Pfaffenhofen
Kistenweise Tablets für die Schulen

Um das "Lernen daheim" zu fördern, stellt der Staat eine ganze Reihe von Fördertöpfen bereit

26.06.2020 | Stand 23.09.2023, 12:34 Uhr
Eine Palette voller Computer: Über 250 Tablets freuen sich Direktor Reno Wohlschläger (rechts) und Systembetreuer Michael Zeif. Die Geräte stehen der Pfaffenhofener Realschule ab sofort für den digitalen Unterricht zur Verfügung. −Foto: Daiber

Pfaffenhofen - Die einen stehen voll drauf, andere können gar nichts damit anfangen. Homeschooling und digitales Lernen sind Schlagworte, mit denen sich in den vergangenen Monaten alle Eltern von Schulkindern herumschlagen mussten. Funktioniert hat die "Schule daheim" beim einen besser, beim anderen schlechter. Abhängig war das Gelingen von unterschiedlichen Faktoren: von der Lehrkraft, der Technik, von der familiären Situation und nicht zuletzt vom individuellen Willen aller Mitwirkenden, nicht zuletzt der Kinder und deren Eltern.

 

In jedem Fall wirkt die Politik wild entschlossen, den Unterricht digitaler zu gestalten und den Schulen die technischen Voraussetzungen dafür in die Hand zu geben. Ein Fördertopf nach dem anderen wird aufgelegt - und so langsam nimmt die Digitalisierung dadurch Fahrt auf. Im Förderdschungel kennt sich Landratsamtssprecher Christian Degen mittlerweile bestens aus. Schließlich wurden dem Landkreis in jüngster Zeit etliche Gelder bewilligt.

Für digitale Klassenzimmer (Geräte für den Einsatz im Unterricht) steht eine Summe von 639886 Euro bis Dezember nächsten Jahres bereit. Der Eigenanteil für die Landkreis liegt bei zehn Prozent - und erst die Hälfte des Geldes wurde aufgebraucht. Zur Verbesserung der digitalen Bildungsinfrastruktur können bis Juni 2023 über 2,7 Millionen verbraten werden - "und dieser Topf ist noch so wie unangetastet", berichtet Degen. Daneben noch die Richtlinie zur Förderung von Glasfaseranschlüssen und Wlan für Schulen und Krankenhäuser. Hier hat der Landkreis schon losgelegt: Die Realschule Geisenfeld wurde bereits mit Glasfaser erschlossen, bei den Beruflichen Oberschulen in Scheyern und beim Wolnzacher Gymnasium laufen die Erschließungsmaßnahmen. Für die Realschule Manching ist der Auftrag erteilt, für die Landwirtschaftsschule der Förderantrag gestellt - und die Erschließung für die schnelle Breitbandversorgung des Schyren-Gymnasiums und der Georg-Hipp-Realschule sowie der Berufsschule in Pfaffenhofen ist über ein vorhandenes Leerrohrsystem zumindest konzipiert. "Da gibt es zwar noch einiges zu tun, aber zumindest sind wir bei den Planungen schon weit gekommen", berichtet Degen.

Der neueste Clou in Punkto Digitalisierung ist nun das "Sonderbudget Leihgeräte", das vom Kultusministerium erst vor wenigen Tagen aufgelegt wurde. Nicht nur dem Landkreis, sondern auch allen Schulverbänden wird darin eine fixe Summe zugesichert, mit der sie Endgeräte (zum Beispiel Tablets oder Laptops) anschaffen können, die an Kinder für den Unterricht daheim verliehen werden. "Eine 100-Prozent-Förderung, so etwas ist selten", sagt der Pfaffenhofener Schulamtsdirektor Anton Jungwirth. Er hofft daher inständig, dass sämtliche Schulen umgehend eine entsprechende Bedarfsabfrage starten. Schließlich pressiert's. Ende Juli läuft das Sofortprogramm schon wieder aus. Die Schulen im Landkreis können sich bis dahin Geräte im Gesamtwert von 516000 Euro sichern. Für die Landkreisschulen sind davon 244000 Euro reserviert, der Rest verteilt sich auf die Gemeinden. Sinn mache diese Förderung auf alle Fälle, unterstreicht Jungwirth. "Manche Familien haben ein oder zwei PCs, aber drei oder vier Kinder. Die können das Leihgerät gut brauchen, wenn die Kinder daheim beschult werden und die Eltern auch noch im Homeoffice arbeiten müssen."

Wie gut und wie schnell der digitale Ergänzungs- oder Notfallunterricht in Zukunft flächendeckend funktioniert, hängt für den Schulamtsdirektor von mehreren Faktoren ab. Die Schulen seien Mitte März von der neuen Herausforderung förmlich überrollt worden. "Manches technikaffine Kollegium fand das toll. Andere Kollegen konnten gar nichts damit anfangen." Bis heute seien die Voraussetzungen von Schule zu Schule völlig unterschiedlich. "Vor allem personell hapert es gewaltig", räumt Jungwirth ein. Über 20 Prozent der Lehrer aus dem Landkreis sind noch immer nicht zurück an der Schule, sondern sind dauerhaft daheim. Am Geld für technische Verbesserungen mangle es hingegen nicht. "Der Fördertopf aus dem Digitalpakt ist prall gefüllt", sagt Jungwirth. "Jetzt muss diese Quelle aber auch angezapft werden."

Damit angefangen hat schon vor einiger Zeit die Pfaffenhofener Realschule. "Seit der Generalsanierung stehen wir sehr gut da", berichtet Claudia Daiber aus der erweiterten Schulleitung der Pfaffenhofener Realschule. Das Schulhaus ist nagelneu, die technische Ausstattung auf der Höhe der Zeit. "Beim Breitband haben wir noch Nachholbedarf. Aber auch da ist Besserung in Sicht", fügt sie an. Während des Lockdowns habe das Kollegium einiges versucht, um digitalen Unterricht anzubieten. "Erst mit Nextcloud, jetzt über Microsoft Teams", berichtet Daiber. "Wir haben ein junges Kollegium, sehr gute Systembetreuer - und waren da eifrig", findet sie.

Jetzt konnten Direktor Reno Wohlschläger und Systembetreuer Michael Zeif auch noch kistenweise Endgeräte entgegennehmen. 250 Tablets und 30 Geräte für Apple-TV stehen der Realschule ab sofort zusätzlich zur Verfügung. Die Geräte wurden vor Längeren geordert. Landrat Albert Gürtner (FW) habe aber "jetzt nochmal Druck gemacht", so Daiber - und da ging es plötzlich schnell. Innerhalb von drei Wochen waren die Geräte da, sodass die Realschüler noch vor den Sommerferien mit den Tablets arbeiten können. "Damit geht sogar Gruppenarbeit per Bildschirmübertragung", sagt Wohlschläger. Wegen der Abstandsregeln sei das zuletzt unmöglich gewesen.

Das Digitalisierungsfieber hat auch das Wolnzacher Hallertau-Gymnasium erfasst. Der Glasfaserzugang und die interne Vernetzung stehen schon, die Lehrer werden gerade mit Dienstlaptops ausgestattet, digitaler Unterricht über Microsoft Teams ist im Kommen. "Auch eine Schul-Cloud soll es bald geben. Das ist ein großes Ziel", sagt Schulleiter Christian Heller. Die Lehrer würden sich an die neuen Gegebenheiten zunehmend anpassen und immer offener werden. "Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir die neuen Möglichkeiten auch nutzen."

Aber trotzdem setzt Heller keineswegs voll und ganz aufs Digitale. Mit dem "Lernen daheim" seien nicht alle zufrieden. "Manchen kann es nicht weit genug gehen, andere können aber gleich gar nichts damit anfangen", sagt er - und spielt damit weniger auf die Lehrer, als vielmehr auf die Eltern und nicht zuletzt die Kinder und Jugendlichen an.

Für Heller kratzt die ganze Debatte ohnehin heftig an pädagogischen Grundansichten. "Der Unterricht lebt vom Kontakt, vom Miteinander und vom Austausch", sagt er. Hätte digitales Lernen die selbe Qualität wie Präsenzunterricht, könnte man sich auch gleich fragen, weshalb man eigentlich Lehrer brauche. "An einer Uni, unter lauter erwachsenen Studierenden, klappt das sicher gut", meint Heller. Aber für die Kinder sei die persönliche Ansprache, der menschliche Kontakt eine wichtige Komponente für den Lernerfolg. "Das Digitale ist sicher eine gute und wichtige Ergänzung, gerade in solchen Notzeiten wie jetzt. Aber ersetzen kann das den Unterricht auf gar keinen Fall."

PK

Patrick Ermert