Altmannstein
"Kein Konzept ist für alle gleich"

Kleiderbörse Altmannstein unterstützt die Trauerarbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Leistmühle

05.05.2019 | Stand 23.09.2023, 6:52 Uhr
Mit einer Spende von 1000 Euro unterstützen die ehrenamtlichen Helferinnen der Kleiderbörse die Trauerarbeit in der Leistmühle unter Leitung von Christine Schmidtner (3. v. l.). −Foto: Ammer

Altmannstein (DK) An einem Ast mitten im Bach hängt eine Schaukel, ein Bub schwingt hin und her, die Füße streifen durchs Wasser.

Ein Mann begleitet ihn, lernt ihn gerade erst kennen, der Junge ist neu hier. Zwischen den Bäumen zeichnet sich weiß ein Indianertipi ab, Hühner laufen frei, weiter hinten steht ein Baumhaus auf dem großen Gelände. In einem Schuppen reihen sich Farben und Leinwände, aus der Küche duftet es nach Spaghetti mit Tomatensoße. Überall finden sich kleinere und größere Sitzgelegenheiten - Bänke, Rückzugsorte. Eine junge Frau sitzt vor einem großen Fenster, krault eine schnurrende Katze.

Die Leistmühle, das ist ein Ort, an dem man sich wohlfühlen kann, da sind sich die Frauen einig, die an diesem Tag das pädagogisch-therapeutische Zentrum besuchen, das zwischen Altmannstein und Hexenagger liegt. Sie betreuen ehrenamtlich die Altmannsteiner Kleiderbörse - und spenden aus dem Erlös immer wieder Geld an Einrichtungen in der Region. In die Leistmühle haben die Altmannsteinerinnen um Vize-Bürgermeisterin Hannelore Eichenseher (CSU) 1000 Euro mitgebracht. Das Geld geht genau genommen an die St. Leonhards Stiftung, die das pädagogisch-therapeutische Zentrum besonders im Bereich der Trauerarbeit unterstützt.

Diese ist ein neues Feld in der Leistmühle - und sehr wichtig, wie die Leiterin, Christine Schmidtner, den Besucherinnen bei ihrem Rundgang erklärt. "Es traut sich kaum jemand, auf dich zuzugehen", beschreibt sie, wie es Trauernden oft geht. Gerade auch Kindern und Jugendlichen. Zugleich sei oft die Zeit für Trauer in der heutigen Gesellschaft nicht mehr drin. Und eine Erfahrung, die sie in der Leistmühle auch gemacht haben: Es passiert etwas Schlimmes, man sieht es im Fernsehen, ist kurz betroffen. Doch häufig würden Betroffene eben doch im Umkreis wohnen, das Leid ist näher, als es sich der Fernsehzuschauer vorstellen kann. Im Gegensatz zu den anderen Bereichen, die in der Leistmühle angeboten werden, finanziert sich die Trauerarbeit über Spenden. "Wir hätten das Geld nicht besser unterbringen können", ist sich Hannelore Eichenseher sicher. Die Ehrenamtlichen der Kleiderbörse unterstützen besonders gerne die Kinder aus Altmannstein und Umgebung. "Wir arbeiten so gerne dafür. " Und die Frauen kennen auch einige Kinder und Jugendliche, die in der Leistmühle sind oder schon waren. "Ich sehe die Entwicklung in eine bessere Zukunft", sagt Eichenseher mit Blick auf die Arbeit dort.

Neben der Trauerarbeit gibt es verschiedene Therapieangebote in der Leistmühle, die Christine Schmidtner mit viel Liebe und Engagement aufgebaut hat. Die Kinder und Jugendlichen kommen zumeist aus der psychiatrischen Behandlung in die Leistmühle, aus schwierigen Lebenssituationen heraus, teils mit diagnostizierten psychischen Erkrankungen, sozialen Beeinträchtigungen, Verhaltensauffälligkeiten oder seelischen Behinderungen. "Kein Konzept ist für alle gleich", beschreibt Christine Schmidtner das Vorgehen. Im Team wird besprochen, was das Kind braucht, jeder Mitarbeiter in der Leistmühle hat einen Schwerpunkt. Zum Beispiel wird einiges im kreativen Bereich angeboten - Kunsttherapie, Musik, Theater. Zunächst gibt es immer eine Phase des Beziehungsaufbaus. "Wir müssen uns kennenlernen. " Das Team in der Leistmühle ist seit Jahren so gut wie unverändert, es gibt Sicherheit und Kontinuität. Wichtig ist Christine Schmidtner, dass kein großes Drama gemacht wird und dass alle ehrlich miteinander sind. "Wir machen nichts vor, jeder hat etwas mitgemacht in seinem Leben, wir stellen keine Schuldfrage, sondern fragen: Wie wird es besser? " Dabei werden auch stets die Eltern in die Therapie mit einbezogen.

Rund zwei Jahre sind die Kinder und Jugendlichen etwa in der Leistmühle, manche einmal die Woche, manche mehrfach. "Nicht jeder Fall ist gleich intensiv", beschreibt Schmidtner. 40 bis 45 junge Menschen betreuen sie im Schnitt, nicht nur aus Altmannstein und dem Landkreis Eichstätt, sondern auch aus Ingolstadt, Neumarkt, Pfaffenhofen und Neuburg-Schrobenhausen.

Mitten im Garten sitzen die Altmannsteinerinnen gemütlich um einen Tisch und plaudern. Jemand hat aus Löwenzahnblüten einen Rahmen um den runden Sitzplatz gelegt. "Es ist der richtige Ort für so eine Arbeit", weiß Christine Schmidtner mit Blick ins gepflegt-wilde Grundstück. Nur der Wasserlauf durchplätschert die Ruhe - und macht die Idylle perfekt.

Isabel Ammer