Eichstätt
"Keiner verlässt ohne Grund seine Heimat"

Das internationale Jugendfilmprojekt "Narben der Flucht" feiert am Wochenende Premiere

09.10.2019 | Stand 23.09.2023, 8:54 Uhr
Mahmud Hassan (links) ist Regisseur und Autor des Films "Godaannisa Godaansaa - Narben der Flucht", in dem Joshua Treffer und Arnold Gisbrecht (rechts) zwei junge Deutsche mit unterschiedlicher Einstellung zu Geflohenen spielen. −Foto: Straßer

Eichstätt (EK) Empfohlen ab 16 Jahren - schon das ist ein Hinweis darauf, dass "Narben der Flucht" keine leichte Kost ist.

Der Film, der am Samstag, 12. Oktober, in Eichstätt der Öffentlichkeit vorgestellt wird, erzählt die Geschichte eines jungen Geflüchteten aus Äthiopien. Und damit von Gewalt, Angst und Ablehnung, aber auch von Freundschaft und Hilfsbereitschaft. Der junge Autor und Regisseur Mahmud Hassan und zwei Darsteller, Joshua Treffer und Arnold Gisbrecht, stellten sich dem EICHSTÄTTER KURIER für ein Vorgespräch zur Verfügung.

"Angefangen hat es damit, dass mein Freund Ibsa und ich unsere Geschichte geschrieben haben", erzählt Mahmud Hassan. Ibsa Naser und Mahmud Hassan gehören der äthiopischen Volksgruppe Oromo an und lernten sich in Eichstätt kennen. "Keiner verlässt ohne Grund seine Heimat, und ich wollte den Menschen in Deutschland, denen, die uns helfen, aber auch denen, die uns hassen, davon erzählen", sagt Mahmud. Mit Unterstützung der Kommunalen Jugendarbeit Eichstätt (KoJa) und des Bayerischen Jugendrings wurde aus der Geschichte der beiden jungen Männer ein Film: Zwei Jahre lang arbeiteten Jugendliche und junge Erwachsene verschiedenster Herkunft, die sich auch über das KoJa-Projekt "Change yourself to change the world" kennengelernt haben, daran. Aus den ursprünglich geplanten Kurzepisoden ist ein Spielfilm entstanden von beachtlicher Professionalität.

Schon relativ früh holte die Realität die Dreharbeiten ein: Ibsa Naser wurde ohne Vorwarnung abgeschoben. "Da musste Mahmud die Geschichte noch mal komplett umstellen, weil Ibsa nicht mehr da war", erklärt Arnold Gisbrecht. "Das Problem war ja, dass es schon bestehende Szenen mit Ibsa gab und man nun in die Geschichte mit einbringen musste, warum dieser Charakter nicht mehr da ist", ergänzt Joshua Treffer. Den jungen Männern ist in diesem Moment deutlich anzumerken, dass der Verlust des Freundes auch emotional nicht leicht zu verarbeiten war. "Plötzlich ist Ibsa weg. Wir arbeiten zusammen, wir helfen einander, dann ist er weg, das war für mich sehr schwierig. Aber alle zusammen haben wir es geschafft", versucht Mahmud seine Gefühle in Worte zu fassen.

Andere Facetten der Dreharbeiten dagegen waren "gar nicht so schwer", wie sich Joshua Treffer erinnert. Im wahren Leben steht er den jungen Geflüchteten, die er im Jugendzentrum oder über die Kommunale Jugendarbeit kennenlernt, positiv gegenüber, hat Freundschaften geschlossen. Im Film jedoch spielt er einen jungen Deutschen, der auf die Fremden, die plötzlich in Eichstätt auftauchen, sehr aggressiv reagiert. "So rein von dem, wie man es spielt, musste ich einfach nur etwas finden, über das ich wütend bin. Auch wenn ich teilweise Sachen von mir geben musste, bei denen ich mir im Nachhinein dachte, das hast du jetzt grad nicht wirklich gesagt, ging es in der Rolle erstaunlich gut, diese Wut auszudrücken. Ich habe die Wut von woanders hergeholt und in die Rolle reingebracht. Dabei habe ich auch gemerkt, wie erstaunlich leicht es einem fällt, solche Dinge von sich zu geben. "

Arnold spielt im Film Joshuas Bruder. Seine Figur ist, genau wie Mutter und Schwester der Familie im Film, Flüchtlingen gegenüber offen, möchte ihnen helfen. "Daher widersetze ich mich meinem Bruder, wehre mich dagegen, dass er mich dafür angreift, dass ich eine gute Beziehung zu den Geflüchteten aufgebaut habe. " Warum der von Joshua gespielte Bruder so reagiert, hat Gründe, die ebenfalls nach und nach ans Licht kommen: "Er hasst die Geflüchteten nicht aus einem Prinzip heraus, sondern weil er schlechte Erfahrungen gemacht hat. "

Das ist den drei jungen Männern ganz wichtig: Es geht in "Narben der Flucht" nicht darum, Schwarz-Weiß-Denken zu fördern, eine Seite als "die Guten" und die andere als "die Bösen" darzustellen. "Das wollten wir zeigen. Auf der ganzen Welt gibt es gute Leute und schlechte Leute", erklärt Mahmud. Arnold ergänzt: "Der Sinn des Films ist es, die Differenzen zwischen Einheimischen und Geflüchteten, nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern, darzustellen und dass das eigentlich oft Missverständnisse sind, Schubladendenken - auf beiden Seiten. Es soll auch gezeigt werden, wie es zu Problemen kommt und warum. "

"Godaannisa Godaansaa - Narben der Flucht" (auf Deutsch, Oromo und Englisch, mit Untertiteln), ist am Samstag, 12. Oktober, um 17 Uhr im Kino im Alten Stadttheater Eichstätt zu sehen, der Eintritt ist frei. Zudem wird der Film beim "FluchtFilmFestival" im Liliom-Kino, Augsburg, am Sonntag, 13. Oktober, 18 Uhr, gezeigt.

Katrin Straßer