Ingolstadt
Kein Platz mehr frei

Die steigende Zahl von Asylbewerbern macht auch der Region zu schaffen

22.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:55 Uhr

Oft monatelang wohnen Asylbewerber in Bayern derzeit in Erstaufnahmeeinrichtungen wie hier in München. Bezirksregierung, Landkreise, Städte und Gemeinden haben zu wenig Unterkünfte für sie - Foto: Graf/dapd

Ingolstadt (DK) Die zentralen Aufnahmestellen für Asylbewerber in München und im mittelfränkischen Zirndorf sind überfüllt. Wo sollen dieMenschen unterkommen? Wir haben uns die Situation in Oberbayern angeschaut.

Wer den Bus bekommt, der hat ein Problem. In dem Bus würden Asylbewerber sitzen, sie könnten in Eichstätt ankommen, in Ingolstadt oder anderswo, und die zuständigen Landratsämter müssten für die Menschen Feldbetten in Turnhallen aufstellen oder Pensionszimmer anmieten. Die Regierung von Oberbayern soll mit solchen kurzfristig angekündigten Bussen gedroht haben, falls nicht bald genug Plätze für Asylbewerber zur Verfügung stehen. Die bayerische Asylpolitik im Herbst 2012 hat ein Problem.

„Wir gehen für Oberbayern aktuell von rund 1500 fehlenden Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften aus“, sagt Michaela Krem, Sprecherin der Regierung von Oberbayern. Immer mehr Menschen suchen in Deutschland Asyl – „entgegen der Prognose des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge“, hieß es beim Sozialministerium in München, obwohl die Zahlen seit Monaten steigen.

Bayern muss gut 15 Prozent der Asylbewerber aufnehmen. Für sie gibt es zwei Erstaufnahmeeinrichtungen; eine in Zirndorf westlich von Nürnberg und eine in München. Von dort aus werden sie auf die Regierungsbezirke verteilt, wiederum nach einem festgelegten Schlüssel: Oberbayern bekommt knapp 34 Prozent der bayerischen Asylbewerber. Bis über ihre Anträge entschieden ist, müssen die allermeisten in sogenannten Gemeinschaftsunterkünften wohnen, für die die jeweiligen Bezirksregierungen zuständig sind. Nur: Die Unterkünfte sind voll. Und so lange sie keinen anderen Platz haben, müssen die Asylbewerber in den zentralen Anlaufstellen bleiben. Deshalb wohnen im Lager in Zirndorf statt 500 derzeit mehr als 700 Menschen – in der Cafeteria, in der Kapelle, im muslimischen Gebetsraum und neuerdings sogar in Zelten.

„Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Gemeinschaftsunterkünften“, sagt Michaela Krem, „wir sind nicht untätig.“ Geeignete Räume zu finden sei aber schwierig; Krem zählt die Probleme auf: „Brandschutz, Baurecht, Widerstände vor Ort von Gemeinden, Anwohnern oder politischen Vertretern.“ Deshalb greift die Regierung von Oberbayern zu einem Mittel, das ihr rechtlich zusteht: Sie kann Städten und Landkreisen Kontingente an Asylbewerbern direkt zuteilen. Die Landratsämter müssen sich dann darum kümmern, die Menschen in sogenannten dezentralen Unterkünften unterzubringen. Das können Zimmer sein, Wohnungen oder ganze Häuser.

In den vergangenen Monaten ist ein Stau entstanden. In Ingolstadt fehlen 27 Plätze, im Kreis Eichstätt sind es 46 und im Kreis Pfaffenhofen 42. Nur der Kreis Neuburg-Schrobenhausen hat sogar mehr Menschen aufgenommen, als er müsste.

Die Landratsämter haben die gleichen Probleme wie die Bezirksregierung: Sie finden kaum geeignete Gebäude – und wenn, gibt es Widerstand. „Wir schalten Annoncen, machen Aufrufe und haben die Bürgermeister gefragt“, sagt Manfred Schmidmeier vom Landratsamt Eichstätt. „Aber es ist nicht einfach.“ Es kommen nicht genug Angebote, manche werden wieder zurückgezogen, wenn Nachbarn mitbekommen, wer einziehen soll, oder sie sind einfach nicht geeignet – wie das verschimmelte Haus, das neulich angeboten wurde: „Da kann ich doch niemanden einziehen lassen.“ Im Landkreis Pfaffenhofen ist die Suche nach Unterkünften einfacher, aber auch hier hinkt man den Anforderungen hinterher, weswegen laut Karl Huber vom zuständigen Landratsamt „als allerletzte Möglichkeit“ daran gedacht wird, Container aufzustellen.

Die wenigsten Gemeinden, die Asylbewerber aufnehmen sollen, zeigen sich so offen feindselig wie Brunnthal südlich von München. Daniel Brenner, Chef der örtlichen Jungen Union, warnte in einem Brief: „Grund- und Immobilienpreise verlieren auf einen Schlag an Wert!“ Das werde sich auch in der „Kriminalstatistik bemerkbar machen“. Aber vor allem gegen die Gemeinschaftsunterkünfte der Bezirksregierung mit mindestens 50 Asylbewerbern laufen Anwohner Sturm: In Obereichstätt im Kreis Eichstätt ebenso wie in Au in der Hallertau.

Dass man mit Asylbewerbern in der Nachbarschaft durchaus leben kann, hat man beispielsweise in Wettstetten nördlich von Ingolstadt festgestellt. 20 Menschen hat das Landratsamt Eichstätt dort untergebracht – Probleme gebe es keine, sagt ein Mitarbeiter der Gemeinde. Viele Einwohner hätten verstanden, dass die Gemeinden „das letzte Glied in der Kette“ seien und machtlos gegen die Entscheidung des Landratsamtes. Ob es besser wäre, wenn die Gemeinden mehr Mitspracherecht hätten? „Nein“, sagt der Mitarbeiter in Wettstetten, „da würden doch alle nur sagen: Nicht zu uns, lieber zu den anderen. Das ist nicht richtig. Bei den Asylbewerbern, da geht’s doch um Schicksale.“