Berlin
Kanzlerin kommt aus der Deckung

Angela Merkel reagiert auf Nazi-Vergleiche aus Ankara und schließt Auftrittsverbote nicht aus

20.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:27 Uhr

Berlin (dpa) Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angesichts der auch gegen sie persönlich gerichteten Nazi-Vorwürfe aus Ankara indirekt mit einem Einreiseverbot für türkische Politiker gedroht. "Wir werden nicht zulassen, dass der Zweck die Mittel immer wieder heiligt und jedes Tabu fällt", sagte die CDU-Chefin gestern.

Sie verwies auf eine wenige Tage alte Verbalnote des Auswärtigen Amtes. Darin habe die Bundesregierung unmissverständlich mitgeteilt, dass Auftritte türkischer Politiker nur stattfinden könnten, wenn sie auf der Grundlage der Prinzipien des Grundgesetzes erfolgen.

"Andernfalls behält sich die Bundesregierung vor, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, einschließlich einer Überprüfung der mit dieser Note erteilten Genehmigung", fügte die Kanzlerin hinzu. "Und ich sage das, um daran nochmal zu erinnern und deutlich zu machen, dass das nach wie vor so gilt, wie wir es in dieser Verbalnote formuliert haben." Im Umkehrschluss kommt eine negative Entscheidung der Regierung quasi einem Einreise- und Auftrittsverbot für türkische Politiker gleich.

Die Kanzlerin betonte nach ihrer Begegnung mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe auf der Cebit in Hannover nochmals: "Mein Satz, dass die Nazi-Vergleiche vonseiten der Türkei aufhören müssen, gilt. Und zwar ohne Wenn und Aber." Leider hätten diese Nazi-Vergleiche aber nicht aufgehört. Die Regierung werde nicht zulassen, dass jedes Tabu falle ohne Rücksicht auf das Leid der Opfer des Nationalsozialismus.

Hintergrund der Reaktion Merkels sind Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Er hatte Merkel am Sonntag erstmals persönlich "Nazi-Methoden" vorgeworfen. Der türkische Staatschef kämpft auch bei Landsleuten in Deutschland um Zustimmung zu einem ihn selbst stärkenden und höchst umstrittenen Verfassungsreferendum. Erdogan sagte an Merkel gerichtet: "Du wendest auch gerade Nazi-Methoden an." Mit Blick auf Europa sagte Erdogan weiter, dort könnten "Gaskammern und Sammellager" wieder zum Thema gemacht werden, aber "das trauen sie sich nur nicht".

Der frisch gekürte SPD-Kanzlerkandidat und Parteichef Martin Schulz sagte gestern in einem TV-Interview: "Es ist nicht zum ersten Mal so, dass ich einen Nazi-Vergleich der Regierungschefin unseres Landes gegenüber zurückweisen muss." Was Erdogan mache, sei "eine dreiste Unverschämtheit". Nichtsdestotrotz bleibe die Türkei "ein Schlüsselland in der Region, und sie bleibt weiter ein Partner für die Bundesrepublik". ‹ŒKommentar Seite 2