München
"Kein Recht auf Wegsehen"

Gauck fordert auf der Sicherheitskonferenz mehr Einmischung Deutschlands in der Welt – auch militärisch

31.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:08 Uhr

München (DK) Der Bundespräsident als Falke? Joachim Gauck bleibt im Detail vage, doch seine Botschaft ist klar: Deutschland soll sich in der Welt künftig mehr einmischen, auch militärisch, fordert das Staatsoberhaupt gestern in seiner mit Spannung erwarteten Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Mehr noch: „Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen“, sagt Gauck.

Für militärische Einsätze gelte, Deutschland dürfe „weder aus Prinzip ‚nein’ noch reflexhaft ‚ja’ sagen.

Ein „Recht auf Wegsehen“, wie Gauck es nennt, gebe es nicht länger für „ein gutes Deutschland, das Beste, das wir jemals hatten“. Die Bundesrepublik müsse jetzt bereit sein für jene Sicherheit, die ihr über Jahrzehnte von anderen gewährt worden sei. Gaucks Credo: Deutschland als Hüter von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit weltweit, als Bewahrer und Mitgestalter der Bündnisse Europäische Union, Nato und Vereinte Nationen.

Erst Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dann vorsichtig der Außenminister und die Kanzlerin und jetzt deutlich der Bundespräsident. Regierung und Staatsoberhaupt plädieren für eine neue deutsche Rolle und den Abschied auch von der historisch bedingten militärischen Zurückhaltung.

Die Mehrheit der Deutschen scheint dagegen nur wenig von einer derartigen Neuausrichtung zu halten: 58 Prozent lehnen ein solches Ende der Zurückhaltung ab, wollen kein stärkeres militärisches Engagement, sondern setzen auf Diplomatie, notfalls auch mit dem Scheckbuch. Bedenken, die Gauck vor den mehr als 400 Sicherheits- und Außenpolitik-Experten aus aller Welt aufgreift, aber nicht mehr gelten lassen will. „Wir können nicht hoffen, verschont zu bleiben von den Konflikten dieser Welt. Aber wenn wir uns an deren Lösung beteiligen, können wir die Zukunft zumindest mitgestalten“, so der Präsident. Mehr Verantwortung bedeute nicht mehr Kraftmeierei und nicht mehr Alleingänge, beschwichtigt er. Deutlich widerspricht er auch Vorwürfen, Deutschland sei der Drückeberger der Weltpolitik, ducke sich allzu oft weg und verweist auf das bisherige internationale, auch starke militärische Engagement der Bundesrepublik. Dass die „einzige Supermacht“ USA Pläne verfolge, sich in Zukunft aus der globalen Krisenbewältigung stärker zurückzuziehen, ist für Gauck ebenso ein Alarmsignal wie die Tatsache, dass Europa vor allem mit sich selbst beschäftigt sei.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach sich zudem auf der Sicherheitskonferenz für eine verstärkte militärische Kooperation zwischen einzelnen Staaten der Europäischen Union an. Ziel seien „Gruppen von Staaten, größere und kleinere, die sich freiwillig zusammenschließen“.

Der Zeitpunkt für Gaucks Vorstoß und die Bühne der Sicherheitskonferenz sind ganz bewusst gewählt. Das Staatsoberhaupt will seinen Beitrag leisten zur gerade von der schwarz-roten Bundesregierung angestoßenen Debatte über die Neuausrichtung deutscher Sicherheitspolitik.