Wolnzach
Kartoffeln aus Bodenhaltung

"Bauer Willi" ruft Landwirte beim Kreisbauerntag auf, gegen ihr schlechtes Image anzukämpfen

21.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:37 Uhr
Der Hauptredner des Kreisbauerntags wollte, dass sich die Landwirte in die Situation des Verbrauchers versetzen, dessen Meinung es oft zu ändern gelte. Dabei solle man ihm aber stets auf Augenhöhe begegnen. −Foto: Brenner

Wolnzach (WZ) Rhetorik-Seminare für junge Landwirte, ein ehrlicher Dialog mit dem Verbraucher und mehr PR für die Sichtweise der Bauern – das hat sich der als „Bauer Willi“ bekannte Landwirt Willi Kremer-Schillings von seinen Zuhörern beim Kreisbauerntag gestern auf dem Volksfest gewünscht.

Konflikte mit Zugezogenen brachten den Landwirt mit Doktortitel dazu, sich politisch zu Wort zu melden, berichtet Kremer-Schillings vor mehreren Hundert Bauern und Interessierten. Sein rund 90 Hektar großer Betrieb steht in Rommerskirchen im Rheinland, einem Ort, in den in der Vergangenheit immer mehr Städter zogen. „Menschen, die fast nichts über das Leben eines Landwirts wissen“, so der Bauer. Immer wieder habe es Konflikte gegeben: „Die Leute haben sich direkt an das Ordnungsamt gewandt, wenn ich Gülle ausfuhr“, so Kremer-Schillings. „Einmal stand sogar die Polizei abends bei mir auf dem Feld – wegen Ruhestörung.“

Dieses Verhalten ärgerte den Bauern immer mehr, so dass er schließlich einen Brief an die Verbraucher verfasste, in dem er unter anderem ankreidete, dass die Leute zwar gerne nur noch Bio-Produkte kaufen wollten, aber nicht bereit seien, den Preis dafür zu bezahlen.

„Einfache Lügen sind leider leichter verständlich als komplizierte Wahrheiten.“

Willi Kremer-Schillings

 

Generell werde der Landwirt heutzutage aus verschiedenen Gründen immer mehr kritisiert. „Das Bild von uns Bauern ist zum einen die pure Idylle“, sagt Kremer-Schillings, „da gibt es viele Hochglanzmagazine, die ein völlig unrealistisches Bild von der Landwirtschaft zeichneten.“ Viele Menschen lehnten deshalb jede Veränderung der Natur ab und bekämen zum Beispiel über soziale Netzwerke Halbwahrheiten mit: „Der Bauer ist dann für alles verantwortlich: Schnäbelkürzen, Gentechnik, Nitrat im Grundwasser.“

Doch die Landwirte seien auch selbst Schuld an der Situation. Der Bauer habe die Gesellschaft nicht mit auf den Weg in die Agrarfabrik genommen, sagt Kremer-Schillings. Das müsse nun erfolgen. „Einfache Lügen sind leider leichter verständlich als komplizierte Wahrheiten.“ Dennoch sei es die Aufgabe der Landwirte, mit den Verbrauchern in Dialog zu treten. „Wir Landwirte sind Sprachökonomen, wir reden nur, wenn es unbedingt nötig ist“, sagt der Rheinländer. Das solle sich besser ändern. „Denn wer macht Meinungen? Der, der den Mund aufmacht!“

Ohne dass die Landwirte dies wirklich mitbekommen hätten, habe sich die gesellschaftliche Wahrnehmung geändert. Statistiken zeigten, dass der Fleischverzehr in Deutschland abnehme. Es sei heutzutage zum Beispiel absolut normal, auf Partys damit zu kokettieren, weniger Fleisch essen zu wollen. „Ich antworte dann immer: Ich esse ja auch weniger Fleisch. Dafür mehr Wurst.“

Viele Verbraucher hätten zudem überhaupt keine Ahnung, was ein Landwirt eigentlich tue. So habe ihn ein Bürger mal gefragt, zu welchem Zeitpunkt er bei der Kuh die 1,5 Prozent- fetthaltige Milch und wann die Milch mit 3,5 Prozent Fettanteil melke. Eine Frau habe bei einem Bekannten Kartoffelsamen kaufen wollen. „Als der Verkäufer dann mit fünf Kilo Pflanzkartoffeln wiederkam, protestierte sie zuerst, und bestand auf die Samen.“ Erst als er ihr dann erklärt habe, dass daraus Kartoffeln entstünden, habe sie eingewilligt, das einmal auszuprobieren. Als einige Landwirte bei der Geschichte zu lachen anfangen, mahnt Kremer-Schillings: „Wir dürfen nun nicht überheblich werden, sondern sollten das eher als Chance begreifen.“ Der Landwirt könne nun den Menschen erklären, wie sein Betrieb funktioniere.

Zudem rät „Bauer Willi“, sich auf keinen Fall gegen verbale Angreifer zur Wehr zu setzen. „Wenn jemand zu einem Schweinehalter sagt: Sie verdammter Tierquäler, dann sollte er denselben Satz als Frage zurückgeben.“ Nun müsse sich nämlich das Gegenüber erklären. „Lassen Sie die peinliche Stille ruhig aufkommen, Sie werden merken, viele entschuldigen sich danach.“ Solche Kniffe seien es, die die Bauernwelt nun unbedingt brauche. „Für Jungbauern wäre es heutzutage wichtig, ein Rhetorik-Seminar zu absolvieren.“

Aber auch eine andere Strategie könne zum Erfolg führen: Die Bauern müssten sich einfach positiver verkaufen, die Dinge anders als bisher machen: „Wieso schreiben wir nicht vegetarische Milch oder vegetarische Eier?“ Man könne vieles positiv formulieren, so wie es in anderen Branchen auch üblich sei. „Als ich im Internet ,Kartoffeln aus Bodenhaltung’ über einen Beitrag schrieb, bekam ich rund 80 000 Klicks“, berichtet Kremer-Schillings. „So lässt sich leicht auf unsere Themen aufmerksam machen.“