Hilpoltstein
Keine Armut wegen Ehe

Mittelfränkische Werkstatträte diskutieren über Bundesteilhabegesetz - Sprecherrat des Arbeitskreises am Auhof gewählt

30.05.2018 | Stand 23.09.2023, 3:23 Uhr
Ordner und Pokal übergibt die ausgeschiedene BAK-Chefin Sabine Eisemann (vorne links) an ihren potenziellen Nachfolger Philipp Großmann (hinten links). Neben ihm besteht der neue Sprecherrat samt Nachrückern aus Gerhardt Walzer, Heiko Schmutzler, Hans Bloß, Renate Mischke, Alexander Jahn, Elvira Uhl und Gerhard Orth (von links). −Foto: Foto: Leykamm

Hilpoltstein (HK) Fünf Jahre lang hat die in den Auhof-Werkstätten der Rummelsberger Diakonie tätige Sabine Eisemann den Vorsitz des Sprecherrats des Bezirksarbeitskreises der Werkstatträte Mittelfranken (BAK) innegehabt. Bei dessen Vollversammlung im Auhof formierte sich das Führungsgremium nun neu.

Neben dieser Wahl stand vor allem das Bundesteilhabegesetz im Fokus, das offenbar von vielen Hoffnungen, aber auch Ängsten begleitet wird. Seine Ursprünge hat es in der UN-Behindertenrechtskonvention, die seitens der Bundesrepublik Deutschland 2009 unterzeichnet worden ist. So erklärte es die Bundestagsabgeordnete Martina Stamm-Fibich (SPD) in ihrem Vortrag. In Kraft getreten ist das neue Gesetz mit Jahresbeginn, zur Gänze umgesetzt sein soll es bis 2023. "Da liegen fünf spannende Jahre vor uns", sagte die Parlamentarierin.

Enthalten sind laut ihren Worten in dem Paket einige Meilensteine auf dem Weg zur Gleichberechtigung für Menschen mit Handicap. Zum Beispiel werde hier tatsächlich einmal zu deren Gunsten entbürokratisiert. Bislang nämlich seien es die Behinderten selbst gewesen, die bei den verschiedenen Leistungserbringern hätten anklopfen müssen, um zu ihrem finanziellen Recht zu kommen. Nunmehr aber "reicht ein einziger Reha-Antrag aus".

Wer was übernimmt, sollen nun die betroffenen Stellen untereinander ausmachen. Für behinderte Ehepartner habe sich ebenso Entscheidendes geändert, da die Eingliederungs- nun nicht mehr zur Sozialhilfe gehöre. Konkret heißt das laut Stamm-Fibich: Bei der Festlegung der Höhe der finanziellen Unterstützung für die Eingliederung dürfen die Einkommensverhältnisse des Ehepartners nicht mehr in Betracht gezogen werden. Eine Eheschließung stelle somit nun kein Armutsrisiko mehr dar.

Ebenso haben Stamm-Fibich zufolge behinderte Menschen auch die Möglichkeit, sich etwas auf die Seite zu legen. Bislang waren dies gerade einmal 2600 Euro. Ab November 2020 darf ein Vermögen bis zu 50000 Euro angespart werden. Schon in diesem Jahr "können Menschen mit Behinderungen wählen: Möchten Sie in einer Werkstatt , auf dem ersten Arbeitsmarkt oder bei einem anderen Leistungsanbieter arbeiten?" Bei letzteren handelt es sich um kleine Firmen, die ein Arbeitgeber eigens für die Tätigkeit von Behinderten installiert hat. Sie verstehe aber, dass sich hier Verunsicherungen und Ängste zeigen, denn "der Weg in Arbeitswelten außerhalb der Werkstätten ist nicht für jeden der richtige". Deswegen werde man, so Stamm-Fibich, jene Einrichtungen auch beibehalten - und zwar entgegen der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention, wie sie betonte. Denen, die im Rahmen einer Tätigkeit in einem Unternehmen merkten, dass sie damit nicht zurechtkommen, versicherte die Abgeordnete, sie könnten "jederzeit in eine Werkstatt zurückgehen, der Weg dorthin ist nicht versperrt". Ängsten, dass aufgrund der Digitalisierung es generell bald an Arbeit für behinderte Menschen mangeln könnte, trat die Sozialdemokratin entgegen. Das Problem hätten ganz andere Schichten: "Es wird in zehn Jahren wohl keine Radiologen mehr geben", prognostizierte sie.

Ein BAK-Sprecherrat aber dürfte auch dann noch existieren. Das nun gewählte Gremium setzt sich wie folgt zusammen: Heiko Schmutzler (Regens Wagner Absberg) und Gerhardt Walzer (arbewe Nürnberg-Frankenstraße) sind nach Wiederwahl erneut mit dabei. Neu im Rat agieren Hans Bloß (Noris Inklusion Nürnberg Nord), Renate Mischke (arbewe Hansapark Nürnberg) und Philipp Großmann (Lebenshilfe Weißenburg). Letzterer konnte auch die meisten Stimmen für sich verbuchen und gilt somit als Favorit für den Posten des neuen Vorsitzenden. Ob er es wird, muss die konstituierende Sitzung erweisen. Alexander Jahn (Regens Wagner Zell), Gerhard Orth (Benedikt-Menni-Werkstatt Gremsdorf) und Elvira Uhl (Aurach Werkstätten) heißen die Namen potenzieller Nachrücker.

Sabine Eisemann versäumte es nicht, sich für die langjährige Unterstützung zu bedanken, bevor sie die Geschäftsordner samt Pokal, der an die Würde des Amtes erinnert, weiterreichte. Eisemann hatte sich bei der Vollversammlung nicht zur Wiederwahl stellen können, da sie bei der Werkstattratswahl des Auhofs nicht mehr den Sprung ins Gremium schaffte.

Ihr Amtsvorgänger an der Spitze des Sprecherrates, Roland Weber, zauberte bei dem jetzigen BAK-Treffen schließlich noch eine gute Nachricht aus dem Gepäck. In Kürze soll es einen Behindertenrat für ganz Mittelfranken geben - und nicht wie bislang üblich nur für größere Städte im Bezirk.

Jürgen Leykamm