"Jetzt nur noch mit dem richtigen Bein aufstehen"

10.09.2010 | Stand 03.12.2020, 3:42 Uhr

 

Guten Morgen nach Hause!

Waaaaaaaah, es ist soweit, die Wettkämpfe sind angelaufen! Es war ein tolles Bild vor dem Haupteingang der Sporthalle, als tausende Menschen in die Halle strömten.

"Ja, nu ist es soweit!", dachte ich mir, als ich aus dem Bus stieg und in den Sportlereingang trat. All die vergangenen Trainingslager, durch die ich mich beißen und meinen Willen manchmal weit unter der Judomatte suchen musste, um mich zu motivieren. All die schweißtreibenden Trainingseinheiten, die Wettkämpfe und Quälereien, die ausgeklügelten Trainingspläne – all das war nur für diesen Tag bestimmt, der jetzt auf mich wartet.

Bis jetzt waren nur die Schwergewichtler am Start, in allen Klassen waren Deutsche am Start: Robert Zimmermann, Andreas Tölzer, Franziska Konitz, Dino Pfeiffer, Heide Wollert und Luise Malzahn. Andreas war fantastisch, konnte sich mit starken Leistungen ins Finale kämpfen und holte Silber. Bei den Frauen erreichte Heide den undankbaren fünften Platz. Schade für sie, ich musste sie erstmal ganz fest drücken nach drei gewonnenen und zwei verlorenen Kämpfen. Ich hätte ihr die Medaille so sehr gewünscht. In der gleichen Kategorie schied Luise nach nur einem Kampf aus. Sie fand einfach kein Mittel gegen ihre Gegnerin. Auch schade, auch sie wurde gedrückt! Naja, immerhin eine Medaille. Der größte Druck ist schon mal weg. Das ganze Team kann etwas aufatmen nach diesem ersten, langen Tag in der Halle, der zumindest glücklich endete.

Ich bin noch ein paar Runden im Park gelaufen, mal wieder. Das mindert den Stress, lüftet den Kopf. Ja nicht zu früh konzentriert und fokussiert sein! Mein Gewicht ist ideal, ich kann normal essen – und mit Entspannungsmusik in den Ohren schlafe ich auch noch gut. Alles wunderbar!

Am Tag vor dem Wettkampf habe ich mich etwas bewegt, war eine Zeitlang in der Sporthalle und habe mich an die Atmosphäre gewöhnt. Ich kann ja nicht immer nur laufen. Außerdem kann ich so ein wenig zuschauen und anfeuern – das gehört ja auch dazu. Ansonsten wächst die Anspannung jetzt schon beträchtlich. Ich bin ja froh darüber, weil man sich so am besten konzentriert. Aber hoffentlich kann ich jetzt auch gut schlafen.

Einer ist immer da: mein Heimtrainer Franz Dausch. Er beruhigt mich immer, kennt mich seit meinem elften Lebensjahr. In Gesprächen gibt er mir Kraft, schenkt mir Vertrauen, stärkt mein Selbstbewusstsein und erinnert mich, was ich schon alles geschafft habe in meiner Judolaufbahn. "Man hat schon einige Favoriten sterben sehen hier in Tokyo! Und du kannst sie auch sterben lassen, Viola", hat er vorhin gesagt.

Die Karten werden immer wieder neu gemischt, das vordere Feld in der Weltspitze ist so was von eng. Es kommen immer wieder Überraschungen heraus. Alles ist offen! Da heißt es cool bleiben. Trainiert habe ich fleißig und zielstrebig, jetzt muss ich nur noch mit dem richtigen Bein aufstehen und Siegeswillen zeigen.

Liebe Grüße in die Heimat, die ich ein wenig vermisse,

Viola

P.S.: If you don’t try, you can’t succeed! (übersetzt: Wenn du es nicht probierst, kannst du nicht gewinnen!).