Pfaffenhofen
Kampf um die Meinungshoheit

Widersprüchliche Stimmungsbilder verschärfen Debatte um Sperrung der Hauptplatzdurchfahrt

12.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:58 Uhr
Das Ergebnis der Umfrage der Interessengemeinschaft Mobilitätswende wird nächste Woche veröffentlicht. −Foto: Brenner

Pfaffenhofen (PK) Zwischen Befürwortern und Gegnern der geplanten Sperrung der Hauptplatzdurchfahrt ist ein regelrechter Kampf um die Meinungs- und Deutungshoheit entbrannt. Lautstark wähnen beide Seiten die Mehrheit der Bürger hinter sich - trotz mitunter eher fragwürdiger Stimmungsbilder.

Bürgermeister Thomas Herker (SPD) hat zuletzt wiederholt Zustimmungswerte zum von seiner Bunten Koalition gefassten Plan genannt, den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt zu verbannen: Mal 75, mal 80, mal 90 Prozent. Der CSU-Ortsverband als Gegner einer Sperrung wähnt allerdings ebenfalls die Mehrheit der Bürgerschaft hinter sich - und verweist auf den großen Zuspruch für das Bürgerbegehren "Lebendiger Hauptplatz ohne Hindernisse", das die Christsozialen gemeinsam mit einigen Innenstadt-Geschäftsleuten gestartet haben: Mittlerweile sind rund 2100 Unterschriften von Pfaffenhofener Bürgern zusammen. Die Hürde für einen Bürgerentscheid gilt damit längst als genommen.

Derweil treibt die Debatte über die für Spätsommer 2018 angekündigte Verkehrsberuhigung mitunter seltsame Blüten. Die ideologischen Gräben sind nach der deftigen Stadtratsdebatte im November tief - auch wegen des rüden Tonfalls, mit dem Bürgermeister Herker die CSU beharkte, bis sie ihre anfängliche Kompromissbereitschaft aufgab. Inhaltlich scheinen weite Teile der Bunten Koalition das Thema seither lieber aussitzen zu wollen. Lediglich SPD-Chef Markus Käser ist öffentlichkeitswirksam um Schadensbegrenzung bemüht und wirbt für Kompromisse - ohne aber von der Durchfahrtsperre als ersten Schritt abrücken zu wollen. Und die neu gegründete "Interessengemeinschaft Mobilitätswende", die sich als gesellschaftliche Initiative selbst als "Stimme für nachhaltige Mobilität" und für Alternativen zum individuellen Pkw-Verkehr versteht, sieht sich trotz hehrer Ziele dem Vorwurf ausgesetzt, durch eine als tendenziös kritisierte Umfrage lediglich Steigbügelhalter für Herkers Verkehrsberuhigungspläne zu sein. Ein belastbares Meinungsbild der Bürgerschaft gibt es bislang nach wie vor nicht. Denn die nicht repräsentativen Befragungen liegen in ihren Ergebnissen meilenweit auseinander - je nach Fragestellung.

"Die Umfrage ist im Vornherein darauf angelegt, dass am Ende das für die Bunte Koalition gewünschte Ergebnis herauskommt."

Christian Moser (CSU), Sprecher des Bürgerbegehrens

 

 

Bekanntlich hat der Stadtrat in seiner Novembersitzung mit 18:12 Stimmen die "Herausnahme des Durchgangsverkehrs aus der unmittelbaren Innenstadt, damit verbunden die Entkoppelung von oberem und unterem Hauptplatz und die Sperrung von Hofberg und Frauenstraße für den Durchgangsverkehr" als ersten Schritt der Umsetzung des neuen Verkehrskonzepts beschlossen. Vier Tage später hat unsere Zeitung bei einer ausdrücklich nicht repräsentativen Umfrage in einem sozialen Netzwerk ein erstes Stimmungsbild eingeholt. Frage: "Soll der Pfaffenhofener Hauptplatz für den Durchgangsverkehr gesperrt werden?" Rund 400 Stimmen wurden abgegeben. Etwa 60 Prozent sprachen sich gegen eine Sperrung der Hauptplatzdurchfahrt aus.

Bürgermeister Thomas Herker (SPD) hingegen will auf der jüngsten Bürgerversammlung bei einer spontanen Umfrage mit Handzeichen eine Mehrheit von 80 bis 90 Prozent für seine Pläne ausgemacht haben - auch wenn die Videoaufnahmen der Veranstaltung das angesichts vieler Enthaltungen nicht so ohne Weiteres belegen. Seine Fragestellung lautete: "Wer glaubt, dass man dem Verkehr so in Pfaffenhofen nicht mehr zuschauen kann und die Verlagerung des Innenstadtverkehrs möglichst verträglich nach außen der gebotene Weg ist?" Skurril wird es kurz vor Weihnachten: Bürgermeister Herker, der dem PK-Stimmungsbild zuvor noch mangelnde Seriosität und der Zeitung eine Kampagne unterstellt hat, beruft sich auf einen Fernsehbeitrag des Bayerischen Rundfunks von Mitte November: Darin werden vier Wochenmarktbesucher zum Thema befragt. Drei finden eine Sperrung gut, eine nicht. Herker folgert in einem sozialen Netzwerk: 75 Prozent Zustimmung.

Mit bemerkenswerten prozentualen Stimmungsbildern hat zuletzt auch die Interessengemeinschaft Mobilitätswende jongliert, als sie Zwischenstände ihrer Hauptplatzumfrage veröffentlichte - und dem eigenen Anliegen dadurch womöglich eher schadete: Demnach möchten in Summe 71 bis 75 Prozent aller Befragten keinen Bürgerentscheid. Diese Interpretation ist allerdings gewagt, weil die Fragestellung eigentlich umgekehrt formuliert ist: Auf die Frage "Welche Art der Bürgerbeteiligung halten Sie 2018 in dieser Variantenfrage für sinnvoll?" gab es drei positiv formulierte Antwortmöglichkeiten: "Bürgerumfrage an alle Haushalte mit mehreren Varianten durch die Stadtverwaltung" oder "Bürgerentscheid mit Ja oder Nein zum Durchfahrtsverkehr" oder "Ich würde die Entscheidung dem Stadtrat überlassen".

Seitens der Bürger gab es noch weitere Kritik an den Vorab-Zahlen der IG: Laut Zwischenstand hätten bei der Umfrage die meisten für eine Hauptplatz-Variante mit Parkplätzen, aber ohne Durchgangsverkehr gestimmt. Tatsächlich aber wurden die Ergebnisse zweier verschiedener Varianten für diese Aussage zusammengerechnet - in Summe 36 Prozent. Unklar ist, ob ohne diesen Kniff nicht die Antwort "die nächsten fünf Jahre nichts verändern" (23 bis 26 Prozent) vorne gelegen hätte. Denn die einzelnen Zahlen wollte die IG auch auf Anfrage nicht vor Abschluss der Endauswertung veröffentlichen. Sprecher Reno Wohlschläger, der in der Sache um parteipolitische Neutralität bemüht und nach eigenem Bekunden nicht selbst Verfasser der Zwischenstände ist, verweist auf das Ende der Umfrage am 16. Januar. Danach erst werde das Ergebnis ausgewertet.

"Ich hoffe, dass wir ein aussagekräftiges Ergebnis bekommen."

Reno Wohlschläger, IG-Sprecher

 

Die CSU reagiert indes angesäuert. "Wir halten die Umfrage für tendenziös", wirft der Ortsvorsitzende Christian Moser der IG Mobilitätswende vor. "Sie ist im Vornherein darauf angelegt, dass am Ende das für die Bunte Koalition gewünschte Ergebnis herauskommt." Grundsätzlich wäre eine so aufwendige Umfrage zum Pfaffenhofener Hauptplatz vor der ganzen Diskussion und der Entscheidung im Stadtrat wünschenswert gewesen, so Moser - "aber nicht von Privatpersonen, sondern von der Stadt selbst". Leider sei die Umfrage in vielen Teilen wertlos. Einerseits, weil eine mehrfache Teilnahme möglich sei. Andererseits auch wegen der abgefragten Varianten: "Was bringt eine Umfrage zum Hauptplatz, wenn die Alternative unseres Bürgerbegehrens, für die sehr viele Pfaffenhofener Bürger unterschrieben haben, gar nicht abgefragt wird?", fragt Moser. Teilnehmer hätten nur die Wahl zwischen "Fünf Jahre nichts tun", drei Varianten, die eine Sperrung des Durchgangsverkehrs vorsehen und einem komplett autofreien Unteren Hauptplatz. Die Alternative des Bürgerbegehrens "Lebendiger Hauptplatz ohne Hindernisse" mit Durchgangsverkehr, aber breit angelegtem verkehrsberuhigten Bereich tauche nicht auf, obwohl die Fragestellung des Bürgerbegehrens schon vor Veröffentlichung der Umfrage bekannt gewesen sei. Das werfe die Frage auf, welchen Zweck die Umfrage tatsächlich verfolge: "Wir glauben, damit soll versucht werden, im Nachhinein dem voreiligen Stadtratsbeschluss den Touch von Legitimität durch die Bürger zu geben - mit mäßigem Erfolg", so Moser.

IG-Sprecher Wohlschläger kann die Kritik nicht nachvollziehen: "Wir haben versucht, möglichst offen zu fragen", erklärt er. Und so gebe es bei der Umfrage auch ein freies Feld für andere mögliche Varianten. Einmal mehr bittet er darum, das Ende der Umfrage abzuwarten. "Ich hoffe, dass wir dann ein aussagekräftiges Ergebnis bekommen", sagt der Pfaffenhofener, der sich als Vielradler und unabhängiger Bürger für die IG engagiert. Er für seinen Teil sieht die Umfrage vor allem als weitere Diskussionsgrundlage. Und daher wolle er nur eindeutige Zahlen vermelden - und zwar kommende Woche.

Und noch etwas steht kommende Woche an: der Versuch der Stadt, die zerstrittenen Seiten wieder an einen Tisch zu bringen. Nach Informationen unserer Zeitung hat Bürgermeister Herker die Fraktionsspitzen des Stadtrats sowie Vertreter des Bürgerbegehrens und der IG Mobilitätswende zu einer Gesprächsrunde eingeladen. Schließlich besteht unter den Parteien ja eine grundlegende Einigkeit, dass Verkehrsberuhigung in der Pfaffenhofener Innenstadt geboten wäre. Ob nach den zurückliegenden Eskapaden und ehrenrührigen Wortmeldungen ein Kompromiss doch noch möglich sein kann, bleibt aber abzuwarten.