Ingolstadt
Junge Konzepte

Die Kfz-Branche rüstet sich für das Geschäft mit dem längst nicht mehr so autobegeisterten Nachwuchs

18.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:45 Uhr
Neues Leihkonzept: Andreas Reiser, Geschäftsführer von Wittmann & Hofmann (links) und Mitarbeiterin Lisa Bitzl mit Tobias Stehle und Michael Menrad von District Five bei der Fahrzeugübergabe. −Foto: Foto: Eberl

Ingolstadt (DK) Die Kfz-Branche im tiefen Wandel - nicht nur bei der Fahrzeugtechnik, sondern auch bei Vertriebsmodellen. In Ingolstadt hat diese Woche ein großes Autohaus ein auf neue Kundenbedürfnisse zugeschnittenes Mietkonzept für seine Modelle vorgestellt. Als Zielgruppe sind vor allem junge Leute im Visier, die längst nicht mehr durchweg so vernarrt ins Auto sind wie weite Teile der Vorgängergenerationen.

Wer heute als junger Mensch den Führerschein in der Tasche hat, will deshalb noch lange nicht unbedingt ein eigenes Auto vor der Tür stehen haben. Die erste ausschließlich mit dem Internet und Handykommunikation aufgewachsene Generation schätzt eher Verfügbarkeit bei Bedarf - sowohl bei digitalen Dienstleistungen als auch in Sachen Mobilität. Car-Sharing, also die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen über entsprechende Vereine oder kommerzielle Anbieter ist in den Ballungsräumen längst auf dem Vormarsch. Und da und dort auf Papas oder Muttis Auto zurückzugreifen, ist ohnehin die einfachste Methode, in Sachen fahrbarer Untersatz den eigenen Geldbeutel zu schonen.

Die Autoindustrie und die mit ihr in Schicksalsgemeinschaft verbundenen Kfz-Händler können die zunehmende Distanz der potenziellen Nutzer zu ihren Produkten nur mit Sorge beobachten. Neue Lockmittel müssen her, um die Absatzchancen auf dem Inlandsmarkt auch auf längere Sicht zu wahren. Einige Hersteller geben ihren Vertragshändlern bereits erste Handlungsstrategien vor, manche Autohäuser setzen sich von selbst neue Ziele, um den Umsatz zu halten.

Als Anfang der Woche an der Donaustraße frühabendlich einiges Buhei um schön aufgereihte Neufahrzeuge verschiedener Marken und Klassen gemacht wurde, hatte das mit genau solch einem neuen Marketingkonzept aus der Branche zu tun: Die Autohaus-Gruppe Wittmann & Hofmann, in Ingolstadt und der Region vor allem als VW-, BMW- und Porsche-Händler gut bekannt, feierte die erste Fahrzeugübergabe nach ihrem "Carship"-Konzept. Kunde Nummer 1: Die Kaffeehausbetreiber des District Five, die einen VW-Lieferwagen übernahmen. Das Fahrzeug ist nicht gekauft und nicht geleast, sondern gemietet. Wenn es gewünscht ist, wird es nach der vereinbarten Laufzeit vom Händler zurückgenommen.

Wittmann & Hofmann hat die Strategie für das neue Angebot auch maßgeblich im District Five vorangetrieben - in Workshops, die auch die Entwicklung einer eigenen App für das Projekt beinhaltet haben, über neun Monate hinweg. Denn in den ganz überwiegend jungen Kaffeehausbesuchern sieht Geschäftsführer Andreas Reiser sein Zielpublikum: Hippe Leute zwischen 20 und 30, die das Leben in der Stadt lieben und neuen Trends gegenüber aufgeschlossen sind - und mit dem Handy durchs Leben gehen.

"Carship" ist offensichtlich kein halbherzig in die Welt entlassener Versuchsballon, sondern soll laut Reiser eine Zukunftssäule des Unternehmens werden. Das Autohaus wirbt geschickt auf mehreren Ebenen für sein zusätzliches Angebot, das mit Mindestlaufzeiten von sechs Monaten zwar nicht unbedingt preiswerter, aber sehr viel flexibler als gängige Leasingmodelle sein soll. Wer nach dem Stichwort googelt, wird schnell fündig; wer im einen oder anderen Biergarten etwas genauer auf sein Bierfilzl schaut, findet den neuen Service dort angepriesen - mit Netzadresse, versteht sich.

"Wir wollten einfach mal weg vom konventionellen Autohaus und uns breit für neue Zielgruppen aufstellen, für junge Menschen, die sich gar nicht mehr so intensiv mit Autos beschäftigen wollen", sagt Reiser. Dass das Unternehmen damit allmählich vom Autoverkäufer zum puren Autovermieter wird, ist sicher nicht zu erwarten, doch möchte man offensichtlich nicht eine Chance ungenutzt lassen.

Gut möglich aber, dass es bei solch neuen Dienstleistungen eine gewisse Größe sowohl des Anbieters als auch des urbanen Umfeldes braucht. Auf dem flachen Land, da sind sich Beobachter sicher, werden (nicht nur) junge Leute noch länger aufs langfristig verfügbare eigene Auto setzen wollen. Dort, wo die Nahverkehrsangebote in der Regel bescheiden sind, hat die eigenen "Karre" noch nicht so an Strahlkraft verloren, ist sie noch das alte Statussymbol.

Deshalb ist Signot Tyroller, Chef bei der Ingolstädter Mercedes-Benz-Vertretung Praunsmändtl, auch davon überzeugt, dass Leihkonzepte, die ganz auf die Wünsche junger Kunden abgestimmt sind, eher in ausgesprochenen Großstädten greifen werden und weniger in Regionen mit ländlicher Prägung, zu denen nun mal auch das weite Ingolstädter Umland zählt. "Die urbane Mobilität wird sich dramatisch verändern", ist sich Tyroller sicher, doch sieht er diese Entwicklung vor allem für die Metropolen voraus und nicht zwangsläufig für kleinere Großstädte wie Ingolstadt.

Der Geschäftsführer verweist allerdings auf längst eingeführte Leihangebote im eigenen Unternehmen, wo man "von einem Tag bis zu vier Jahren" passgenaue Lösungen finden könne. Insofern habe der jetzt beim Konkurrenten gestartete Service sicher keinen Alleinstellungscharakter.

Ausgesprochen junge Kundschaft sieht Tyroller ebenso wie sein Mitbewerber Christian Meyer-Günderoth, Geschäftsführer beim Audi-Zentrum Karl Brod, indessen bislang nicht im Zentrum der Überlegungen, sich auf den Markt der Zukunft vorzubereiten. Was nicht heißen soll, dass man die offensichtlichen Trends unter jüngeren potenziellen Kunden nicht im Blick behält.

Auch bei Brod gibt es seit Jahren ein Leihgeschäft, dessen Nutzer aber laut Meyer-Günderoth allen Altersschichten angehören. Zeitlich sei man bei Verträgen sehr flexibel - "wir bieten alles an". Allerdings muss man bei Mercedes- und Audi-Händlern, die generell im Premiumsegment unterwegs sind, auch die preislichen Hürden sehen, die sich für Berufs- und Fahranfänger auftun. Wenn nicht Geld von der Familie im Spiel ist, wird sich kaum ein blutjunger Kunde gleich ein Oberklassemodell (mit dann auch höheren Mietforderungen) ans Bein binden können. Da tun sich Händler wie Wittmann & Hofmann, die zwar auch "große Schlitten" von Porsche und BMW im Programm haben, mit kleinen VW-Modellen wahrscheinlich wesentlich leichter.

Ein Kundenkreis, der die Leihangebote der Händler gerne nutzt, sind übrigens Firmen. Sie wollen für neue Mitarbeiter, denen ein Dienstfahrzeug gestellt werden soll, während der Probezeiten oft nicht gleich Leasingverträge mit längeren Laufzeiten abschließen.
 

Bernd Heimerl