Kleine Wohlfühl-Momente in der Krise

30.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:38 Uhr
Marie und Feline Grub in der Genießer-Welt. −Foto: privat

München - Eigentlich gibt es sie nur zu zweit: Sie frühstücken zusammen, sie faulenzen zusammen, sie kaufen zusammen ein und selbst den roten Teppich der Berlinale betraten sie zu zweit - die Genießer.

Die Zwillinge Marie und Feline Grub haben zwei Wesen erfunden, die aussehen wie kleine Maulwürfe auf zarten Beinen, mit krummen Nasen und winzigen Ohren. Die Genießer sind eineiige Zwillinge - wie ihre Schöpferinnen. Meist blicken sie vertrauensselig und neugierig in die Welt, immer bereit, den nächsten Genussmoment zu entdecken.

Es sind die einfachen Dinge: lange ausschlafen, der Geruch von Kaffee, neue Buntstifte ausprobieren, gemeinsam zu scrabbeln, ein Spaziergang. "Die Genießer interessieren sich nicht für Geld, Luxus, Konsum, Status oder Politik. Sie haben ihren eigenen Charakter. Sie leben zwar in unserer Welt, aber die Gesellschaft um sie herum bleibt weitgehend anonym", erklärt Marie Grub.

Vor etwa sechs Jahren entstand das mit zartem Strich aufs Papier geworfene Duo. Damals arbeiteten die Schwestern, die 1989 in München geboren wurden, nach ihrem Filmstudium in Berlin bei einer Filmproduktion, trafen sich eine Stunde vor Arbeitsbeginn in einem Cafè, zeichneten und ließen diese Papier gewordenen Alter Egos Genießermomente erleben, für die sie gerade keine Zeit hatten. "Das war nur für uns - als Freizeitbeschäftigung. Wir hatten kein Publikum für die Genießer im Sinn. Aber irgendwann hatten wir sehr viele Zeichnungen zusammen und daraus entstand die Idee für ein Buch", erzählt Marie Grub. Dem ersten großformatigem Genießer-Buch folgte ein zweites , "Die Genießer in Berlin" - zwischen Späti, 1. Mai und Currywurst, und sogar eine Ausstellung.

"Wir hatten die Möglichkeit, einen Raum für zwei Wochen kostenlos zwischenzunutzen", erzählt Marie Grub. Eine Herausforderung für die beiden Künstlerinnen, die das Konzept in wenigen Wochen entwickeln und umsetzen mussten. Erstmals sollten die Genießer in Menschengröße vorstellig werden, die gerade überlebensgroß auf Plakaten den urbanen Raum erkunden und in ganz Berlin für Genießer-Momente sorgen. Gezeigt wurde auch eine Auswahl der "Tagesspiegel"-Kolumne, die die Schwestern etwa seit drei Jahren wöchentlich mit Genießer-Momenten bestücken.

Etwa zeitgleich begann auch die Arbeit an einem von Adidas geförderten Projekt für junge Künstler, das gerade wegen der aktuellen Corona-Entwicklungen zum Stillstand gekommen ist. Daran hatten beide gemeinsam in Berlin gearbeitet. Jetzt ist Marie nach München zurückgekehrt, wohin sie vor neun Monaten umgezogen ist. Auch, um ihre Eltern in dieser Zeit mit Einkäufen und Botengängen zu unterstützen. Im September soll es weitergehen. Feline arbeitet derzeit weiter in Berlin. Und es gibt ein schönes Genießer-Bild, das beider Trennung schwarz auf weiß einfängt: Die zwei Genießer in zwei verschiedenen Städten (einer in der Badewanne, der andere im Bett), aber durch das Telefon miteinander verbunden.

Auch die Verhaltensregeln in Corono-Zeiten haben die Schwestern mit raschem Strich aufs Papier gebannt - ob es ums richtige Händewaschen, um den nötigen Abstand oder um Hamsterkäufe geht. Die Genießer zeigen, wie man's richtig macht. Wie man sich und die anderen schützt. Derzeit machen sich die beiden auch viele Gedanken, was man denn zu Hause alles anstellen könnte, ohne dass einem die Decke auf den Kopf fällt. Die Zeichnungen sieht man in der Kolumne im "Tagesspiegel", aber auch auf Instagram: @diegeniesser.

Wer die Genießer gern näher kennenlernen möchte, kann sie auch im Internet besuchen. Unter www. diegeniesser. com findet man ihr fabelhaftes Haus, das Marie und Feline für ihre beiden Helden in mühevoller Kleinarbeit gezeichnet und ausgestattet haben. Ein riesiger Baum wächst neben und sogar durch dieses Genießer-Haus. Zwischen seine Wurzeln verbirgt sich der Raum, in dem die Weihnachts- und Osterdeko aufbewahrt werden. Ganz oben ranken sich die Lampions bewehrten Äste über die Dachterrasse. Und zwischendrin Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmer, Kommunikationstechnik, Badewelten, Kuschelhöhlen, Bibliotheken, Vorratskammern, ein Kartenzimmer mit Reiseführern und einem Heißluftballon zum Wegträumen, ein Lift, der von oben nach unten führt. Man findet viel zu staunen, zu lachen - und jede Menge Inspirationen für kleine Feel-Good-Momente, damit man der Krise mit Fantasie auch etwas entgegensetzen kann.

DK