Hilpoltstein
Kleine Silberstreife am Horizont

Covid-19 hat dem Reisebüro am Rothsee schlagartig die Geschäftsgrundlage entzogen - Hoffen auf 15. Juni

26.05.2020 | Stand 23.09.2023, 12:08 Uhr
So euphorisch wie vor der Corona-Krise sieht es für das Team um Peggy Ritter (3.v.l.) und Paul-Gerhard Willner-Kittler im Moment nicht aus, aber Grund zur Hoffnung darf man beim Reisebüro am Rothsee durchaus haben. −Foto: Reisebüro am Rothsee

Hilpoltstein - Reisebüros: Eine Branche, die im Land der Reiseweltmeister eigentlich nur eine Richtung kannte - nach vorne, wachsen.

 

Bis zum März, als sich der Tourismus schneller als jedes andere Geschäft mit Corona infizierte. "Das kam wie so ein Hammer", sagt Peggy Ritter, die mit Paul-Gerhard Willner-Kittler die Geschäfte des Hilpoltsteiner "Reisebüro am Rothsee" führt. "Wir waren die Ersten, die es gespürt haben. " Und, fügt sie hinzu, vermutlich die Letzten, die rauskommen.

Das Reisebüro gibt es seit 2006 und es hat sich seither stetig positiv entwickelt. Bis der Corona-Bruch kam. Von den vier Mitarbeitern sind drei in Kurzarbeit und eine in Mutterschutz. Die Geschäftsführer müssen "die Altersversorgung angreifen", sagt Peggy Ritter. "Unser gesundes Unternehmen ist völlig unverschuldet, besonders stark und vor allem langfristig von der Corona-Krise betroffen und benötigt daher eine gezielte Unterstützung vom Staat, und zwar jetzt" Deshalb werbe man mit bundesweiten Demos um Verständnis, "denn wir möchten auch in Zukunft für unsere Kunden professioneller Ansprechpartner in Sachen Urlaub bleiben. "

Man hat zudem das Gefühl, dass die Demonstrationen auch notwendig sind, damit die Branche wahrgenommen wird. Denn so recht auf dem Schirm bekommt die Politik die Reisebranche nur zögerlich. Nicht zuletzt hat doch bereits die Thomas-Cook-Pleite gezeigt, dass die aktuellen Werkzeuge nicht ausreichen. Konkret geht es darum, die Kundengelder abzusichern und die Provisionen der Reisebüros zu decken, damit diese sich in schwierigen Zeit über Wasser halten können. "Aber noch haben wir kein Signal von der Regierung", sagt Peggy Ritter.

Rund 500 Reisen, die das Hilpoltsteiner Büro arrangiert hat, sind von der Corona-Pandemie betroffen. Rund 200 sind bereits gecancelt oder verschoben. Begonnen hat es in Asien, dann ging es in Italien los. Und plötzlich wurden Reisen wegen offizieller Warnungen auch von einen Tag auf den anderen unmöglich. Wie bei zwei ganz konkreten Beispielen des Reisebüros am Rothsee: Urlaube auf den Malediven und in Südafrika. "Teilweise erfolgte die Absage nur ein, zwei Tage vorher", weiß Ritter. Glück habe man mit den Rückholungen gehabt, das sei nur einmal von den Seychellen der Fall gewesen.

Trotz allem wollten die Reisebüros zu diesem Zeitpunkt noch nicht komplett schwarz sehen. "Da war es erst März und bis zum Sommer war ja noch Zeit", sagt die Reisebürochefin. Doch mit der ersten Reisebeschränkung, die bis Anfang Mai ging, und dann der Verlängerung bis nach Pfingsten änderte sich das komplett. "Pfingsten ist für uns ganz wichtig, dass das wegbricht, das tut uns richtig weh. " Dazu kommt die Unsicherheit, wie es weitergeht. Was kann man Kunden empfehlen? Was ist, wenn jemand fragt: Was ist mit meiner Reise? "Auch die Kunden, die noch da sind, sind unsicher", sagt Peggy Ritter. Zur Frage, ob es überhaupt möglich ist, an diesen oder jenen Ort zu reisen, kommt die Frage, ob das jeder überhaupt will. Beispielsweise mehrere Stunden eingepfercht in einem Flugzeug zu sitzen.

Generell sind die, die über ein Reisebüro pauschal buchen, aus Ritters "immer gut aufgehoben". Vor allem dann, wenn es um Ansprüche gehe. Reisebüros seien nicht nur kompetente Ansprechpartner, sondern "schaffen Transparenz im System und sorgen für den Verbraucherschutz, denn wir weisen auch auf Missstände hin". Und beantworten viele Fragen, wenn es beispielsweise im Netz heißt, man könne kostenfrei stornieren, aber verschwiegen werde, dass man dafür klagen müsse.

Wenn nun Reisen storniert werden müssen, weil sie schlicht nicht möglich sind, haben die Kunden zwei Möglichkeiten: Sich das Geld auszahlen zu lassen oder einen Gutschein zu wählen. Für das Reisebüro ist der Gutschein die bessere Lösung. Denn wenn der Kunde das Geld zurückwill, "dann ist auch unsere Provision weg", sagt Ritter. "Dann müssen wir Geld für eine Leistung zurückgeben, die wir schon erbracht haben. " Rund 40 Prozent ihrer Kunden hätten den Gutschein gewählt, was vor allem bei Anzahlungen der Fall ist. "Wer natürlich eine teure Reise komplett schon bezahlt hat, der möchte keinen Gutschein haben. "Aktuell hat sie im Übrigen zwei Italien- und eine Irlandreise auf Deutschland umgebucht. Wer Angst habe, in bestimmte Länder zu reisen, sollte von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

Mit den Lockerungen, die zumindest für 31 europäische Staaten wohl ab 15. Juni kommen werden, taucht für die Reisebüros ein Silberstreif am Horizont auf. "Die Menschen wollen reisen, das ist ja auch bitter nötig nach dem ganzen Stress", sagt Peggy Ritter. Sie glaubt fest daran, dass der Sommerurlaub in den Ländern möglich sein wird - wie jetzt schon in Deutschland. Wenn hier das mit den Hotels funktioniere, dann dürfte das auch anderswo klappen, so die Touristikerin. Es hängt aber nach wie vor von dem ab, ob die Infektionszahlen in den nächsten Wochen weiter sinken und welche Konsequenzen die Politik daraus zieht.

HK

Rainer Messingschlager