Kein Prosecco mehr!

13.09.2009 | Stand 03.12.2020, 4:40 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Verbrecherfotos von Arty und Farty, diesen beiden schlimmen Fingern, hängen irgendwo passbildklein an der Wand: nackte Oberkörper, Schlägerblick, ganz Duo Infernale. Das fällt aber erst später auf, als die "Performance" in der Galerie xhoch4 schon vorbei ist ("Das war’s", hat Künstler Ben Wittner nach etwa eineinhalbsekündiger Performancedauer, erklärt), sich die Verblüffung langsam lichtet und beim Schlendern in der eigentlichen "Ausstellung" – dann doch zu Prosecco – Vergnügen und Erkenntnis sich von Foto zu Foto multiplizieren.

Doch von Anfang an: "Um 22 Uhr findet in der xhoch4-Galerie eine Performance statt. Bis dahin können die Werke durch die Schaufenster betrachtet werden. Ab 22 Uhr ist die Galerie dann offen", steht apodiktisch auf einem handschriftlichen Schild an der Eingangstür. Es ist offenbar ernst gemeint: Eine dicke Traube Vernissagengänger hat sich vor der Galerie angesammelt, starrt ungeduldig ins Innere, wo ein Turm aus gefüllten Sektgläsern schon auf sie wartet, und scharrt um 21.59 Uhr allmählich mit den Füßen. Da! Die Tür wird von innen aufgeschlossen! Und draußen gibt xhoch4-Frau Clara Fischer das Startsignal zum Eintritt. Und, wie gesagt, das war’s.

Denn beim Öffnen der Tür stürzt der Turm in sich zusammen, kotzt Flüssigkeit, Gläserstiele und -bäuche auf den Boden, liegt da als feuchter Scherbenhaufen – und der ist so ziemlich das einzige, was die, die nicht in der allerersten Reihe draußen standen, von der Performance noch zu sehen kriegen. Ratlosigkeit. Einzelne grinsende Gesichter. Zögernde Schritte über die knirschenden Scherben. Und schließlich, mangels Anweisung, was nun zu tun sei, hin zu den Fotos an der Wand.

Ach, es ist wunderbar! Komisch, ironisch, jung, genial. In der Tat ein großer "Wurf" ist dem 29-jährigen Wittner, in Ingolstadt geboren und als Grafikdesigner und Fotograf in Berlin lebend, mit "arty & farty", jener hintergründigen Persiflage einer Vernissage, gelungen. Da stürzt die zelebrierte Oberflächlichkeit der modernen Kunstszene und ihrer Prosecco-Gesellschaft bildhaft einfach von selber ein, mit klirrendem Getöse. Und der Grund zum Kunstgenuss verschwindet: kein Schampus mehr!

Obwohl: Schampus war es wohl eh nicht. Der größte, riesige Digitaldruck der Turmaufbau-Fotodokumentation rundum: Arty und Farty nackt, wie sie von Stühlen neben dem Turm feixend in die 234 Gläser urinieren. Moment! Was ist dann das da auf dem Boden? Igitt. Wir sind geleimt! Und nochmal davongekommen: Prosecco und Bier (aus der Flasche) gibt’s anschließend kostenlos. Zum Trost. Und zu Plaudereien über Kunst.

arty & farty, bis 12. November in der xhoch4-Galerie, Kupferstraße 15, Di bis Fr von 10 bis 18 Uhr.