Neumarkt
Katerstimmung im Johanneszentrum

Neumarkter CSU rechnet mit Angela Merkel ab – Alois Karl gewinnt sein Direktmandat trotzdem mit klarem Vorsprung

25.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr

Neumarkt (HK) Bei der Wahlparty der Christsozialen im Johanneszentrum in Neumarkt herrschte keine Partystimmung. Schon als die ersten Prognosen und Hochrechnungen über die Bildschirme flimmerten, verfinsterten sich die Minen der Parteimitglieder zusehends.

Das historisch schlechte Abschneiden der Union mit gerade einmal rund 33 Prozent und die Tatsache, dass die CSU in Bayern deutlich unter die 40-Prozent-Marke gesunken ist, schlug so manchem deutlich auf den Magen. Der Bezirksvorsitzende, Staatssekretär Albert Füracker, gab sich gar keine Mühe seinen Ärger zu verstecken. „Dieses Wahlergebnis ist eine einzige Enttäuschung, ein Desaster“, gab er unumwunden zu und sagte: „Heute Abend kann man wieder einmal sehen, was für eine erfolglose Branche doch die Demoskopen sind.“ Nach diesem desaströsen Wahlergebnis könne es kein „Weiter so“ geben.

Man werde zu besprechen haben, warum bei sehr vielen Wählern das Vertrauen in die CDU/CSU verloren gegangen ist und wie man dieses Vertrauen wieder zurückgewinnen kann. „Wenn vor der Wahl alles fehlerfrei gelaufen wäre, dann wäre kein so ein Ergebnis herausgesprungen“, sagte Füracker und sagte zu einer möglichen Jamaika-Koalition: „Bisher hat sich bei mir nicht der Eindruck eingestellt, dass wir unsere Positionen in so einem Bündnis durchsetzen können.“
 
Der Bundestagsabgeordnete Alois Karl traf erst gegen 19.30 Uhr im Johanneszentrum ein. An seinem Hochzeitstag bedankte er sich bei Ehefrau Hildegard und bei seinen Parteifreunden für die Unterstützung im Wahlkampf. Das Positive an dem Tag sei, dass er sein Direktmandat mit großen Vorsprung habe verteidigen können. „Wir haben gut gekämpft, aber dennoch liegt ein Schatten über der Wahl“, sagte Karl angesichts des Erfolges der AfD, von der er sich genauso wie Albert Füracker deutlich abgrenzte. 

Karl sprach von einer dramatisch veränderten politischen Landschaft mit vielen Protestwählern und meinte angesichts einer sich abzeichnenden schwarz-gelb-grünen Koalition: „Der Wähler hat entschieden und das haben wir zu akzeptieren, aber einfach werden wird es sicherlich nicht.“ Eine Jamaika-Koalition bringe zweifelsfrei große Schwierigkeiten mit sich, aber der Wähler habe einen Anspruch auf eine Regierung. Deutlich kritisierte Karl die Sozialdemokraten: „Ich finde es verantwortungslos von der SPD, schon kurz nach der Wahl zu sagen, dass man in die Opposition gehen wird.“ Alle demokratischen Parteien stünden in der Verantwortung, den Rechtspopulisten entgegen zu treten. „Schade, dass unsere Themen wie Wirtschaftspolitik oder geringe Arbeitslosigkeit in den Hintergrund getreten sind.“

Der Europarlamentarier Albert Deß konnte sich in einer ersten Reaktion auf die Hochrechnungen keinen grünen Landwirtschaftsminister im neuen Kabinett vorstellen und hielt es sogar für nicht ausgeschlossen, dass es bald Neuwahlen geben könnte. Deß: „Meine Befürchtung, was die AfD angeht, hat sich bestätigt. Ich habe in Gesprächen mit vielen Menschen gespürt, wie sehr sie die Flüchtlingspolitik beschäftigt.“ Konsequenzen für die Landtagswahlen in Bayern im nächsten Jahr mochte Deß aus der Bundestagswahl nicht ableiten: „Das sind zwei paar Stiefel. Zum einen gab es dieses Mal viele Protestwähler und zum anderen viele Menschen, die ganz einfach Angelika Merkel nicht mehr wollten.“

Der Listenkandidat der CSU, Stephan Meier aus Pölling, nannte das Abschneiden seiner Partei katastrophal. Man müsse jetzt wieder die richtigen Themen besetzen und denen vor allem auch treu bleiben.“ Aus Mühlhausen war Bürgermeister Martin Hundsdorfer gekommen und auch dem kam kaum ein Lächeln über die Lippen. „Die Große Koalition hat im Bund zweifellos auch gute Ergebnisse zuwege gebracht. In einer veränderten Konstellation wird es jetzt schwieriger werden“, sagte er. Ganz offensichtlich wünsche der Wähler mehr kontroverse Diskussionen im Bundestag.

Viele Parteivorsitzende aus den CSU-Ortsverbänden hatten den Weg nach Neumarkt gefunden, darunter Benedikt Habermann aus Breitenbrunn. Er kommentierte das Wahlergebnis aus Sicht der CSU so: „Wir müssen wieder klar unsere Positionen und Themen vertreten, etwa zu geordneter Einwanderung. Das Erststimmenergebnis der Partei könne sich zwar noch sehen lassen, aber das Ergebnis bei den Zweitstimmen sei sehr schlecht.

Nun müssten alle demokratischen Parteien gemeinsam Verantwortung übernehmen und gemeinsam, mit viel Arbeit und Überzeugungskraft, gegen den rechten Schwung ankämpfen. Zum Schluss schaute noch der Neumarkter CSU-Bürgermeisterkandidat Richard Graf mit Ehefrau Tracy vorbei. Aber dessen Abschneiden lieferte auch keinen Grund die Stimmung aufzuhellen. Graf holte nur 25,5 Prozent der Stimmen bei der Wiederwahl von Oberbürgermeister Thomas Thumann (FW).