Ingolstadt
Junger Mann unter engmaschigen Auflagen in Freiheit entlassen

Nach Brandstiftung im Klinikum Ingolstadt

09.08.2018 | Stand 23.09.2023, 4:21 Uhr
Symbolbild Gericht −Foto: David-Wolfgang Ebener/dpa

Ingolstadt (DK) Er hatte mit seiner Brandstiftung für helle Aufregung und große Gefahr in der Psychiatrie des Klinikums gesorgt, doch er handelte im Wahn und deshalb im Zustand der Schuldunfähigkeit. Jetzt hat die 5. Strafkammer des Landgerichts gegen einen jungen Kurden zwar die Unterbringung in einer Fachklinik verfügt, diesen Beschluss aber zugleich zur Bewährung ausgesetzt. Er konnte den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.

Wie bereits zum Prozessauftakt in der vergangenen Woche in Erinnerung gerufen, hatte im vorigen November die komplette Station 35 des Klinikums geräumt werden müssen, als ein Feuer einen Isolationsraum vollkommen zerstörte und der Rauch sämtliche Zimmer verrußte und Erstickungsgefahr für 24 Patienten und das Personal heraufbeschworen hatte. Als Verursacher gilt der junge Kurde, der in dem Isolationsraum, in dem er nur maximal eine halbe Stunde verbleiben sollte, auf bislang offenbar nicht offiziell geklärte Weise Bettzeug entflammt hatte.

In der Folge hatten zwei Patientinnen und ein Streifenpolizist leichte Rauchvergiftungen erlitten, und wenn das Stationsteam und die Feuerwehr nicht so zügig gehandelt hätten, wäre womöglich noch weitaus Schlimmeres passiert. Allein die Schadenshöhe von einer runden Viertelmillion Euro und die mehrmonatige Renovierungszeit sagen einiges über die Ausmaße des Vorfalls aus.

Der Täter - er gab sein Alter vor der Strafkammer mit 19 Jahren an und wurde dementsprechend nach Jugendstrafrecht behandelt - leidet seit mehreren Jahren an einer paranoid halluzinatorischen Schizophrenie, wegen der er schon vor der Brandstiftung wiederholt im Klinikum behandelt worden war. Allerdings hatte er verordnete Medikamente wohl nicht regelmäßig und letztlich gar nicht mehr eingenommen, so dass es kurz vor der Tat zu einem heftigen Krankheitsschub gekommen war. Gegenüber einer Gutachterin und auch vor Gericht hatte der junge Mann, der 2016 aus der Türkei nach Deutschland eingereist war und um Asyl angehalten hatte, von inneren Stimmen gesprochen, die ihn beeinflusst hätten.

Weil er nach seiner vorläufigen Unterbringung im psychiatrischen Klinikum München-Ost in Haar unter geregelter Medikation gute Fortschritte gemacht hat und nach Aussagen des behandelnden Arztes überhaupt nicht mehr auffällig ist, stand für alle Verfahrensbeteiligten die Frage im Raum, ob der schuldunfähige Brandstifter unter strengen Auflagen in die Freiheit entlassen werden kann. Das haben letztlich nicht nur die Verteidigung, sondern auch Staatsanwaltschaft und das Gericht befürwortetet.

Die Plädoyers lautete gleichermaßen auf Unterbringung bei gleichzeitiger Aussetzung eines solchen Beschlusses zur Bewährung. Dem Gericht wurde eine entsprechende Entscheidung auch insofern erleichtert, als die Regierung von Oberbayern dem Asylbewerber auf Betreiben seiner Anwältin ab dem 13. August einen Platz in einer Sammelunterkunft in der Region zugewiesen hat. Er wird also sofort einen (vom Gericht geforderten) festen Wohnsitz haben, sobald er die Klinik in Haar, in der er nun noch einige Tage freiwillig verbleibt, verlässt.

Die Kammer hat als Absicherung für ihren Bewährungsbeschluss ein engmaschiges Netz aus Auflagen gewoben, die der junge Kurde nun langfristig erfüllen muss, wenn er in Freiheit bleiben will. Unter anderem muss er durch regelmäßige medizinische Checks nachweisen, dass sein Körper hinreichend mit Psychopharmaka versorgt ist, die seine Krankheit eindämmen, und auch Drogenscreenings wurden verordnet.

"Sie waren schwer erkrankt und sind es im Prinzip immer noch", rief Vorsitzender Thomas Denz dem Patienten in Erinnerung. Es sei völlig klar, dass der Asylbewerber "unbehandelt eine Gefahr für die Allgemeinheit" darstelle und deshalb bei Missachtung der Auflagen oder bei neuen Straftaten unweigerlich im geschlossenen Regelvollzug landen werde. Für fünf Jahre ist der junge Mann laut Beschluss einer Führungsaufsicht unterstellt. Die Kosten des Verfahrens gehen zu Lasten der Staatskasse.

Wie es ausländerrechtlich mit dem Kurden weitergeht, konnte das Gericht nicht absehen.Vorsitzender Denz wagte allerdings die Prognose, dass das Asylverfahren wohl nicht ganz glatt verlaufen dürfte.

Bernd Heimerl