Thalmässing
Jüdische Geschichte im Fokus

Thalmässing, Georgensgmünd und Pappenheim sind an Leader-Prokjekt "Tachles" beteiligt

30.08.2020 | Stand 23.09.2023, 13:50 Uhr
Ordner um Ordner hat Irmgard Prommersberger schon mit Namen und Daten gefüllt. Schon für die Ausstellung "Jüdische Heimat Thalmässing" waren viele Informationen zusammengetragen worden. −Foto: Karch

Thalmässing - "Tachles - Spuren jüdischen Lebens im südlichen Mittelfranken" ist ein Leader-Kooperationsprojekt überschrieben, an dem der Markt Thalmässing, die Gemeinde Georgensgmünd und die Stadt Pappenheim beteiligt sind.

Alle drei Kommunen haben eigene Projekte, mit denen die Vielfalt jüdischen Lebens, die in den Gemeinden einst vorhanden war, dargestellt werden soll. Es gibt aber auch gemeindeübergreifende Projekte.

Mit fast 30 Prozent Anteil von Bürgern jüdischen Glaubens war Thalmässing einst die größte Judengemeinde im Landkreis Roth. Vor fast 200 Jahren ist in Thalmässing ein jüdischer Friedhof angelegt worden, der eine wechselhafte Geschichte hinter sich hat. Die 129 Grabsteine, die die Kriege und Nachkriegszeit überstanden haben, sollen im Rahmen des Projekts wissenschaftlich erforscht und dokumentiert werden. Ein erster Schritt war vor Kurzem die Reinigung der Grabsteine durch eine Würzburger Firma, die sie mit einem Spezialverfahren behandelt und damit die Verwitterungsspuren beseitigt hat. Einige Steine mussten auch befestigt und gehärtet werden.

Licht und Schatten bestimmen an diesem Morgen den Arbeitsablauf von Tobias Tschapka. Der Fotograf wandert mit einem kleinen Hocker in der einen und seiner Kamera in der anderen Hand von Grabstein zu Grabstein. Zu viel Sonne ist nicht gut, zu viel Schatten aber auch nicht. Schließlich will Tschapka gestochen scharfe Fotos liefern, auf denen jedes der hebräischen Schriftzeichen genau zu erkennen ist. Mit diesen Bildern schafft er die Grundlage für die wissenschaftliche Erforschung und Dokumentation der Grabsteine durch das Salomon Ludwig Steinheim-Institut für deutsch-jüdische Geschichte an der Uni Duisburg-Essen. Nathanja Hüttenmeister vom Institut wird sich aber im September den Friedhof noch selbst ansehen. "Die Grabsteine und deren Inschriften werden inventarisiert, dokumentiert und durch die digitale Edition dauerhaft zugänglich gemacht. Die Online-Edition der epigrafischen Datenbank ,epidat' gewährleistet den verlässlichen, schnellen und weltweiten Zugang", beschreibt das Institut seine Arbeit.

Viel Vorarbeit hat in den vergangenen Jahrzehnten Irmgard Prommersberger aus Unterrödel geleistet. Die gebürtige Eysöldenerin hat vor vielen Jahren im Thalmässinger Rathaus gearbeitet. "Und schon damals bin ich immer ins Archiv geschickt worden, wenn eine Anfrage aus Amerika wegen jüdischer Angehöriger gekommen ist", erinnert sie sich. "Ich war schon immer eine Wühlmaus", sagt sie und lacht. Mit ihrem Wissen hat die versierte Heimatforscherin auch schon immer Schüler bei Facharbeiten unterstützt. Auch an der Ausstellung "Jüdische Heimat Thalmässing", die vor 22 Jahren für viel Aufsehen gesorgt hat, hatte Prommersberger einen wesentlichen Anteil. "Ohne die jüdischen Mitbürger hätte Thalmässing nie die Bedeutung erlangt, die es hat", ist Prommersberger überzeugt.

"Ich bin sehr genau", sagt sie über sich selbst. Das kommt ihr bei ihrer Forschung sehr zugute. Akribisch verfolgt sie in Zusammenarbeit mit Ursula Klobe jede Spur, um die Namen der jüdischen Bürger, die einst in Thalmässing gelebt haben, zusammenzutragen. Das ist nicht immer einfach, schließlich wurden erst seit 1813 Nachnamen Pflicht. Viele Namen wurden von den Heimatorten abgeleitet wie Ellinger, Heidecker, Thalmässinger, Pappenheimer oder Feuchtwanger. Auch in den Listen der Standesämter sind die jüdischen Eintragungen nicht unbedingt zu finden. "Da sitzt man manchmal schon lange, bis man alle Wege quer durch Bayern verfolgt hat", macht Prommersberger deutlich. Sie versucht, zu jedem Namen auch die Hausnummer des Gebäudes zuzuordnen, in dem die jüdischen Bürger gewohnt haben - und war schon bei vielen Familien erfolgreich.

Bis zur Fertigstellung des jüdischen Friedhofs in Thalmässing 1833 wurden die jüdischen Bürger in Georgensgmünd beerdigt, einige wurden auch noch später dort bestattet. Friedhöfe haben im jüdischen Glauben eine ganz andere Bedeutung als im christlichen. Dort herrscht ein ewiges Ruherecht, die Gräber werden nicht nach einer bestimmten Liegezeit aufgelöst. Die Totenehre ist unantastbar. Verständnis dafür will die Broschüre wecken, die im Rahmen des Tachles-Projekts für Thalmässing, Georgensgmünd und Pappenheim zusammengestellt wird. Dort werden auch die Totenwege vorgestellt, auf denen zum Beispiel vor 1833 die Verstorbenen von Thalmässing zum Friedhof in Georgensgmünd gebracht worden sind. Kreisheimatpflegerin Eva Schultheiß, die ebenfalls am Tachles-Projekt mitarbeitet, schreibt die Texte für Infotafeln, die an Stationen der Totenwege aufgestellt werden.

Um das einst so vielfältige jüdische Leben in Thalmässing darzustellen, sollen auch sogenannte Hörpfade, wie sie bereits für Georgensgmünd und Pappenheim produziert wurden, entstehen. Diese Podcasts machen die Geschichte der drei Orte über den digitalen Weg hörbar. Diese Hörpfade entstehen durch die Zusammenarbeit verschiedener Einrichtungen, unter anderem der Volkshochschule, des Bayerischen Rundfunks und die Stiftung "Zuhören". Die Podcasts sind weltweit abrufbar unter www. klingende-Landkarte. de und können auch über ein Smartphone abgehört werden.

Als Ziel für die Fertigstellung der Broschüre hat man sich das Jahr 2021 gesetzt, schließlich soll deutschlandweit das ganze Jahr über unter dem Namen "#2021 JLID" 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland gefeiert werden.

HK

Andrea Karch