Ingolstadt
''Kein Talent darf verloren gehen!''

Erste Profilschule für benachteiligte Kinder: Horst Seehofer und Stiftungsgründer Roland Berger ziehen Zwischenbilanz

21.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Gruppenbild mit Schülern des Scheiner-Gymnasiums: In der Mitte Horst Seehofer, neben ihm Roland Berger (l.) und OB Christian Lösel (r.). Schräg hinter dem Ministerpräsidenten steht Audi-Personalvorstand Wendelin Göbel. Ganz links Schulleiter Gerhard Maier. - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Vor dreieinhalb Jahren startete in Ingolstadt Deutschlands erste Profilschule der Roland-Berger-Stiftung für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche. Gestern bilanzierte Roland Berger mit Horst Seehofer das schon Geleistete. Der Ministerpräsident sprach von einer "segensreichen Arbeit".

Es war ein großes Wagnis, das die Bildungspioniere im Schuljahr 2014 / 2015 eingingen: Die Roland-Berger-Stiftung, der Freistaat Bayern, die Stadt Ingolstadt und Audi brachten eine "Profilschule" auf den Weg, deren Auftrag es ist, "begabte Kinder mit schwierigen sozialen Startbedingungen" (wie die der Initiative zugrundeliegenden, teils dramatischen Probleme der Kinder dezent-bürokratisch umschrieben werden) zum Abitur zu führen. Und das nicht etwa in einer isolierten Einrichtung, sondern inmitten staatlicher Schulen.

Für 18 Drittklässler in der Obhut der Berger-Stiftung begann damals der Unterricht in der Grundschule Auf der Schanz in Ingolstadt. 15 Schüler traten im selben Jahr auf das Christoph-Scheiner-Gymnasium über. Das bedeutete: Kinder aus kaputten Familien - frustriert, komplexbeladen, traumatisiert - fanden sich unter den Schülern einer Regelschule wieder. Das gilt für eine Hälfte der Roland-Berger-Stipendiaten. Die anderen entstammen zwar meist intakten Familien, sind anfangs aber benachteiligt, weil sie nur schlecht Deutsch können. Jetzt, nach dreieinhalb Jahren, blickten die Initiatoren zurück.

In diesem Schuljahr gehen 22 Kinder in die Vorläuferklasse an der Schule Auf der Schanz, 54 Berger-Stipendiaten besuchen das Scheiner-Gymnasium. Dort setzten sich Roland Berger, Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sowie weitere Förderer und Unterstützer des Pilotprojekts gestern in einem Klassenzimmer zusammen. Nach einer kleinen Konferenz sprachen sie zur Presse: "Die Roland-Berger-Stiftung leistet eine segensreiche Arbeit!", sagte Seehofer. "Junge Menschen aus schwierigen häuslichen Verhältnissen müssen - unabhängig von ihrer Herkunft, unabhängig von ihrem Elternhaus - früh eine Chance für ein gutes Leben erhalten." Dann ein Satz, der aufhorchen ließ: "Wir stehen bei der Bildungsgerechtigkeit auch in Bayern noch ziemlich am Anfang." Die Erfolge der Profilschule zeigten, dass es sich lohne, hier mit aller Kraft anzusetzen. "Wir müssen auch darüber nachdenken, welche Konsequenzen wir daraus für das bayerische Schulwesen ziehen." Eine stehe schon fest: "Wir brauchen mehr Sozialarbeiter an unseren Schulen!" Die zusätzlichen Kräfte sollen aber "kein Konkurrenzdenken" auslösen. Der Ministerpräsident betonte: "Wir legen auf die allgemeinbildenden Schulen genauso wert wie auf die berufliche Bildung." Er wiederholte das relevante Ziel: Bildungsgerechtigkeit.

Roland Berger, ein Unternehmensberater, der die Stiftung 2008 mit 50 Millionen Euro aus seinem Privatvermögen gegründet hat, begann seinen Rückblick mit einem Herzensanliegen: "Kein Talent darf verloren gehen!" Es sei ein Grundproblem, "Kinder bei den Zukunftschancen nach der Herkunft der Eltern zu definieren. Man muss sie aber nach ihren Talenten definieren! Das ist der Zweck der Stiftung." Er nannte die Ausgangslage unverblümt beim Namen: "Wir müssen in vielen Fällen die Elternhäuser ersetzen. Deshalb fördern wir nicht nur Wissen, sondern auch Werte - und stärken so die Persönlichkeitsentwicklung. Es ist großartig zu erleben, wenn sich Kinder gefördert, ernst genommen und wertgeschätzt fühlen! Dann legen sie bald die Komplexe wegen ihrer Herkunft ab."

Berger lobte auch das Engagement der Stadt Ingolstadt, die sich um die Räume und die Infrastruktur der Profilschule kümmert, sowie des Partners Audi, "ohne den die Förderung in diesem Umfang nicht möglich wäre". Wendelin Göbel, der neue Personalvorstand des Unternehmens, antwortete: "Audi ist stolz darauf, dass wir dieses Projekt unterstützen können!" Als größter Arbeitgeber in der Region Ingolstadt übernehme Audi "viel gesellschaftliche Verantwortung". Göbel zählte weitere geförderte soziale Projekte auf. Er begrüßt es, dass die Profilschule einen Schwerpunkt auf gutes Deutsch lege: "Denn die Sprache ist eine wesentliche Voraussetzung für gelungene Integration". OB Christian Lösel kündigte an, die Schule weiterhin kräftig zu unterstützen.