Der
Jugendstil beim Club

09.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:40 Uhr

Der 1. FC Nürnberg hat die schwierige Personalsituation genutzt und setzt
erfolgreich auf den eigenen Nachwuchs. Gelingt auf diese Weise ein Heimsieg gegen Eintracht Braunschweig, wäre sogar der Aufstieg wieder ein Thema.

Nürnberg (DK) Als Thorsten Kirschbaum in dieser Woche auf seine momentane Rolle als Club-Ältester angesprochen wurde, gab der Nürnberger Torhüter zunächst den Überraschten. "Was, ich", fragte Kirschbaum. "Ich dachte, das wäre der Georg Margreitter. Der hat doch schon so viele graue Haare." In Wahrheit ist Margreitter 28, Kirschbaum wird im April 30. Beide liegen damit deutlich über dem aktuellen Altersschnitt der Club-Mannschaft.

Auch der besagte Margreitter, bei dem (nur bei genauem Hinsehen) tatsächlich das eine oder andere graue Haar hervorblitzt, begrüßte nach dem 3:2-Auswärtssieg in Heidenheim den neuen Jugendstil beim FCN. "Unsere Jungen haben super verteidigt und dann auch noch die Tore gemacht. Das ist schon eine richtig coole Story und freut mich für die Burschen", sagte er. Die "Burschen", von denen der Österreicher spricht, heißen Patrick Kammerbauer (19), Dennis Lippert (20), Lukas Mühl (20) und Abdelhamid Sabiri (20). Alle vier sind beinahe halb so alt wie Club-Legende und Ersatztorhüter Raphael Schäfer (38). In Heidenheim liefen die Franken dank ihnen mit der jüngsten Mannschaft des Zweitliga-Spieltages auf (24,8 Jahre).

"Egal, wo ich bisher Trainer war: Ich habe immer junge Spieler eingebaut", erzählt Trainer Alois Schwartz. "Man muss nur immer abwarten, wann der beste Zeitpunkt dafür ist", sagt er. In Nürnberg ist dieser Zeitpunkt offenbar gekommen. Denn während der beste Scorer, Guido Burgstaller, in der Winterpause verkauft wurde und die Verletztenliste nicht kleiner wird, hat der Club die Chance, auf den eigenen Nachwuchs zu setzen, notgedrungen für sich genutzt.

Kammerbauer ist das wohl beste Beispiel für diesen Zeitpunkt. Schon in Stuttgart stand der 19-Jährige im November in der Startelf, war den Anforderungen damals noch nicht in vollem Umfang gewachsen. Mit Kurzeinsätzen wurde er wieder an die Startelf herangeführt, gab in Heidenheim einen grundsoliden Rechtsverteidiger, der noch dazu den Treffer zum 2:1 erzielte. "Er steht ganz anders auf dem Feld", lobt Schwartz. Gleiches gelte für Mühl, Lippert habe ein gelungenes Debüt gezeigt, "und dann macht der kleine Sabiri auch noch zwei Tore", sagt der Trainer grinsend.

Der Deutsch-Marokkaner Sabiri ist in der Tat so etwas wie der Shootingstar. Sein Aufstieg verlief rasant: Zwölf Tore in 21 Spielen für die Regionalliga-Mannschaft, eine Blitzbeförderung zu den Profis in der Winterpause, die schließlich zum Doppelpack in Heidenheim führte. Selbstbewusst sagt Sabiri Sätze wie: "Ich bin nicht Guido Burgstaller, ich bin Abdelhamid Sabiri", oder "Das Tor steht überall gleich, ist gleich hoch und gleich breit."

Heute Abend (18.30 Uhr), beim Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig, kann der Club eine gesunde Portion dieses Übermuts sicher gebrauchen. Man werde dennoch nicht "mit Pauken und Trompeten loslegen, um dann wie im Hinspiel ausgekontert zu werden", betont Schwartz. Damals hätte die Eintracht den Club beim 6:1 "teilweise vorgeführt", erinnert er sich. Natürlich sei die Mannschaft deshalb auf Wiedergutmachung aus. "Doch wir dürfen nicht mit dem Ansatz in die Partie gehen, die Braunschweiger aus dem Stadion zu schießen", ergänzt Defensivabräumer Hanno Behrens. "Ein dreckiges 1:0 reicht uns auch." Dann wären die Nürnberger bis auf vier Zähler an den Tabellendritten herangerückt. "Wir haben den Aufstiegskampf noch im Blick", sagt Spielmacher Kevin Möhwald.

Weil sie ihre Sache gut gemacht haben und weil die Ausfallliste nach wie vor lang ist, werden die Jungen wohl erneut ihre Chance bekommen. Mühl plagen zwar Oberschenkelprobleme, doch abgesehen davon geben die guten Auftritte des Nachwuchs-Quartetts "ein gutes Gefühl für Braunschweig", sagt Schwartz. Dessen Aufgabe ist es nun, die Emporkömmlinge vor dem Abheben zu bewahren. Vor allem Sabiri neige ein wenig "zur Überheblichkeit", sagt der Trainer. "Wir holen ihn aber wieder auf den Boden zurück", meinte Torhüter Kirschbaum. Für solche Fälle haben sie beim Club ja ihre Oldies.