Ingolstadt
Kein bisschen leise

Georg Hanauska ist 85 Jahre und spielt nach wie vor in drei Kammerorchestern eine aktive Rolle

12.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:55 Uhr

Foto: Josef Bartenschlager

Ingolstadt/Pfünz (DK) Familienidylle 1996: Ein älterer Herr in weißem Hemd, grauer Strickweste und Pantoffeln hat sich im Wohnzimmer auf ein Knie herabgelassen. Ein kleiner Bub, sein Enkel, sieht ernst, fast andächtig zu ihm hinauf. Der Opa, Georg Hanauska, spielt – auf der Geige für seinen Enkel Lukas.

Aufgenommen wurde diese Szene vor rund zwei Jahrzehnten. Georg Hanauska, der in Pfünz wohnt, hält den Schnappschuss in Ehren. „In diesem Bild steckt sehr viel von mir“, sagt er. Der 85-Jährige war Pädagoge, Schulleiter, Musiklehrer und ist trotz gesegneten Alters aktiver und unermüdlicher Musiker in sage und schreibe drei Orchestern: Beim Eichstätter Kammerorchester ist er ein musikalisches Urgestein, seit 1967 ist er zudem Mitglied im Ingolstädter Kammerorchester und seit Beginn der 1990er Jahre auch im Neuburger Kammerorchester.

Die musikalische Ader wurde Georg Hanauska praktisch in die Wiege gelegt: Sein Vater war ein vielseitiger Musikant rund um Gräfendorf nördlich von Prünn im Sudetenland, der Kontrabass, Geige und Bratsche, aber auch Tenorhorn, Helikon und Tuba spielte. Und schon seine beiden Großväter waren bei Festen gern gesehene Musikanten.

„Meine Eltern waren Fabrikweber, einfache Leute, die aber ein eigenes Haus besessen haben“, erinnert sich Hanauska. „Im Winter hat mein Vater immer sonntags Freunde eingeladen und zusammen mit ihnen musiziert. Ich selbst bin als kleiner Bub auf der Ofenbank gesessen und habe zugehört – bis ich eingeschlafen bin.“

Die ersten Töne brachte ihm der Vater bei, später erhielt der junge Georg Unterricht von Kapellmeistern. „Zwei Mark hat der Unterricht gekostet, ein Heidengeld“, erinnert sich Hanauska. Seine Eltern verdienten in der Fabrik 36 Pfennige pro Stunde.

Das Musizieren packte ihn und ließ den heute 85-Jährigen nie mehr los. Bereits während des pädagogischen Studiums in Eichstätt wirkte er in einer Orchestervereinigung mit. Mit Sepp Rubenberger hob er 1961 den Kammermusikkreis aus der Taufe. „Ich kannte viele Musiker und die haben wir der Reihe nach besucht, um sie für den Kammermusikkreis zu begeistern.“ Die erste, bei der das Duo auf den Busch klopfte, war Lore Ludwig, damals Christa, die 1961 ihr Abitur gemacht hatte. Sie ist, wie Hanauska, bis zum heutigen Tag Mitglied im Kammerorchester, wie sich das Ensemble seit Jahren nennt. Die Eichstätter taten sich mit Ellinger Musikern zusammen und gaben bis 2009 jährlich ein Konzert in der Domstadt und eines in Ellingen. Sepp Rubenberger wandte sich später der Volksmusik zu und hob die Eichstätter Geigenmusik aus der Taufe. Wieder mit dabei: Georg Hanauska. „Das war die erste Geigenmusik in Bayern“, ist der heute 85-Jährige noch immer stolz. „Der Fanderl Wastl hat uns protegiert und uns zu Fernsehsendungen eingeladen. Einmal haben wir mit Silvia Sommerlath, der späteren Königin von Schweden, eine Sendung gemacht.“

Sein musikalisches Pensum erfüllt der Senior problemlos: „Montags ist Probe in Neuburg, donnerstags in Eichstätt und freitags in Ingolstadt“, zählt er auf. „Und ich sitz meistens allein daheim“, wirft seine Frau Emmi ein. Auch bei den Auftritten ist der 85-Jährige ein Fixpunkt: In all den Jahren hat Hanauska ein einziges Konzert in Eichstätt versäumt; da lag er im Krankenhaus.

Selbstverständlich hat der Wahl-Pfünzer stets sein Können weitergegeben. Er lehrte an mehreren Schulen – und unterrichtete seine Familie. Einer seiner Söhne, auch er hört auf den Namen Georg und ist Musikpädagoge am Ingolstädter Scheiner-Gymnasium, leitet derzeit das Kammerorchester. Geht das gut, wenn Vater Georg Anweisungen von Sohn Georg bekommt? Kein Problem, versichert Hanauska senior. Die Hierarchie sei klar: „Der Orchestermusiker muss sich dem Dirigenten unterordnen. Der hat das Sagen.“

Der Musikgeschmack von Hanauska ist konservativ: Er mag den Barock, die Klassik und die Frühromantik, Händel, Mozart und besonders Haydn. Auch Bach gehört zu den Favoriten, aber: „Der ist sehr schwer zu spielen.“ Die Klassik sei ihm im Laufe der Zeit durchsichtiger und verständlicher geworden. „Hindemith oder Alban Berg kann ich nicht spielen, die verstehe ich nicht.“

Ein wenig Tribut zollt Georg Hanauska dem Alter schon. Im Eichstätter Kammerorchester ist er, seit der Sohn die Stabführung übernommen hat, von der Geige auf die Bratsche umgestiegen. „Das ist das Instrument der Senioren, sie ist einfacher zu spielen.“ Inwiefern? „Das Notenbild ist einfacher. Damals, als der Mercedes noch als gemütliches Auto gegolten hat, haben wir Musiker immer gesagt: ,Die Bratsche ist der Mercedes unter den Streichinstrumenten’.“

Gleichwohl: Georg Hanauskas Leidenschaft für die Musik ist überaus ansteckend. Der kleine Bub von damals, Lukas, ist jetzt ein junger Mann, der sich vorgenommen hat, Musik zu studieren. Er ist – wie ein weiterer Enkel – Dominik, Mitglied im Kammerorchester. Damit reiht er sich in eine lange Familientradition ein, der sich schon sein Großvater weder entziehen konnte noch wollte. Urenkel gibt es übrigens auch, denen Georg Hanauska etwas Schönes vorfiedeln kann.