Pfaffenhofen
Klavierabend frisch und neu

Chris Gall mit "Piano Solo" im Pfaffenhofener Kultursommer

15.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:33 Uhr

Chris Gall zeigte bei seinem Gastspiel im Rahmen des Pfaffenhofener Kultursommers seine enorme Bandbreite. - Foto: Erdle

Pfaffenhofen (PK) Einen sehr feinen Klavierabend abseits gewöhnlicher Pfade konnten die knapp 75 Besucher genießen, die am Mittwochabend in den Festsaal des Rathauses gekommen waren. Lag es am Wetter, am Markenzeichen "Jazz" oder an der Veranstaltungsfülle des städtischen Kultursommers, dass der Rathaussaal nicht einmal zur Hälfte gefüllt war, als der facettenreiche Jazzpianist Chris Gall das Programm seines ersten Soloalbums präsentierte? Auch der Auftritt des renommierten Hugo-Wolf-Quartetts führte vor Kurzem nicht dazu, dass der Saal hätte wegen Überfüllung geschlossen werden müssen; an der Qualität des Gebotenen liegt es also nicht.

Sondern?

Chris Gall ist Jazzpianist mit enormer Bandbreite und offenkundig ebensolchem Interesse an den unterschiedlichsten Stilrichtungen und Einflüssen, wie seine vielfältigen musikalischen Aktivitäten belegen; am bekanntesten ist derzeit wohl seine Mitwirkung bei der bekannten Tangoformation Quadro Nuevo.

Galls "Piano Solo" umfasst überwiegend Eigenkompositionen des 1975 in Bad Aibling geborenen Musikers, weshalb er die Zuhörer einleitend auf ein "Blind Date mit (bislang) Unbekanntem" einstellte. Chris Galls Solostücke nehmen sich die Zeit zum Aushören von Stimmungen - nicht umsonst nennt der Pianist einen größeren Programmteil ausdrücklich den "impressionistischen" Block.

Insbesondere die ruhigen Nummern entspinnen sich aus Einzeltönen, wie sich etwa beim einleitenden "My Waltz" aus tastendem Beginn eine an Erik Satie erinnernde Walzerminiatur entwickelt. Wesentliches Stilprinzip für Gall sind Elemente der sogenannten minimal music, also wiederkehrende, jeweils nur geringfügig variierte Muster, über deren Basis der weitere Aufbau eines Stückes entsteht. Das bietet dem Hörer jeweils feste Bezugspunkte, wie es andererseits dem Musiker ebenso Raum für (scheinbare) Improvisation lässt. Und es wirkt zuweilen wie großartige Stummfilm-Musik, die ganz unabhängig von konkreten Bildern eine zusätzliche, ganz eigene Dimension schafft.

Ein Kritiker, der Galls Solomusik als "Kombination aus Erik Satie, Steve Reich und Keith Jarrett" bezeichnet hat, kommt dem Wesen dieser Stimmungs-Stücke damit ziemlich nahe.

Dabei umfasst "Piano Solo" mitnichten nur meditativ-hypnotische Strukturen; auf Galls Palette finden sich genauso Wohlfühlnummern mit Ohrwurmmelodie ("Yorke's Guitar") wie energiegeladene, fast an Maschinenmusik erinnernde Passagen mit wühlenden Unterstimmen im Bass (etwa die "Geschichten eines Kreisverkehrs").

Der Steinway-Flügel hatte seine Freude am prächtigen Anschlag des Künstlers und ließ unter Chris Galls Händen eine synkopisch-symphonische Klangentfaltung hören, sodass am Ende die begeisterten Zuhörer applaudierten, als wäre der Saal voll besetzt gewesen.