drauf und lässt das sein." - "Oder macht es mit Fleiß extra", wirft ihr Sohn schmunzelnd ein. "Die hat ja ein minimal großes Gehirn", das zu 99 Prozent auf Instinkt ausgerichtet sei - "trotzdem reagiert sie, das ist verblüffend", findet der 25-Jährige.

Offenbar ändert auch ein Leguan im Lauf des Lebens seine Gewohnheiten. Das mit dem bedrohlichen Imponieren habe sie schon seit Längerem bleiben lassen, auch aufs Häuten habe sie schon länger verzichtet, stellt Waltraud Fischer fest. "Man merkt, dass sie alt wird, sie ist langsam etwas ungeschickt", pflichtet ihr Daniel bei.

Aus den 14 Tagen, die man das Tier ursprünglich beherbergen wollte, sind mittlerweile 13 Jahre geworden. Rund ein Jahr war der grüne Leguan - exakte Bezeichnung: Iguana iguana - schätzungsweise alt, als er anno 2005 im Leben der Fischers aufkreuzte. Lebenserwartung plus minus 20 Jahre - und danach? "Sie wird uns schon fehlen, wenn sie mal nicht mehr ist", sagt Waltraud Fischer. Ob dann allerdings wieder ein Leguan ins Haus kommt - sicher ist sie da nicht: "Womöglich wird es dann ja doch mal ein Hund."

 

Ute De Pascale