Ingolstadt
Kein Grund für Nervosität

08.11.2010 | Stand 03.12.2020, 3:29 Uhr

Michael Groß, Leiter des Audi-Personalmarketings. - Foto: Audi

Ingolstadt (DK) "Jeder Bewerber muss authentisch sein und sich so geben, dass es zu ihm passt". Michael Groß weiß wovon er spricht, wenn es um Bewerbungsgespräche geht. Der 39-Jährige ist Leiter des Audi-Personalmarketings und soll mit seinem Team von 39 Mitarbeitern geeignete Leute für Audi begeistern und schließlich auch gewinnen.

"Wenn Sie beim Bewerbungsgespräch zum ersten Mal Anzug und Krawatte tragen, dann fühlen Sie sich nicht wohl, und dann ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass Sie nicht entspannt sind", so Groß zum Thema Authentizität.
 
Dass nahezu alle Bewerber nervös seien, hält Groß für normal, aber nicht unbedingt für nötig. Es gehe schließlich "um das Thema, in dem Sie Vollprofi sind, nämlich um Ihre Person". Außerdem würden bei Audi "keine Rausprüf-Gespräche, sondern Reinhol-Gespräche" geführt. Denn es helfe nichts, "wenn ich jemand zwei Stunden in die Mangel nehme, er sich tapfer schlägt, aber dann sagt, in einem Unternehmen mit so einer Kultur will ich nicht arbeiten".

Bloß kein Desinteresse

Fehler kann man als Bewerber natürlich trotzdem machen. Der schlimmste: "Wenn sich jemand nicht interessiert für das, was wir tun", wenn der Bewerber also das Strahlen in den Augen für seinen potenziellen neuen Arbeitgeber vermissen lässt.

"Hochgezüchtete" Lebensläufe müssen laut Groß auch nicht sein. "Es muss nicht immer schnell gehen und perfekt sein." Keiner solle etwas machen, nur damit es im Lebenslauf steht, ihm aber eigentlich widerstrebt. Dennoch sei natürlich etwa ein Auslandsaufenthalt toll. Denn "wenn ich einmal ein halbes Jahr in Barcelona studiert und mich fernab von Mama durchgeschlagen habe, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich das auch im späteren Arbeitsleben wieder mache". Auch Engagement werde honoriert – etwa im Verein, bei der Schülermitverwaltung oder im Sport. Also "Eigenschaften, die mir helfen, als Mensch einen guten Job zu machen".

Und schließlich sind natürlich nach wie vor Noten "ein Differenzierungsmerkmal und ein wichtiger Indikator für Fleiß und Belastbarkeit in Prüfungssituationen", so Groß. Er betont aber gleichzeitig: "Wir haben keinen Audi-Numerus-Clausus". Denn "wir wollen Leute, die zu Audi passen, und das hängt von mehr als nur einer Note ab".

Diese passenden Leute sucht Groß mit seinem Team unter anderem auf Jobmessen und an Unis. Besonders leicht hat er es wohl bei Studenten aus den Bereichen Ingenieurwesen und Wirtschaftswissenschaften, denn für sie ist der Ingolstädter Autobauer Umfragen zufolge ohnehin der attraktivste Arbeitgeber. Doch natürlich gehen bei Audi auch andere Bewerbungen ein. "Wir gehen davon aus, dass wir in diesem Jahr etwa 40 000 bekommen", sagt Groß – vom Schüler bis zum promovierten Bewerber. Erstaunlicherweise ist die Zahl der Initiativbewerbungen dabei gar nicht so hoch. "Etwa 80 Prozent bewerben sich auf ausgeschriebene Stellen", so der 39-Jährige.

Online auf Jobsuche

Traditionelle Bewerbungsmappen erhält Groß inzwischen kaum noch. 98 Prozent gehen online auf Jobsuche bei Audi, "E-Recruiting" heißt das Zauberwort. Die "vermeintlich einfachere Technik" sei aber kein Freibrief, ohne Sorgfalt zu arbeiten. Schreibfehler und "ein Serienbrief, den Sie an 20 Unternehmen schicken können", kommen bei Personalern auch im Internet-Zeitalter nicht gut an – weder bei einer Bewerbung für ein Schülerpraktikum und erst recht nicht für höhere Aufgaben.

Denn bereits ein Schülerpraktikum ist für Groß ein wichtiges "Bindungsinstrument" – für beide Seiten. In dieser einen Praktikumswoche will Audi die Schüler neugierig auf das Unternehmen machen und im Rahmen eines "Talentmanagements" mit interessanten Kandidaten auch darüber hinaus Kontakt halten. Um in Kontakt zu treten, hat Audi laut Groß auch als erster Autohersteller soziale Netzwerke wie Facebook als weiteren Kommunikationskanal genutzt. "Information und Interaktion" lautet dabei die Devise, die schon 2800 Fans mit immer neuen Fragen gefunden hat. Doch auch wenn sich Audi dabei gerade der Zielgruppe junger Leute zeigen kann, ist Groß sicher, dass Facebook & Co. "nie das persönliche Gespräch ersetzen werden".

Er lehnt deshalb auch Angebote über "virtuelle Hochschulmessen" schlichtweg ab. "Da fahre ich mit meinem Team lieber selbst auf Jobmessen, um mir ein Bild zu machen", sagt er ganz entschieden.