Kein Aufzug am Bahnhof: Marlis Weiß macht mobil

11.08.2006 | Stand 03.12.2020, 7:38 Uhr

Pfaffenhofen (rs) Nur über insgesamt etwa 340 Meter lange Rampen mit einer Steigung beziehungsweise einem Gefälle von bis zu 5,5 Prozent sollen nach Abschluss der Umbauarbeiten am Bahnhof behinderte Menschen, Senioren, die nicht mehr gut zu Fuß sind, oder Mütter mit Kinderwagen den Weg von ihren Parkplätzen zu den Bahnsteigen und zurück bewältigen können.

Die Bahn setzt ausschließlich auf Treppen und Rampen, Aufzüge sind nicht vorgesehen. Bei der letzten Sitzung forderte der Stadtrat hier dringend eine Nachbesserung (PK berichtete). Schon nächste Woche will Bürgermeister Hans Prechter mit den DB-Verantwortlichen verhandeln und im Vorfeld dieser Gespräche baten die Kommunalpolitiker bei den verschiedensten Stellen um Unterstützung. So schaltete Hans Prechter, der Mitte nächster Woche beim zuständigen Bahn-Projektleiter Lothar Christoph auf den Einbau von Aufzügen drängen will, bereits die Behindertenbeauftragte der Staatsregierung, Anita Knochner, ein. Er verwies ihr gegenüber darauf, dass sowohl dem örtlichen Behinderten-Arbeitskreis als auch dem VdK und dem gesamten Stadtrat die geplante reine Rampen-Lösung als nicht ausreichend erscheint und bat Anita Knochner, die Stadt bei der Durchsetzung der notwendigen Aufzüge zu unterstützen.

Marlis Weiß, im Stadtrat für Behindertenbelange und Seniorenbüro zuständig, wandte sich mit dem gleichen Anliegen schon vor einigen Wochen an die Beratungsstelle der Bayerischen Architektenkammer. Und deren fachlicher Leiter Michael Klingseisen hegte nach dem Studium der Bahnpläne "große Zweifel, ob Rollstuhlfahrer derartig lange Rampen aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe überwinden können." Sein Rat: "Ich möchte dringend empfehlen, die Bahnsteige neben den Rampen auch mit Aufzügen zu erschließen. Dies käme nicht nur Rollstuhlbenutzern zu Gute, auch Menschen mit Gepäck oder mit Kinderwagen würden profitieren." Klingseisen verweist in diesem Zusammenhang auch auf die demographische Entwicklung (ständig steigender Bevölkerungsanteil der Senioren und damit verbundene Zunahme der Menschen mit Behinderungen). Vor diesem Hintergrund müsse einem barrierefreien Umbau des Bahnhofes "große Aufmerksamkeit geschenkt werden, da vor allem diese Bevölkerungsgruppe auf den ÖPNV angewiesen ist."

So eindeutig die Aussagen dieses Experten ausfielen – verpflichtet zum Einbau von Aufzügen ist die Bahn deshalb noch lange nicht. Die DB hat es sich zwar offiziell zum Ziel gesetzt, Bahnhöfe und Haltepunkte barrierefrei zu gestalten und so die Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes "nach und nach" bei Um- und Neubauten umzusetzen, hat dabei aber – sehr zum Leidwesen von Behindertenreferentin Marlis Weiß – einen sehr großen Ermessensspielraum.

"Letztlich geht es bei unserem Bahnhofsumbau um die Frage der Zumutbarkeit", so die CSU-Rätin, "und hier wurden die Vorgaben viel zu hoch angesetzt." Weiß: "Es ist schlicht unmöglich, dass sich Rollstuhlfahrer, Mütter mit Kinderwagen, oder Senioren mit schwerem Gepäck eigenständig über diese langen Rampen quälen. Und wer schon einmal einen Menschen im Rollstuhl geschoben hat, der weiß, dass das bei den vorgesehenen Steigungen Schwerstarbeit bedeuten würde und bergab sehr gefährlich wäre. Von den Problemen, die bei winterlichen Verhältnissen zu erwarten wären, ganz abgesehen." Vom "Dienstleistungsunternehmen DB" erwartet Marlis Weiß jetzt, dass es den Belangen der Behinderten und Senioren mit dem Einbau von Aufzügen Rechnung trägt und so eine wirklich barrierefreie Lösung schafft: "Schließlich wird hier doch nicht für fünf Jahre gebaut, sondern für Jahrzehnte."

Voll auf einer Linie mit seiner Fraktionskollegin liegt 2. Bürgermeister Franz Schmuttermayr, der derzeit im Rathaus amtiert: "Wir hoffen alle sehr, dass es Bürgermeister Hans Prechter bei den anstehenden Verhandlungen gelingt, die DB-Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass nicht nur vermeintlich behindertengerecht, sondern behindertenfreundlich gebaut werden muss."