Ingolstadt
Klassik in unruhigen Zeiten

Ein Kommentar von Jesko Schulze-Reimpell

05.03.2019 | Stand 02.12.2020, 14:30 Uhr

Die Audi-Sommerkonzerte sind der Stadt Ingolstadt noch ein wenig näher gerückt. Denn sie haben Lisa Batiashvili als Künstlerische Leiterin des Festivals ernannt. Eine gute Entscheidung! Denn die Geigerin ist die einzige Musikerin von Weltrang, die in Ingolstadt gelebt hat. Die Geigerin ist die Tochter eines ehemaligen Mitglieds des Georgischen Kammerorchesters. Ingolstadt kennt sie hervorragend, genauso wie die internationale Musikszene. Vorzügliche Voraussetzungen also, das Musikleben der Region voranzubringen.

Nun hat die Geigerin ihr erstes Programm präsentiert. Vordergründig wirkt es seltsam unspektakulär. Es fehlt an großen konzeptionellen Entwürfen, so faszinierend und vieldeutig das Festivalmotto "Fantastique!" auch sein mag. Sie hat keine pfiffigen Grenzgänger zwischen Klassik und Pop eingeladen, keine neuartigen Jugendprogramme initiiert, keine schrägen avantgardistischen Komponisten präsentiert. Und vor allem hat sie keine Künstler ins Programm genommen, die so eckig und kantig sind wie die Stars, die sich in den vergangenen Jahren auf dem Festival tummelten: Keine fast irrwitzig intensiv spielende Patricia Kopatchinskaja wird kommen, kein verwegen Klavier spielender Fazil Say. Kein Teodor Currentzis, der als Dirigent so extreme Interpretationen auf die Bühne bringt, dass er fast so viele Gegner hat wie glühend begeisterte Fans. Es fehlt vielleicht ein wenig an Abenteuerlust und Experimenten.

Aber Lisa Batiashvili steht für etwas anderes. Wie ein Unternehmer, der in schwierigen Zeiten auf die Kernkompetenzen seiner Firma setzt, so konzentriert sich die Georgierin auf das, was an der Klassik am wichtigsten ist: auf wirklich hervorragende Künstler, die die besten Werke der Musikliteratur auf dem höchsten möglichen Niveau präsentieren. Diese Strategie der Solidität passt in unsere Zeit, sie passt vor allem zur Situation der Firma Audi, die einer unsicheren Zukunft voller Umbrüchen entgegensieht. Das Programm der Sommerkonzerte ist in diesem Jahr damit wirklich vom ersten bis zum letzten Ton so, dass es höchste Qualität verspricht.

Das wohl größte Talent des Konzertreigens ist ohnehin garantiert: Lisa Batiashvili interpretiert das Violinkonzert von Peter Tschaikowsky. Wer weiß, mit welcher Präzision und Leidenschaft, mit welch gutem Geschmack sie das tut, der kann diesen Abend nur glühend empfehlen. Lisa Batiashvili ist eben nicht nur eine sehr gute Festivalleiterin, sondern auch eine der besten Geigerinnen der Welt.