Wolnzach
Jetzt kommt der Hahn weg

Amtsgericht gibt den vom Krähen genervten Nachbarn Recht - Wolnzacher Gockelbesitzer fassungslos

20.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr
Selbst restauriert haben Karl und Maria Eberl das Hallertauer Bauernhaus am Wolnzacher Gottesackerweg, das früher Eberls Oma gehörte. Seit neun Jahren leben sie dort, wo früher überall Landwirtschaft betrieben wurde. −Foto: Karin Trouboukis

Wolnzach (WZ) Im Wolnzacher Gockel-Streit hat das Amtsgericht Pfaffenhofen entschieden: Der Hahn vom Gottesackerweg darf die Nachbarn nicht mehr durch sein Krähen belästigen. Die Kläger sind erleichtert, die Gockelbesitzer dagegen verstehen die Welt nicht mehr.

Ein typisches Hallertauer Anwesen, wie es nicht mehr viele gibt: In unzähligen Arbeitsstunden hat Karl Eberl das kleine Greddachhaus mit dem angebauten Stadel renoviert, ihm mit gelber Farbe, braunen Holfenstern und Granitsteinen vor der Eingangstüre seinen alten Charme zurückgegeben. "2008 sind wir eingezogen", sagt Eberl, für ihn war es aber eher ein Nachhausekommen, in ein gemütliches Nest, das er nach dem Erwachsenwerden der Kinder für sich und seine Frau Maria bereitet hat. Denn das Haus gehörte früher seiner Oma, auch ihr zuliebe hat er das alles gemacht. Und fast sieht es so aus, als stünde die Zeit hier still: Das alte Hauskreuz hängt im Herrgottswinkel, die Pendeluhr tickt in der Stube und draußen im Hof steht der schmale Holder-Bulldog so da, als wäre er soeben vom Feld gekommen. Er passt ins Bild dieser gewachsenen, bäuerlich anmutenden Umgebung am Gottesackerweg in Wolnzach: gegenüber ein ehemaliger Bauernhof, direkt neben den Eberls zwei weitere und keinen Steinwurf entfernt ein aktiver Betrieb, in dem noch Hopfen getrocknet wird.

Ein bisschen näher hin zur Selbstversorgung wollten Karl und Maria Eberl in Zeiten von Eierskandal und Hähnchenmast, mit eigenem Gemüse aus dem Garten, Obst frisch vom Baum und Eiern von den eigenen Hühnern. "Zu Hühnern gehört ein Hahn", sagt Karl Eberl. "Das ist doch Natur, das ist Leben. So muss es doch eigentlich sein in dieser Umgebung." Aber jetzt weiß er, dass genau das in dieser Umgebung nicht sein darf und die Tage seines Hahns gezählt sind. Schwarz auf Weiß hat er das im Endurteil, gefällt vom Amtsgericht Pfaffenhofen: Das Gericht gibt den Nachbarn Recht, die vor vier Jahren in Eberls Nachbarschaft gezogen sind und ihre Lebensqualität durch das Krähen des 2015 angeschafften Hahnes geschmälert sehen.

Das Krähen sei tatsächlich eine wesentliche Beeinträchtigung, sei nicht ortsüblich und obendrein sei der Hahnbesitzer kein Landwirt, sondern habe mit der hobbymäßigen Hühner- und Hahnhaltung erst angefangen, nachdem die Kläger schon zwei Jahre im Nachbarhaus wohnten. Der Gockelbesitzer wird verurteilt, "Maßnahmen zu ergreifen, die es ausschließen, dass von seinem Grundstück Beeinträchtigungen durch Hahnkrähen ausgehen", heißt es im Urteilsspruch. "Das bedeutet, dass wir unseren Gockel weggeben müssen", kann Maria Eberl immer noch nicht fassen, dass es so gekommen ist. Denn wie könne man sonst verhindern, dass ein Gockel kräht, wenn das halt mal seine Natur ist? "Wenn mir jemand sagen kann, was ich machen soll, dann soll er das bitte tun", sagt Karl Eberl resigniert. "Aber es gibt keine Lösung. Wenn jemand unseren Gockel haben möchte, kann er sich gerne bei uns melden."

Weiterstreiten und auf die nächsthöhere Instanz hoffen, darauf setzen, dass ein anderer Richter vielleicht doch den dörflichen Charakter der Umgebung sieht und das Gockelkrähen als "ortsüblich" einstuft, nein, das möchte Karl Eberl nicht. "Wir wollen eigentlich nur in Ruhe leben", sagt er. "Hätten wir gewusst, was für Folgen unsere Hühner und unser Gockel für uns haben, dann wären wir das alles ganz anders angegangen", sagt er. "Aber wir waren wahrscheinlich einfach zu naiv." Risiko wolle man nun keines mehr eingehen, der Gockel kommt weg, die Hühner bleiben. Denn die können auch ohne Hahn ihre Eier legen. "Hoffentlich ist dann jetzt auch Ruhe", schaut Karl Eber hinüber zum Nachbarhaus. Er heizt sein Haus mit Holz, das bald geschnitten werden muss. "Nicht, dass das auch wieder nervt", meint er. Als "sehr bedauerlich" empfindet Bürgermeister Jens Machold den Gockelstreit, allerdings seien ihm die Hände gebunden: "Lärmschutz ist Bundesrecht." Als Kommune könne man da gar nichts machen. "Wenn dem so wäre, dann hätten wir das in Sachen Volksfest längst getan." Auch aus eigener Erfahrung wisse er, dass sich nicht immer alle Nachbarn grün seien, ob im gewachsenen Ort oder in Neubaugebieten: "Auch mir wurde in der Vergangenheit wiederholt die Polizei geschickt, wenn ich nachts um kurz nach 22 Uhr noch auf meiner Terrasse gesessen bin." Für alle Beteiligten hoffe er, dass nun endlich Ruhe sei.

Beruhigen mag sich Siegfried Eiba nicht, seit er vom Gockelurteil erfahren hat. Als Vorsitzender des örtlichen Kleintierzuchtvereins kann er nur den Kopf schütteln: darüber, dass man sich über einen Gockel in dieser Umgebung überhaupt so aufregen kann und auch darüber, wie der Richter geurteilt hat: "Das ist ja nicht zu fassen."

Froh über den Richterspruch sind die Nachbarn. Sie lassen über ihren Anwalt verlauten: "Wir haben das Urteil mit Erleichterung aufgenommen. Wir sind froh, dass dieses Verfahren nun ein Ende gefunden hat und wir nun wieder in Ruhe unser Zuhause genießen können."