Brunnen
Keine Kompromisse

Michael Johann Bauer aus Brunnen ist Preisträger bei bundesweitem Gedichtwettbewerb – aber das beeindruckt ihn nicht

10.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:50 Uhr

Preisgekröntes Gedicht: „Lasst den Unterschied los“. Grafik: Spindler

Brunnen (SZ) Freiheit – das ist die Luft, die Michael Johann Bauer atmet. Der 32-Jährige aus Brunnen ist Diplom-Ingenieur der Forstwissenschaften und hat sich auf Waldpädagogik spezialisiert. Zurzeit lebt er in Guatemala, einem der ärmsten Staaten der Welt, und arbeitet für einige Wochen als Freiwilliger mit Kindern, die HIV-infiziert sind (siehe dazu unten stehenden Artikel). Wenn er wieder zurück in Deutschland, in Brunnen ist, muss er sich erst einmal auf Jobsuche begeben – denn er ist „momentan in keinster Weise gebunden“, wie er selbst sagt.

Kein Wunder, dass er sich auch mit der wohl freiesten aller literarischen Formen beschäftigt: der Lyrik. Und was er schreibt, das gefällt auch anderen: Beim Gedichtwettbewerb der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte (siehe Infokasten) ist jetzt ein Gedicht von Michael Johann Bauer unter die besten 100 Werke gewählt worden.

„Lasst den Unterschied los“ beschreibt der Autor „als bewusst holprig konstruiertes, Dada-beeinflusstes Experiment“. Es ist, wie ursprünglich viele seiner Gedichte, quasi als Abfallprodukt seiner Kurzgeschichten und Romane entstanden. Darin befasst er sich mit dem Unterschied, ohne den beispielsweise die Frau ein Mann wäre oder ein Kuss „unterschiedslos großes Glück“. Das Gedicht bewegt sich auf der Metaebene, es ist ein Spiel mit der Sprache und ihren Schubladen. Es geht um das Einordnen der Dinge, etwas, dass der Mensch in jeder Situation macht, um, ja, eben zu unterscheiden. Das Gedicht wirbt: „Lasst den Unterschied los“.

In einigen kleinen Anthologien und Literaturzeitschriften hat Michael Johann Bauer schon Texte veröffentlicht. Eine Kurzgeschichte Bauers erschien beispielsweise in „phantastisch!“, einer Zeitschrift für fantastische Literatur, ein Kurzprosatext in der Anthologie „Kühner Kosmos“ und ein Gedicht in der Lyrikzeitschrift „Dichtungsring“. „Nur nach Lust und Laune reiche ich hin und wieder einige meiner Werke bei Wettbewerben oder Zeitschriften ein“, sagt Bauer. So wie zum Wettbewerb der Bibliothek deutscher Gedichte.

Dass sein Gedicht bundesweit eines von 100 prämierten Gedichten ist, nimmt Michael Johann Bauer wohl zur Kenntnis, er räumt aber ein, dass es ihm eigentlich gar nichts bedeutet: „Mein Schreiben richtet sich an kein Publikum. Das soll heißen, dass ich nichts verfasse, um dafür Anerkennung in irgendeiner Form zu erhalten.“ Ab und zu lasse er eben die Öffentlichkeit an seinen Gedichten teilhaben, sofern Interesse besteht.

Im Normalfall reicht es Bauer, wenn er der einzige Leser seiner Texte ist. „Ich kann, das ist mein Glück, genau das schreiben, was ich selbst lesen will“, sagt Bauer. Und so nimmt er die alten Texte immer wieder gerne in die Hand, um auch jedes Mal wieder neue Aspekte darin zu entdecken. Nur „Lasst den Unterschied los!“ will er gar nicht mehr lesen. Es sei in einem speziellen Kontext entstanden, jetzt sage es ihm einfach nichts mehr.

Beeinflusst haben ihn vor allem Schriftsteller des Surrealismus, Expressionismus und Symbolismus wie Jorge Luis Borges, Franz Kafka oder Bruno Schulz – aber auch alle anderen, die „auf irgendeine Weise kompromisslos“ sind. Vom bloßen Literaturkonsumenten zum -verfasser wandelte er sich 2005. Seitdem schreibt er intensiv: „Poesie ist mein Leben, meine Liebe, meine Leidenschaft.“ Nichts weniger als die Befreiung der Sprache von sämtlichen Zwängen hat er sich zur Aufgabe gemacht.

Dichterlesungen? Sind nichts für Bauer, es sei schwierig für ihn, etwas Abgeschlossenes vorzutragen. Eine Botschaft? Eher weniger. „Ich schreibe, des Schreibens willen“, erklärt Bauer.

Dass „Lasst den Unterschied los“ – das Gedicht, von dem er ja gar nichts mehr wissen will – nun von der Bibliothek deutschsprachiger Gedichte auch noch vertont wird, findet Bauer übrigens gleichermaßen „absurd wie amüsant“. Vor allem, weil das Gedicht von jemandem gesprochen wird, der nie mit ihm, dem Autoren, geredet hat.