Kein Aufbruch

Kommentar

29.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:36 Uhr

Der Brüsseler Vorhang zu und alle Fragen offen - Europas Krisenmanager bleiben sich treu. Immerhin: Am zweiten Gipfeltag hat bereits die künftige EU der 27 am Konferenztisch Platz genommen und der britische Premierminister David Cameron seinen Stuhl geräumt.

Die Staats- und Regierungschefs üben den Neuanfang nach dem größten anzunehmenden Unfall. Sie wissen zumindest, was sie nicht wollen. Keine hektischen Vertragsänderungen, keinen Konvent, keine Reformverhandlungen, die die Unsicherheit womöglich noch vergrößern und die Spaltung in der Union vertiefen würden.

Was allerdings jetzt anders und wie es besser als in der Vergangenheit werden soll, bleibt ziemlich wolkig. Wer bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker darauf gehofft hatte, der Brexit-Schock würde ihn wachrütteln, der wurde einmal mehr von dem Luxemburger enttäuscht. Als wolle er die Vorurteile über das bürgerferne Brüsseler Regiment bestätigen, prescht er ausgerechnet während des historischen Gipfeltreffens vor und kündigt an, dass umstrittene Handelsabkommen Ceta lieber an den nationalen Parlamenten vorbeischleusen und ohne die Zustimmung der Volksvertreter aus den EU-Mitgliedsstaaten beschließen zu wollen. Was für ein Affront.

Die Brexit-Befürworter auf der Insel müssen sich geradezu bestätigt fühlen. Gerade jetzt müssen die nationalen Parlamente nicht weniger, sondern mehr eingebunden werden. Es scheint, als wolle Juncker seinen Kritikern, die seinen Rücktritt fordern, auch noch zusätzliche Munition liefern. Was bleibt nach dem Brüsseler Brexit-Gipfel, ist kein Gefühl des Aufbruchs, sondern eher das der Ratlosigkeit.