Pfaffenhofen
Keine einheitliche Lösung in Sicht

Berufsschule und Landtagsabgeordneter kritisieren Vorgehen des Kultusministerium zum digitalen Lernen

22.12.2020 | Stand 25.12.2020, 3:33 Uhr
Die stellvertretende Leiterin der Berufsschule Pfaffenhofen, Petra Schuller, und Systembetreuer René Rempfer stellen die Lernplattform Studypoint vor. −Foto: Blaimer

Pfaffenhofen "Die Lernplattform ist idiotensicher", "Sie ist sehr benutzerfreundlich", "Ich finde es schön, dass es ein regionaler Anbieter ist" - die Klasse der Elektrotechniker der Berufsschule Pfaffenhofen ist sich einig: Die im Frühjahr eingeführte Online-Lernplattform Studypoint des Ingolstädter Betreibers Erdenreich Datentechnik hat sich bewährt (PK berichtete). Nicht nur in der Handhabung, sondern auch datenschutzrechtlich weist die von der Wirth EDV-Beratung - ebenfalls ein Ingolstädter Unternehmen - entwickelte Plattform keinerlei Mängel auf.

Das bestätigen nicht nur Schüler, sondern auch Lehrer der Berufsschule, weiß stellvertretende Schulleiterin Petra Schuller, die selbst mit Studypoint unterrichtet. "Das Kollegium hat die Plattform sehr gut angenommen. Viele haben tolle kreative Ideen", sagt Schuller. Auch Schulleiter Hubert Ruisinger hat durchweg positive Rückmeldung bekommen. Umso erstaunlicher findet er, dass dennoch viele Schulen in Bayern auf die umstrittene Software Microsoft Teams zurückgreifen. Umstritten deshalb, weil Datenschutzbeauftragte befürchten, dass Schülerdaten an die Zentrale in den USA abfließen könnten. Das könne bei der regionalen Alternative nicht passieren. Denn wie bereits berichtet, stehen die Server des Betreibers Erdenreich in einem speziellen Hochsicherheitsraum im Verlagsgebäude des DONAUKURIER in Ingolstadt.

Die Plattform wurde bereits in der Kalenderwoche 40 dem Kultusministerium und dem Schulamt in der Kalenderwoche 46 vorgestellt, so Markus Wirth, Geschäftsführer der Wirth EDV-Beratung. "Wir erhielten dabei positive Rückmeldung zu unserem Produkt", sagt Wirth. Dennoch gab es keinen weiteren Kontakt sowohl vom Kultusministerium als auch vom Schulamt.

Erich Golda, Leiter des Schulamts Pfaffenhofen erklärt, dass das Landratsamt mit dem dort angesiedelten Medienzentrum eine geprüfte und datenschutzrechtlich zulässige Kommunikationsplattform finanziert und installiert hat. Dabei handle es sich um die Plattform Big Blue Button (BBB), so Golda. Der Schulamtsleiter räumt aber ein, dass der aktuelle Lockdown gezeigt habe, dass bei starker Nutzung die Kapazitäten am Limit seien und BBB deshalb nur eingeschränkt funktioniert habe. "Dennoch haben wir im Bereich der Grund- und Mittelschule von der Online-Lernplattform Studypoint abgesehen, da wir unsere Schüler gerne auf einer einheitlichen Plattform schulen und unterrichten wollten", erklärt Golda.

Das ärgert vor allem den Systembetreuer der Pfaffenhofener Berufsschule, René Rempfer. "Wir sind verantwortlich für die Schüler. Sie haben durch die Pandemie sowieso schon Wochen verloren", klagt er. Die Berufsschule ist seit 9. Dezember bereits im Distanzunterricht und führte dennoch den gewohnten Stundenplan mit Studypoint online fort und das funktioniere ohne jegliche Probleme, erzählt der Systembetreuer. Natürlich könne der Präsenzunterricht nicht ersetzt werden, dennoch sei Studypoint eine hervorragende Alternative, so Rempfer. Außerdem sei es der zentrale Anspruch, die Schüler optimal auf ihren Abschluss vorzubereiten, erklärt Schulleiter Ruisinger und betont, dass die Berufsschule selbst keinen Profit mit Studypoint macht, falls weitere Schulen es nutzen würden.

Welches Programm die Schulen verwenden, das läge jeweils an den Schulaufwandsträger, sprich Kommunen und Gemeinden, schreibt Daniel Otto, stellvertretender Pressesprecher des Kultusministeriums. Seit 2014 stellt das Staatsministerium allen bayerischen Schulen die Plattform Mebis - Landesmedienzentrum Bayern - zur Verfügung. Diese bietet laut Otto neben zahlreichen Lernplattformfunktionen, auch eine Mediathek mit circa 70000 hochwertigen Bildungsmedien, ein umfangreiches Prüfungsarchiv und eine Online-Tafel mit vielfältigen Sonderfunktionen. Auch habe das Kultusministerium während der Pandemie MS Teams-Lizenzen temporär als ergänzendes Werkzeug bereitgestellt, so Otto. Es sei aber geplant, im Rahmen der sogenannten BayernCloud Schule, eine eigene Kommunikations- und Kollaborationsplattform dauerhaft bereitzustellen, erklärt Otto weiter. Das Beschaffungsverfahren sei derzeit aber noch nicht abgeschlossen.

Der Landtagsabgeordnete Matthias Fischbach (FDP) hat sich nach Veröffentlichung des ersten Berichts des PK an die Redaktion gewandt und auf eine aus seiner Sicht falsche Vorgehensweise des Kultusministeriums aufmerksam gemacht. Fischbach befasst sich als Vertreter der FDP-Fraktion im Bildungsausschuss des Landtags bereits seit längerem mit der Thematik Digitale Bildung. Der erste bayernweite Schul-Lockdown habe deutlich gezeigt, dass Schulen in der Breite nicht für einen vernünftigen Distanzunterricht vorbereitet seien, so der Politiker. Mebis habe bereits nicht mehr funktioniert, nachdem sich lediglich zehn Prozent der Schüler angemeldet haben, sagt Fischbach weiter. Außerdem verfüge die Plattform nicht über ein Videokonferenztool. "Die Schulen wurden mit der Frage, wie sie das lösen, mehr oder weniger allein gelassen - und nicht alle Schulen verfügen über einen Systembetreuer, wie Herrn Rempfer, die dann eine datenschutzkonforme und taugliche Alternative finden", sagt Fischbach. Deshalb habe die FDP-Fraktion bereits Anfang Mai gefordert, dass das Ministerium Rahmenverträge mit datenschutzkonformen Anbietern aushandelt, auf die dann die Schulen einfach und zuverlässig aufspringen könnten. "Das war dem Ministerium aber offensichtlich zu umständlich, weshalb es sich nur auf eine zentrale Bereitstellung von MS Teams konzentriert hatte, welches wenige Tage nach Einbringung unseres Antrags als Lösung präsentiert wurde", erklärt der Landtagsabgeordnete weiter. Der mit Microsoft abgeschlossene Vertrag sollte auch nur bis Jahresende 2020 gehen und dann eine datenschutzfreundlichere Lösung gefunden werden. Laut Fischbach ließ sich aber das Ministerium für die 100-seitige Ausschreibung zu lange Zeit, sodass im November erst mit dem Ausschreibungsverfahren, das bis lediglich 4. Dezember gehen sollte, begonnen werden konnte. Dass dies durch den enormen Seitenumfang Probleme für mögliche Anbieter darstellt, ist selbsterklärend. Fischbach schildert weiter, dass deshalb parallel mit Microsoft über eine Vertragsverlängerung ins neue Jahr verhandelt wurde und so Teams auf jeden Fall bis Ende April 2021 eingesetzt werden kann - trotz datenschutzrechtlicher Bedenken. Zusammenfassend kritisiert er also eine viel zu späte und knappe Ausschreibung, die späte Verhandlung mit Microsoft habe dem Unternehmen eine Monopolposition gegeben und es gebe neun Monate nach dem ersten Lockdown noch keine zuverlässige und langfristige Lösung für Bayerns Schulen. Abschließend bewertet er das ganze Projekt BayernCloud-Schule, in dem Mebis und auch die Videokonferenzsoftware einmal aufgehen sollen, bislang als ein sehr "vage gehaltenes Vorhaben".

PK