Eichstätt
Kaleidoskop der vergessenen Orte

Rainer Sülflow erinnert in der Eichstätter Galerie Bildfläche an das Grauen des Krieges

19.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:56 Uhr

Foto: DK

Eichstätt (DK) Die Wände sind voll. Eng gehängt ist die aktuelle Ausstellung in der Galerie Bildfläche in Eichstätt. Eine Fülle an Landschaften, an Ansichten und Aussichten. An überwuchertem Leid, an Orten, an denen Tragödien stattfanden. Millionenfach. Der Fotograf Rainer Sülflow hat sich aufgemacht, ist durch Europa gereist an die Schauplätze der Kriege und stellt diesen Zeugnisse des Grauens und des Entsetzens Texte von Zeitzeugen zur Seite. Von jungen Männern, von Schriftstellern, wie Erich Maria Remarque. Tagebücher, Briefe, Zeitungsartikel. Gedanken, Erinnerungen. Hoffnung, Verzweiflung.

Wüsste man nicht um die Dramatik dieser Orte, würde man Bilder des Friedens sehen. Spektakuläre Berge in den Dolomiten, schimmerndes Meer in Silbergrau, Berge von Rüben, saftiges Grün, schattige Wälder. Landschaften zwischen Eismeer und Balkan, von der Normandie bis an die Oder, von Flandern bis nach Norwegen. Es sind menschenleere Bilder, teils rätselhaft, aber niemals Kriegsbilder. Es geht nicht um militärhistorische Genauigkeit von Kampfhandlungen und Frontverläufen.

Und doch: Es sind Bilder von der "Hölle von Verdun", von der Grenze zwischen Serbien und Bosnien, von "Omaha Beach", vom Monte Piana in den Dolomiten, wo sich im Ersten Weltkrieg ein fürchterlichen Stellungskrieg abspielte. Es ist Kirkenes in Norwegen, der Hürtgenwald und die Seelower Höhen im heutigen Brandenburg. Im Frühjahr 1945 standen sich im Oderbruch und auf dem Höhenzug Hunderttausende Soldaten, 14 000 Geschütze, 5000 gepanzerte Fahrzeuge und die gleiche Anzahl an Flugzeugen gegenüber. Das erfährt man nicht, muss man auch nicht. Sülflow stellt neben die Fotografie unter anderem den Tagesbefehl von Adolf Hitler vom 15. April 1945.

Rainer Sülflow dokumentiert die Gegenwart und führt den Betrachter in die Vergangenheit, er zeigt subtil und unausweichlich im Zusammenspiel mit den erschütternden Texten das Unermessliche und Unfassbare des Krieges. Das alles ohne mahnenden Zeigefinger. "Zwischenstille - Ein Schlachtfeldbesuch" ist Erinnern an Schicksale und gleichermaßen Mahnung, nicht zu vergessen. Ein Kaleidoskop der verlorenen Orte, überwucherte Historie. Bei der Vernissage der Ausstellung in Eichstätt hat Rainer Sülflow gesagt, dass er sich als Nachkriegskind wünschen würde, "dass das bald jeder auf der Welt sagen kann".

Der 1952 in Hannover geborene Fotograf hat mit der Ausstellung - wie bereits mit seinem originellen Fotobuch "Fußballplätze in Deutschland" oder dem deutschlandweiten Projekt "Land in Sicht" - eindrücklich bewiesen, dass er mit seinen reduzierten Fotografien das Kopfkino in Bewegung setzt, dass er die Dinge hinter dem Sichtbaren erspürt und eine Bühne für Geschichten und Geschichte bietet.