Trikotgeschichten
Kein Souvenir für die Vitrine

Sebastian Seidls Judoanzug von den Olympischen Spielen in Rio ist immer noch im Einsatz

17.08.2018 | Stand 02.12.2020, 15:51 Uhr
Die olympischen Ringe auf dem Rückenschild erinnern Judoka Sebastian Seidl an seine Teilnahme an den Spielen in Rio. −Foto: Foto: privat

Das mystische Flair Olympischer Spiele muss nicht unbedingt mit der Eröffnungsfeier oder dem ersten Blick auf das olympische Feuer beginnen.

Zumindest nicht für Judoka Sebastian Seidl. Für den Pförringer (Landkreis Eichstätt) begann das Olympia-Gefühl schon bei der offiziellen Einkleidung des deutschen Teams für die Spiele 2016 in Rio. "Wenn man da mit leeren Händen hinfährt und mit drei vollen Taschen Olympia-Ausrüstung zurückkommt, da geht einem das Herz auf", sagt Seidl. "Das hebt man sich für die Ewigkeit auf. " Das gilt auch für den Judoanzug, den der Bundesliga-Judoka des TSV Abensberg bei den Spielen in Rio trug.

Das Erkennungsmerkmal dieser Kampfsportbekleidung ist in erster Linie der Rückenaufnäher. Name des Athleten und Wettkampflogo sorgen für Individualität und Erinnerungswert. "Der Anzug von den Olympischen Spielen in Rio ist für mich persönlich mit Abstand der wichtigste", sagt Seidl. Denn der 28-Jährige verbindet mit der Zeit positive Erinnerungen, auch wenn es sportlich nicht ideal lief. "Es ist schon ein Riesenschritt, die Qualifikation geschafft zu haben", sagt Seidl, der in der ersten Runde am späteren Olympiasieger Fabio Basile aus Italien scheiterte. Danach saugte Seidl das Flair in Rio auf. "Es sind alle möglichen Sportarten vertreten. Die Sportler sind da in einer ganz eigenen Welt, und es harmoniert einfach alles. "

Nach drei Wochen ging es für Seidl zurück nach München - und für den Judoanzug in eine Virtrinie? Mitnichten. "Das ein oder andere Mal tauche ich mit dem Olympiaanzug in der Judohalle auf", verrät Seidl, der sich dann manchmal auch Sprüche anhören muss. "Da steht man aber drüber. " Schließlich ist Seidl am Olympiastützpunkt in München der einzige Judoka, der schon bei den Spielen war. Zu einem Wettkampf schafft es der Anzug aber nicht mehr.

Das liegt weniger an der Qualität, als vielmehr an veränderten Wettkampfnormen, seit 2016 haben sich nämlich die erlaubten Längen und Formen bei Ärmeln und Reveren verändert. Das Material würde einen Einsatz dagegen schon zulassen. Die Anzüge sind "unkaputtbar", erklärt Seidl, der eher die leichte Variante bevorzugt. Man könne sich darin besser bewegen, auch wenn der Gegner leichter zugreifen kann. Seidl könne derlei Herausforderungen in der Regel gut meistern. Aber egal, ob leicht oder schwer, so ein Anzug hält "ein Leben lang". Eine besondere Pflege braucht es dafür nicht.

Platz dagegen schon. Deswegen bewahrt Seidl nur die Anzüge der wichtigsten Turniere bei seinen Eltern in Pförring auf. Andere werden schon mal an Nachwuchsjudoka verschenkt. Doch vielleicht kommt in zwei Jahren ein weiterer Olympiaanzug in den Pförringer Kleiderschrank. "Ich werde es noch einmal versuchen", sagt Seidl über die Teilnahme an den Spielen in Tokio 2020. "Die Olympia-Qualifikation hat schon angefangen, ein paar Punkte konnte ich schon abgreifen, es hat aber alles noch ein bisschen Zeit. " Es sei ein realistisches Ziel. Wenn es gelingt, würde Seidl wieder viele emotionale Eindrücke sammeln. Aber auch ein Rückenschild, um es einzurahmen, und einen Anzug, mit dem man sich im Training an das Erlebte erinnern kann.

Es ist das primäre Erkennungsmerkmal in jedem Sport - das Trikot. Über die Jahre hinweg haben sich Beschaffenheit und Design stetig verändert, nur eines bleibt gleich: die Gedanken an die darin errungenen Erfolge. Christian Missy