Eichstätt (upd
Keine Globalisierung ohne Migration

19.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:56 Uhr

Ein Ergebnis des studentischen Engagements bei Flüchtlingen ist die "Nigerian Dance Group", die beim Symposium vergangene Woche einen großen Auftritt hatte. Auf "Wandelnden Gedanken" konnten die Teilnehmer der Tagung ihre Eindrücke mit einem Stift festhalten. KU-Präsidentin Gien verewigte sich als Erste darauf mit der Aufforderung "Berührungsängste überwinden". Einer der 40 Referenten war Thomas Gebauer, der deutliche Worte fand. - Fotos: M.Schneider/Schulte Strathaus/Klenk

Eichstätt (upd/EK) Die über 40 Referentinnen und Referenten, die sich im Programm der zweitägigen Veranstaltung fanden, demonstrierten nicht nur die Vielfalt dieses Themenkomplexes, sondern auch die Breite des Spektrums, in dem sich die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) inhaltlich bewegen will.

"Was wir derzeit erleben, ist kein punktuelles Ereignis. Es bedarf einer Änderung in den Köpfen für eine gelingende Integration", appellierte der Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Weihbischof Anton Losinger, an die rund 250 Teilnehmer beim Auftakt der Tagung (wir berichteten bereits). KU-Präsidentin Gien betonte in ihren Erläuterungen zum künftigen Zentrum "Flucht und Migration", dass sich die Auseinandersetzung mit diesem Themengebiet zur Querschnittsaufgabe entwickele und dankte insbesondere den Studierenden der KU für ihr Engagement. "Letztlich war dieses Engagement für das neue Zentrum an der KU eine wichtige Starthilfe", so Gien. Ziel der Einrichtung soll es sein, Forschung, Lehre und Praxistransfer aus den Geistes-, Sozial-, Wirtschafts-, Kultur- und Bildungswissenschaften zu bündeln und damit eine umfassende Sichtweise zu ermöglichen. Daher habe neben der Grundlagenforschung die transferbezogene Forschung einen wichtigen Stellenwert in den Planungen. Neben Forschung, Aus- und Weiterbildung, spezifischen Studienangeboten und Hilfe zur Qualifizierung und Integrierung von Flüchtlingen will sich das Zentrum auch mit internationalen Dialogpartnern gezielt vernetzen sowie digitale Angebote zur Unterstützung von Flüchtlingen gemeinsam mit anderen Hochschulen entwickeln.

Als Generalvikar des Erzbistums München-Freising, das das Zentrum Flucht und Migration in diesem Jahr zunächst mit 1,1 Millionen Euro fördert, referierte Peter Beer über Religion als Integrationsfaktor. "Religion gehört zu uns und gehört zu den Flüchtlingen. Wollen wir sie integrieren, müssen wir ihren religiösen Hintergrund akzeptieren", so Beer. Dass Integrationsbemühungen nicht ohne Reibung abliefen, dürfe nicht als Scheitern, sondern als Ringen um die Sache gedeutet werden, an dem sich die Kirche beteiligen wolle. Durch den Austausch mit anderen könne man seinen eigenen Glauben reflektieren. Auf Basis verschiedener religiöser Hintergründe würden sich auch neue Perspektiven eröffnen, gerade an einer Universität.

In einem Interview auf der Bühne der Aula mit Uwe Pagels vom Bayerischen Rundfunk gingen der Hamburger Erzbischof Stefan Heße (Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz) sowie Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke auf die kirchliche Flüchtlingshilfe ein. Heße und Hanke betonten, dass die Kirche mit ihrem Handeln den Menschen vor allem Würde zurückgeben wolle - "ohne groß zu fragen. Niemand verlässt seine Heimat ohne Grund und wir haben zuvor jahrelang weggesehen", betonte Bischof Hanke. Die häufig zitierte Befürchtung vor dem Untergang des christlichen Abendlandes sei haltlos in einem Land, das statistisch gesehen zu zwei Dritteln aus Christen bestehe - wenn diese alle zu ihrem Glauben stünden, ergänzte Heße. Vielmehr müsse man an die Herausforderungen gehen, denen man nicht mit Mauern und Zäunen begegnen könne.

Der zweite Tag der Veranstaltung stand im Zeichen der Fachwissenschaft sowie des praktischen Austauschs in zahlreichen Workshops. Professor Dr. Hans Hopfinger, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Kulturgeographie und Sprecher der Initiativgruppe "FluchtMigration", in der sich Wissenschaftler zusammengetan haben, beschrieb als Ziel der Tagung, eine "erhitzt geführte öffentliche Diskussion wieder zu versachlichen". Thomas Gebauer (Geschäftsführer der Entwicklungshilfe- und Menschenrechtsorganisation "medico international") hielt es "nicht für verwunderlich", dass sich Menschen auf den Weg zu uns machten, nachdem sich die Hoffnung, durch eine marktradikale Umverteilung werde auch etwas für die Armen abfallen, nicht erfüllt habe. "Die zu uns kommen, sind dabei nicht einmal die Ärmsten. Manche sind nur in der Lage zu regionaler Migration, wenig dokumentiert ist das stille Verrecken von Menschen in den Herkunftsländern", so Gebauer.

Die geplante Deklarierung von Ländern wie Afghanistan zu sicheren Herkunftsstaaten bedeutet lediglich eine Bekämpfung von Flüchtenden, nicht von Fluchtursachen. In Form vermeintlicher Entwicklungshilfe werde beispielsweise in Somalia versucht, vor Ort Sicherheitskräfte auszubilden. "Jedoch nicht, um für Sicherheit zu sorgen, sondern um die Menschen an der Flucht zu hindern." Während Europa kaum Steuern für die Ausfuhr von Rohstoffen aus Entwicklungsländern zahlen müsse, würden diese wiederum angehalten, teure Lizenzen für Produkte zu bezahlen. "Unter diesen Vorzeichen ist eine Globalisierung nicht ohne Migration zu haben. Wir brauchen eine Vision für die Zukunft, die nicht nur einfach das Bestehende stabilisieren will."