London
Junge Wilde

Deutsche Kanuten haben erneut groß aufgetrumpft und zwei weitere Goldmedaillen geholt

09.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:11 Uhr

London (dapd) Die deutschen Kanuten haben paarweise olympisches Gold gewonnen. Kurt Kuschela und Peter Kretschmer im Zweier-Canadier sowie Franziska Weber und Tina Dietze im Zweier-Kajak paddelten in Eton zu Olympiasiegen.

Um Reiner Kießler aus der Ruhe zu bringen, muss schon einiges passieren. Über 100 Medaillen hat der erfolgsverwöhnte Deutsche Kanu-Verband (DKV) bei Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen geholt, seit der 60-Jährige Bundestrainer ist. Gestern sprang Kießler laut jubelnd durch die Mixed Zone an der Regattastrecke von Eton Dorney, gerade war etwas ganz Besondere passiert: Tina Dietze und Franziska Weber im Zweierkajak sowie Peter Kretschmer und Kurt Kuschela im Zweiercanadier hatten olympisches Gold gewonnen und nebenbei einen Generationenwechsel im Verband abgeschlossen, der sich zuvor bereits angedeutet hatte. „Wir hatten zwischen den Spielen eine Erneuerungsquote zwischen 50 und 60 Prozent, das ist auch das Geheimnis unseres Erfolges. Denn wir gehen nicht nach Nase, sondern nach Leistung“, sagte DKV-Präsident Thomas Konietzko und traf den Nagel auf den Kopf. Im internen Entscheid hatten sich Kretschmer/Kuschela gegen die amtierenden Weltmeister Stefan Holtz und Stefan Wylenzek durchgesetzt, und auch Dietze/Weber sitzen erst seit dem vergangenen Jahr im selben Boot. „Es geht uns immer darum, die nächste Generation einzubinden. Aus dieser ständigen Bewegung entsteht bei uns die Motivation, immer Höchstleistungen zu bringen“, sagte Kießler.

Bereits tags zuvor hatte sich das Nachwuchssystem des DKV bewährt, als Sebastian Brendel im Einercanadier ebenfalls zu Gold gepaddelt war. Statt der erwarteten Goldboote – Zweierkajak der Männer und Viererkajak der Frauen – standen nun also fünf Olympia-Neulinge ganz oben auf dem Podest.

„Ich glaube, ich werde erst heute Abend im Bett so richtig realisieren, was da passiert ist“, sagte Kuschela, der so kurz nach der Goldfahrt das Erlebte erst einmal verdauen musste. Zu Beginn des Rennens hatte alles nach einer klaren Angelegenheit ausgesehen: Aserbaidschan und Russland würden Gold unter sich ausmachen, das deutsche Boot eventuell einen Achtungserfolg erzielen. „Aber dann haben wir gesehen, dass die Aserbaidschaner nicht mehr können – da haben wir noch mal richtig Gas gegeben“, sagte der Potsdamer. „Ich habe nichts mitgekriegt, ich war wie in Trance. Der Endspurt war grandios“, fasste sein erst 20 Jahre alter Mitstreiter Kretschmer treffend zusammen. Auf den letzten 200 Metern überholten die EM-Zweiten nicht nur die Konkurrenz, sondern hatten im Ziel fast eine halbe Länge Vorsprung auf das weißrussische Boot, das ebenfalls einen beachtlichen Zielsprint hinlegte.

Fast ebenso unerwartet kam die Goldmedaille für Weber/Dietze. Zwar hatten die Olympia-Zweiten aus dem Vierer bereits mit ihrem zweiten Platz bei der WM im vergangenen Jahr gezeigt, was in ihnen steckt, Platz vier bei der diesjährigen EM hatte die Erwartungen aber wieder gedämpft. Und das war auch gut so. „So konnten wir uns selbst sagen, dass wir hier einfach alles genießen wollen. Ohne Druck haben wir dann das perfekte Rennen hingelegt, Wahnsinn“, sagte die Leipzigerin Dietze. Und auch Weber kam nach dem souveränen Start-Ziel-Sieg nicht mehr aus dem Staunen heraus: „Das ist so unfassbar. So was wie heute haben wir noch nie geschafft.“

Undankbare Vierte wurden derweil Marcus Groß, Norman Bröckl, Tim Wieskötter und Max Hoff im Viererkajak. Die Herren legten zwar ebenfalls einen fulminanten Endspurt hin, schafften es aber nicht mehr, die zuvor entstandene Lücke auf Australien, Ungarn und Tschechien zu schließen. „Wir sind natürlich enttäuscht. Ich habe zwar schon meine Medaille, aber für die anderen Jungs tut es mir leid“, sagte Hoff, der tags zuvor Bronze im Einerkajak geholt hatte.

Bei den Frauen sicherte sich über 500 Meter die Ungarin Danuta Kozak die Goldmedaille. Die Italienerin Josefa Idem, die in den achtziger Jahren noch für Deutschland gestartet war, kam bei ihrer achten Olympia-Teilnahme auf Rang fünf. Katrin Wagner-Augustin, viermalige Olympiasiegerin aus Potsdam, hatte im Halbfinale das Rennen um die Medaillen verpasst.

Insgesamt haben die Kanuten vor den vier Sprint-Wettbewerben schon sechs Medaillen eingefahren: Dreimal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze. Das erklärte Ziel sind sieben Medaillen wie in Peking, als es allerdings lediglich zwei Olympiasiege gegeben hatte. Diesbezüglich hat sich der DKV schon gesteigert.